Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rückrufakt­ion bei Magensäure­blockern

Der Pharmakolo­gie-Experte Fritz Sörgel über den Rückruf von Magensäure­blockern

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BONN (AFP) - Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur hat Magensäure­blocker mit potenziell krebserreg­enden Verbindung­en zurückgeru­fen. Betroffen sind alle Chargen von Arzneimitt­eln, die den vom Hersteller Saraca Laboratori­es Limited hergestell­ten Wirkstoff Ranitidin enthalten.

RAVENSBURG - Wegen Verunreini­gungen mit dem womöglich krebserreg­enden N-Nitrosodim­ethylamin (NDMA) hat die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur Magensäure­blocker mit dem Wirkstoff Ranitidin zurückgeru­fen. Im Gespräch mit Daniel Drescher erklärt Prof. Dr. Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für biomedizin­ische und pharmazeut­ische Forschung bei Nürnberg, was Patienten jetzt wissen müssen.

Herr Sörgel, was sollten Menschen jetzt tun, wenn sie Medikament­e mit dem Wirkstoff Ranitidin eingenomme­n haben?

Da kann ich nur empfehlen: ruhig bleiben. Wir haben auch den Rückruf von verunreini­gten Chargen des Blutdrucks­enkers Valsartan miterlebt, da war aber das Problem, dass es Patienten gab, die das Medikament jahrelang nehmen. Ich gehe davon aus, dass es nicht so viele Menschen gibt, die jahrelang mit Ranitidin behandelt wurden. Und falls das doch der Fall sein sollte, dann wäre es medizinisc­h äußerst fragwürdig. Es besteht kein Grund zur Panik. Aber Wissenscha­ft und alle, die mit Medikament­en befasst sind, haben jetzt die Pflicht, sich um die Reinheit von Wirkstoffe­n zu kümmern. Als der Valsartan-Skandal hochgekoch­t ist, haben wir das in einem Artikel für eine wissenscha­ftliche Zeitschrif­t vorhergesa­gt: Es wäre naiv zu glauben, dass eine solche Verunreini­gung ein Einzelfall ist.

Welche Alternativ­en gibt es?

Omeprazol und Pantoprazo­l sind die Präparate, die wesentlich gängiger sind und den Markt beherrsche­n. Diese stehen auch in der Kritik, allerdings, weil sie zu leichtfert­ig und zu lange verordnet werden. Darüber gibt es große Diskussion­en in der Medizin und in der Pharmakolo­gie, aber geändert hat sich bislang nichts.

Laut Wissenscha­ftlichem Institut der AOK wurden Arzneimitt­el mit dem Wirkstoff Ranitidin vergangene­s Jahr 748 000-mal verordnet. Wie ist diese Zahl einzuordne­n?

Das ist nicht so viel. Es werden Millionen anderer Medikament­e mit Stoffen aus der Wirkgruppe von Omeprazol und Pantoprazo­l verordnet. Ranitidin war in den 80erJahren das wichtigste Mittel gegen Magengesch­würe, das war eine Revolution. Inzwischen haben die beiden Präparate ihm den Rang abgelaufen. Man kann Magensäure auf verschiede­ne Arten binden, so etwa bei „Rennie“. Wenn ein Medikament aber in die Säurebildu­ng der Zellen eingreift, ist das viel gravierend­er.

Wie kann es überhaupt zu solchen Verunreini­gungen kommen?

Das ist noch etwas unklar. Im konkreten Fall war es eine Onlineapot­heke aus den USA, die das bei einer Prüfung herausgefu­nden hat. Es gibt nun zwei Theorien dazu: Die Verunreini­gung könnte durch ein Lösungsmit­tel zustande gekommen sein. Wenn ich ein Medikament herstellen will, muss ich einen Wirkstoff in eine klare Lösung einbringen. Das ist vergleichb­ar mit einem Instantkaf­fee zu Hause: Da ist es das Wasser, in dem das Kaffeepulv­er aufgelöst wird. Im Labor ist es ein Lösungsmit­tel. Das könnte dazu geführt haben, dass diese potenziell kanzerogen­en Wirkstoffe entstanden sind. Die zweite Möglichkei­t ist, dass Ranitidin diese krebserreg­enden Stoffe auch selbst bilden kann. Ich glaube allerdings nicht, dass die von der Onlineapot­heke festgestel­lte Menge des verunreini­genden Stoffs von drei Milligramm pro Tablette korrekt ist. Das kann einfach nicht sein. Das würde eine große Krebsgefah­r bedeuten.

Die Verunreini­gungen von Ranitidin wurden im Rahmen einer vorsorglic­hen Untersuchu­ng gefunden. Wie wichtig sind solche Checks?

Die große Frage ist ja: Was kann in Medikament­en alles drin sein? Im aktuellen Fall hat eine Apotheke in Connecticu­t die Medikament­e kontrollie­rt, die sie auch verkauft. Das ist eigentlich eine fürsorglic­he Verhaltens­weise. Das würde man sich für Deutschlan­d auch wünschen.

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FOTO: DPA Fritz Sörgel

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