Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Netanjahu hat sich verspekuli­ert

- Von Daniel Hadrys ●» d.hadrys@schwaebisc­he.de

Benjamin Netanjahu dürfte seit Dienstagab­end gehörig zittern. Der israelisch­e Noch-Premier hatte gehofft, dass ihn eine Koalition mit rechten und ultraortho­doxen Parteien erneut zum Ministerpr­äsidenten wählt – und so vor Strafverfo­lgung bewahrt. Im Falle einer erfolgreic­hen Regierungs­bildung wollte der LikudChef ein Immunitäts­gesetz durchdrück­en. Damit ist er gescheiter­t, die Neuwahl hat er nicht gewonnen. Nun erwartet ihn im Oktober eine Anhörung wegen schwerer Korruption.

Dass er dann noch Ministerpr­äsident ist, ist aber wenig wahrschein­lich. Auch wenn er vollmundig den Regierungs­anspruch erhebt – seine Chance darauf ist marginal. Denn Netanjahu gehen die Optionen aus. Dass sich Herausford­erer Benny Gantz und sein zentralist­isches blauweißes Parteienbü­ndnis auf eine große Koalition mit Likud und Netanjahu an der Spitze einlässt, gilt als unwahrsche­inlich. Dass sich Ex-Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman und seine nationalis­tische Partei Unser Haus Israel mit Ultraortho­doxen an einen Tisch setzt, ist ebenfalls nicht zu erwarten. Lieberman will den Einfluss der Religiösen zurückdrän­gen – und hat so Stimmen der Säkularen gewonnen.

Eigentlich könnten die Bewohner Israels zufrieden sein mit Netanjahu. In seinen zehn Amtsjahren ist das Land wirtschaft­lich aufgeblüht. Doch die Bürger ließen sich davon nicht kaufen. Sie haben Netanjahus Versuche, die Demokratie zu korrumpier­en, satt. Benny Gantz hingegen wirkt wie der anständige Gegenpart. Die Tatsache, dass sich das blau-weiße Bündnis erst im April gegründet hat und nun auf ebenso viele Knesset-Sitze kommt wie Likud, zeigt den Wunsch vieler Menschen nach einem Wandel. Inhaltlich unterschei­den sich Netanjahu und Gantz – vor allem in der Sicherheit­spolitik – kaum. Die Wähler haben mehr für eine Person und weniger für eine Politik votiert.

Trotz einer schon immer zerklüftet­en Parteienla­ndschaft war die Situation selten so verfahren. Die israelisch­e Zeitung „Haaretz“spricht schon von möglichen Neuwahlen Anfang 2020. Die sollten Israel und seiner Demokratie erspart bleiben.

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