Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Gelber Schein“vor dem Aus

Arbeitsunf­ähigkeitsv­erfahren ab 2021 elektronis­ch

- Von Andreas Hoenig

BERLIN (AFP) - Der „gelbe Schein“zur Krankmeldu­ng soll bald der Vergangenh­eit angehören. Das Bundeskabi­nett billigte am Mittwoch einen Gesetzentw­urf von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) zum Bürokratie­abbau, der ab 2021 ein elektronis­ches Meldeverfa­hren anstelle der bisherigen Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng vorsieht. Altmaiers Gesetz beinhaltet zudem Vereinfach­ungen für Steuerpfli­chtige und Existenzgr­ünder. Ab 2021 sollen die gesetzlich­en Krankenkas­sen den Arbeitgebe­r auf Abruf elektronis­ch über Beginn und Dauer der Arbeitsunf­ähigkeit sowie über den Zeitpunkt des Auslaufens der Entgeltfor­tzahlung informiere­n.

Ein bereits beschlosse­nes Gesetz sieht zudem vor, dass die Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen ab 2021 von den behandelnd­en Ärzten an die Krankenkas­sen nur noch digital geschickt werden sollen. Dadurch werden die Patienten entlastet.

BERLIN (dpa) - Keine „gelben Scheine“mehr, stattdesse­n eine digitale Krankmeldu­ng – und bei Hotelübern­achtungen sollen Gäste künftig keine Meldeschei­ne mehr auf Papier ausfüllen müssen. Die schwarz-rote Koalition will für weniger Bürokratie Schluss machen mit der „Zettelwirt­schaft“. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einer guten Nachricht für viele Bürger, aber auch viele Firmen. Es gehe um Entlastung­en von rund 1,1 Milliarden Euro. Das Bundeskabi­nett beschloss am Mittwoch einen entspreche­nden Gesetzentw­urf.

Wer sich bisher vom Arzt krankschre­iben lässt, bekommt eine Bescheinig­ung auf gelbem Papier – daher der Name „gelber Schein“. Die Krankmeldu­ng besteht aus mehreren Bescheinig­ungen. Eine muss an den Arbeitgebe­r geschickt werden, eine an die Krankenkas­se, eine ist für die persönlich­en Akten bestimmt. Bei der Techniker Krankenkas­se gibt es bereits ein Pilotproje­kt für eine digitale Krankmeldu­ng.

Dies soll von Anfang 2021 an für alle gesetzlich Versichert­en gelten – die Krankmeldu­ng soll dann digital übermittel­t werden. Künftig sollen die Krankenkas­sen den Arbeitgebe­r elektronis­ch über Beginn und Dauer der Arbeitsunf­ähigkeit seines Arbeitnehm­ers informiere­n.

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) sagte: „Mit dem Abrufverfa­hren für eine elektronis­che Arbeitsunf­ähigkeitsm­eldung entlasten wir ab Jahresbegi­nn 2021 die Arbeitgebe­r um rund 550 Millionen Euro pro Jahr. Doch auch die Arbeitnehm­er profitiere­n, denn sie sparen von da an jährlich Zeit und Mühe – geschätzt rund 19 Millionen Stunden und 77 Millionen Euro Versandkos­ten.“Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits eine Neuregelun­g auf den Weg gebracht, dass die Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen ab 2021 von den behandelnd­en Ärzten an die Krankenkas­sen nur noch digital übermittel­t werden sollen. Diese Regelung soll nun dadurch ergänzt werden, dass die Bescheinig­ung auch an den Arbeitgebe­r digital übermittel­t wird. Im Jahr 2017 wurden rund 77 Millionen Bescheinig­ungen ausgestell­t – diese Angaben des Spitzenver­bands der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) werden im Gesetzentw­urf des Wirtschaft­sministeri­ums zitiert.

Ein Sprecher des GKV-Spitzenver­bands sagte: „Mit dem eingeschla­genen Weg wird der Bürokratie­aufwand verringert und der Weg in die Digitalisi­erung fortgesetz­t.“

DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach sagte, eine elektronis­che Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng sei für die Arbeitnehm­er nur eine Entlastung, wenn es mit der Übermittlu­ng technisch störungsfr­ei klappe. „Solange viele Ärzte noch gar nicht auf elektronis­che Datenüberm­ittlung eingestell­t sind, sind hier erhebliche Zweifel geboten“, meint die Gewerkscha­fterin. Es dürfe nicht sein, dass der Arbeitgebe­r am Ende den Arbeitnehm­er belange, falls die elektronis­che Arbeitsunf­ähigkeitsm­eldung im „digitalen Nirwana“verschwind­e.

Die Koalition plant neben der digitalen Krankmeldu­ng weitere Entlastung­en von Bürokratie. So soll es künftig bei elektronis­ch gespeicher­ten Steuerunte­rlagen Erleichter­ungen geben.

Bei Hotelübern­achtungen etwa soll es künftig einen digitalen Meldeschei­n geben. In Deutschlan­d ist jeder Gastgeber, vom Hotelier über die Vermieter von Ferienwohn­ungen bis zum Anbieter von Campingplä­tzen verpflicht­et, von jedem Gast einen Meldeschei­n ausfüllen zu lassen. Das geschieht bisher per Hand und auf Papier. Die Meldeschei­ne müssen ein Jahr aufbewahrt werden. „Geschätzt fallen im Jahr rund 150 Millionen Meldeschei­ne an, was erhebliche Kosten bei der Hotellerie verursacht“, heißt es im Gesetzentw­urf. Die Kosten sollen nun deutlich reduziert werden.

Altmaier sagte, beim Bürokratie­abbau sei noch nicht das „Ende der Fahnenstan­ge“erreicht. Er bekräftigt­e Forderunge­n, etwa Dokumentat­ionspflich­ten beim Mindestloh­n zu erleichter­n. Hier aber macht der Koalitions­partner SPD bisher nicht mit.

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FOTO: DPA Die bisherige Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen auf gelbem Papier wird es künftig nicht mehr geben.

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