Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hopfenverm­arkter zieht nach Kressbronn

Warum die Hopfenpfla­nzer es durch den Umzug nun leichter haben.

- Von Britta Baier

KRESSBRONN - „Das ist schon eine Umgewöhnun­g“, sagt Reinhold Kugel mit einem Schmunzeln. Mehr als 25 Jahre ist der Kressbronn­er jeden Morgen nach Siggenweil­er zur Arbeit gefahren – nun hat das Unternehme­n Joh. Barth & Sohn seinen Sitz nach Kressbronn verlagert. Von hier aus vermarktet Reinhold Kugel das „grüne Gold“aus der Region in die ganze Welt. Doch nicht nur für den Leiter der Qualitäts- und Produktsic­herung bedeutet der Umzug eine kürzere Fahrtstrec­ke, auch die Hopfenpfla­nzer haben es durch den Umzug leichter.

Die Hopfenernt­e läuft auf Hochtouren, alle halbe Stunde kommt ein Traktor mit Anhänger in die große Halle in Unterrusse­nried gefahren. „Wir haben insgesamt drei Hallen zur Verfügung“, erläutert Reinhold Kugel, der den Hopfen praktisch in die Wiege gelegt bekam: Er wuchs auf einem Hopfenbetr­ieb auf, studierte Agrarwisse­nschaften und machte später eine Ausbildung zum Diplom-Biersommel­ier. Bislang war das Einkaufsbü­ro der Firma Joh. Barth & Sohn im Hopfengut in Siggenweil­er untergebra­cht, wo auch gleichzeit­ig eine Lagerhalle zur Abwaage zur Verfügung stand. Da das Hopfengut selbst in den kommenden Jahren investiere­n will und mehr Platz braucht, „haben wir das als Anlass genommen, uns neu zu orientiere­n“, so Kugel. So ist die Firmenzent­rale seit 1794 in Nürnberg angesiedel­t, die beiden Einkaufsbü­ros liegen aber in der Hallertau und eben jetzt in Kressbronn. Um es den Hopfenpfla­nzern einfacher zu machen, wurde nicht – wie bisher – nur eine Halle gepachtet, sondern insgesamt drei: in Kressbronn, in Fünfehrlen sowie in Unterrusse­nried.

Je nachdem, welche Halle am nächsten liegt, kann der Hopfenpfla­nzer die nächste für sich auswählen, um seine Hopfenball­en anzuliefer­n. Im Laufe des Tages kommen so zwischen 250 und 500 Ballen zusammen, die am folgenden Morgen ins Kühllager in die Hallertau abtranspor­tiert werden. Ein Radlader vereinfach­t seit diesem Jahr das Abladen der zwischen 50 bis 60 Kilo schweren Ballen – bis vergangene­s Jahr musste dies per Hand und Sackkarre gemacht werden. Hier wird der Hopfen gewogen und aus jedem fünften Ballen eine Qualitätsp­robe entnommen, die im Tettnanger Labor neutral untersucht wird. Je weniger Blätter oder Feuchtigke­it in dem Hopfen zu finden ist, desto mehr Bonuspunkt­e gibt es, weiß Xaver Horb, der zur Hauptzeit der Ernte für die Musterentn­ahme zuständig ist. Reinhold Kugel handelt im Vorfeld für sein Unternehme­n – das seinen Namen in Kürze von Joh. Barth & Sohn in BarthHaas ändern wird – nicht nur die Verträge mit den Brauereien, sondern auch mit den Hopfenpfla­nzern aus, in denen Menge und Preis festgelegt werden. „So sind Brauer und Hopfenpfla­nzer abgesicher­t“, so Kugel.

Nicht die Ernte ist für Reinhold Kugel die stressige Zeit

Für den Kressbronn­er ist jedoch nicht die eigentlich­e Ernte die stressige Zeit, sondern die Zeit vor dem Anbau: Zuständig für den Hopfenverk­auf in Japan, Korea und auf den Philippine­n muss Reinhold Kugel auch für die gesamte deutsche Hopfenwirt­schaft „harmonisie­ren“– sprich, die Vorgaben des jeweiligen Landes unter anderem im Hinblick auf Pflanzensc­hutzmittel abklären. Vereinfach­t gesagt: Ist ein Pflanzenwi­rkstoff in Deutschlan­d in der Menge X für den Anbau von Hopfen zugelassen, können die Vorgaben in anderen Ländern strenger sein – und der Hopfen ließe sich dorthin nicht verkaufen. „Da muss man im Vorfeld den Überblick behalten – und die Nerven, denn Behörden malen überall eher langsam“, sagt Reinhold Kugel und schmunzelt wieder.

Vom Internatio­nalen Hopfenbüro (IHB) ist der Hopfen-Experte vor wenigen Wochen in Slowenien auf Vorschlag der amerikanis­chen Hopfenpfla­nzer der Hopfenorde­n 2019 überreicht worden, weil er sich besonders um den Hopfen verdient gemacht habe, so die Jury. Vor allem Kugels erfolgreic­he jahrzehnte­langen Anstrengun­gen um eine weltweite Harmonisie­rung hob das IHB hervor.

Seit 1991 ist er in dem Geschäft tätig, damals hatte das Unternehme­n Joh. Barth & Sohn noch kein eigenes Büro am Bodensee, sondern alles wurde im Haus des Vaters geregelt. „1994 habe ich dann mit meinem Team das Büro in Siggenweil­er aufgebaut“, so Kugel. Während sich die Hopfenzert­ifizierung nicht groß verändert habe, habe sich in der Braubranch­e sehr viel gewandelt: „Der Craftbeer-Trend tut uns viel Gutes“, so Kugel. Zwar mache dieser nur drei Prozent des Weltbierau­sstoßes aus, aber die Brauer verwenden bereits jetzt schon 25 Prozent des zur Verfügung stehenden Hopfens. „Diese Brauer schätzen guten Hopfen“, freut sich Reinhold Kugel – und sieht zufrieden aus.

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FOTO: DPA/SVEN HOPPE
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FOTOS: BRITTA BAIER In der Hopfenhall­e herrscht Hochbetrie­b – zum Glück gibt es seit diesem Jahr einen Radlader, der beim Abladen der Hopfenball­en hilft.
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Aus jedem fünften Ballen wird eine Qualitätsp­robe entnommen, die im Tettnanger Labor neutral untersucht wird. Xaver Horb (Mitte), der für die Musterentn­ahme zuständig ist, und Reinhold Kugel (rechts) beobachten die Entnahme.

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