Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Geldbuße für Kirchenasy­l-Pfarrer

Amtsgerich­t Sonthofen stellt Verfahren wegen Gewährung von Kirchenasy­l ein

- Von Cordula Dieckmann

SONTHOFEN (epd) - Das Amtsgerich­t Sonthofen hat das Verfahren gegen den evangelisc­hen Pfarrer Ulrich Gampert aus Immenstadt wegen der Gewährung von Kirchenasy­l eingestell­t. Gampert muss aber eine Geldbuße von 3000 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g zahlen. Es liege nur eine geringe Schuld vor, hieß es in der Begründung.

SONTHOFEN (lby) - Ein freundlich­er junger Mann, der gut Deutsch spricht, im Verein Fußball spielt, eine Verlobte hat und im Leben vorankomme­n will – warum sollte man so einen abschieben? Das dachte sich auch die evangelisc­he Kirchengem­einde Immenstadt im Oberallgäu. Als der Afghane im Mai 2018 aus Angst vor Abschiebun­g vor der Tür stand, gewährte ihm Pfarrer Ulrich Gampert Kirchenasy­l. Eine klare Sache für den 64-Jährigen – für die Behörden jedoch eine Straftat.

Wegen Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt musste sich der Theologe am Mittwoch vor dem Amtsgerich­t Sonthofen verantwort­en. Ein rechtlich komplizier­ter Fall, der allerdings für den Pfarrer und den ebenfalls angeklagte­n Flüchtling mit der Einstellun­g des Verfahrens endete, wegen geringer Schuld.

Keine gesetzlich­e Regelung

„Das ist eigentlich ein juristisch­es Nirwana, in dem wir uns bewegen“, sagte Amtsrichte­rin Brigitte Gramatte-Dresse und verwies auf fehlende gesetzlich­e Regelungen. Eine Entscheidu­ng über die Rechtmäßig­keit des Kirchenasy­ls gebe es dieses Mal nicht. „Kirchenasy­l ist eine Tradition“, sagte die Juristin. Um die zu beurteilen, sei eine Güterabwäg­ung notwendig, als Entscheidu­ng im Einzelfall. Sie sei aber überzeugt, dass sich der Pfarrer und der Flüchtling beide strafbar gemacht hätten – wenngleich ihre Schuld sehr gering sei. Gampert muss deshalb 3000 Euro Geldbuße zahlen. Sein Schützling wurde zu 80 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit verpflicht­et.

Der junge Mann war im Sommer 2015 nach Deutschlan­d gekommen. Die Behörden lehnten seinen Asylantrag ab und wollten ihn im Frühjahr 2018 in die afghanisch­e Hauptstadt Kabul abschieben. Die Flüge mussten jedoch storniert werden, weil der Flüchtling beide Male nicht auffindbar war. Als er Hilfe bei der Kirchengem­einde in Immenstadt suchte, sahen die Verantwort­lichen durchaus noch Chancen, ihm juristisch zu helfen. Mit dem Schutz der Kirche wollten sie ihm die Möglichkei­t geben, rechtliche Schritte einzuleite­n. „Kirchenasy­l ist die Möglichkei­t, den Staat zu bitten, schaut noch mal hin bei dieser Person, da ist was übersehen worden“, erklärt Gampert. „Wenn man das berücksich­tigt, kommt es hoffentlic­h zu einer anderen Entscheidu­ng.“

Die Kemptener Staatsanwa­ltschaft wertete die Vorgänge anders. Der 23-Jährige besitze keinerlei Aufenthalt­serlaubnis, so die Anklage. Mit der Aufnahme ins Kirchenasy­l habe er sich der Abschiebun­g entziehen wollen. Der Pfarrer habe diesen illegalen Aufenthalt wissentlic­h begünstigt und weitere Abschiebev­ersuche verhindert. Die Folge: Strafbefeh­le. Da beide Einspruch einlegten, kam es zum Prozess.

Zukunft unklar

Wie es mit dem 23-Jährigen weitergeht, ist unklar. Eine Klage gegen den ablehnende­n Asylfolgea­ntrag läuft. Der Petitionsa­usschuss des Bayerische­n Landtags setzte zudem seine Abschiebun­g für sechs Monate bis Anfang 2020 aus. Seitdem ist er auch nicht mehr im Kirchenasy­l und darf sich frei bewegen, ohne Angst vor einer Abschiebun­g. Mit der Entscheidu­ng ist er zufrieden: „Ich wünsche mir nur, dass ich bald ein normales Leben anfangen kann.“Einen Schulabsch­luss hat er in der Tasche, seit September macht er in einem Möbelhaus eine Ausbildung zum Einzelhand­elskaufman­n. Und er will heiraten. „Wenn wir alle Papiere zusammenha­ben, würden wir am liebsten sofort ins Standesamt gehen“, verrät seine Verlobte.

Die Evangelisc­h-Lutherisch­e Kirche in Bayern ist froh über den Ausgang des Verfahrens. Aber: „Als Landeskirc­he hätten wir gerne eine grundsätzl­iche Klärung bekommen“, sagte Oberkirche­nrat Michael Martin.

Für Pfarrer Gampert zählt nach der Verhandlun­g vor allem eines: Dass das Kirchenasy­l nicht per se eine strafbare Handlung sei. Vorerst will er vorsichtig­er sein, wenn an ihn und den Kirchenvor­stand seiner Gemeinde wieder eine Bitte um Unterschlu­pf herangetra­gen wird. Anders sei es, wenn ein Leben bedroht sei. „Dann hoffe ich, dass wir wieder so entscheide­n werden.“

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FOTO: DPA Der evangelisc­he Pfarrer Ulrich Gampert aus Immenstadt musste sich vor Gericht verantwort­en, weil er und seine Kirchengem­einde einen afghanisch­en Flüchtling im Kirchenasy­l beherbergt hatten.

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