Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Beckenbauer und die Wand
Strafverfahren gegen den schwer angeschlagenen Organisator der WM 2006 abgetrennt – Zwanziger zürnt
MÜNCHEN (SID/dpa) - Franz Beckenbauer geht es gesundheitlich offenbar schlecht. So schlecht, dass seine Ärzte betonen: Jede Aufregung könnte lebensgefährlich sein für ihn. Wie der „Spiegel“berichtet, haben die Anwälte des 73-Jährigen bei der Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) entsprechende Atteste vorgelegt. Einer Anklage wegen des WM-Skandals 2006 wird der Kaiser damit aller Voraussicht nach entgehen.
Nach Ansicht der Ärzte hat sich der Gesundheitszustand von Beckenbauer seit April massiv verschlechtert. So seien dessen Urteilsvermögen und dessen Gedächtnis mittlerweile sehr stark getrübt, eine Besserung nicht zu erwarten. Mit der Diagnose begründen die Ärzte gegenüber den Schweizer Ermittlern eine Vernehmungsunfähigkeit von Beckenbauer. Die BA stand nach Informationen des „Spiegel“kurz davor, Anklage gegen Beckenbauer zu erheben, sie fordert angeblich auch noch weitere ärztliche Belege. Darüber hinaus aber hat sie schon die Absicht bestätigt, Beckenbauers Verfahren abzutrennen, um gegen andere Beschuldigte im Fall der angeblich gekauften WM 2006 schneller voranzukommen.
Bei Beckenbauer wird es wohl auf eine Verjährung der Vorwürfe im April 2020 hinauslaufen. Die ehemaligen DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt sollen nach dem Willen der BA dagegen vor Gericht kommen: Sie und der ehemalige Schweizer FIFA-Generalsekretär Urs Linsi sollen den DFB 2005 bei der Rückzahlung eines ominösen 6,7Millionen-Euro-Kredits betrogen haben. „Das ganze Verfahren ist so abwegig, dass sich eigentlich jedes Wort darüber verbietet“, sagte der frühere DFB-Chef Zwanziger. „In diesem Zusammenhang ist das Wort ,Rechtsstaat’ in der Schweiz nur noch eine Beleidigung.“Die Ermittlungen seien von Beginn an „Unsinn“gewesen. „Sie rennen schon seit längerer Zeit mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Wand – und am Schluss gewinnt die Wand“, sagte Zwanziger.