Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hauptsache, Hui Buh geht’s gut

Darf ein Ziegenbock als Familienmi­tglied gehalten werden? – Diese Frage hat das Verwaltung­sgericht München klar mit Nein beantworte­t

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Bevor es hier um die juristisch­e Posse rund um die Zwergziege Hui Buh gehen wird, zunächst etwas Erfreulich­es: Dem Tier geht es inzwischen besser. Zwar sei der Ziegenbock immer noch stark auf Menschen fixiert, was für solch ein Herdentier widernatür­lich sei, sagt Pfleger Gerd Walther, der Hui Buh im Gnadenhof Gut Streiflach nahe München betreut. „Aber er traut sich mittlerwei­le langsam an den Rest der Herde ran.“Was Gerd Walther von dem eben ergangenen Urteil hält? „Ich finde es gut“, sagt der Pfleger, der an diesem Mittwochna­chmittag als Zuschauer ins Verwaltung­sgericht München gekommen ist. „Weil ich denke, dass es dem Tier bei uns besser geht.“

Ganz anderer Meinung sind da die zwei Frauen, die weiter vorne im Gerichtssa­al auf der Klägerbank sitzen – und denen Tränen in den Augen stehen: Elisabeth Anders (55) und ihre Tochter Magdalena Anders (29). Die beiden haben vor Gericht um die Rückgabe des Zwergziege­nbocks Hui Buh gekämpft, den sie nach der Geburt auf den Namen des Schlossges­pensts getauft, zu sich nach Hause genommen und dort mit der Flasche aufgezogen haben. „Er war ein richtiges Familienmi­tglied“, sagt Elisabeth Anders. „Er war unser Lebensinha­lt.“Doch das Tier wurde Mutter und Tochter im April dieses Jahres vom zuständige­n Landratsam­t München weggenomme­n. Der Grund: Die Ziege sei nicht artgerecht gehalten worden. Gegen diese Entscheidu­ng hat Magdalena Anders geklagt – und jetzt verloren.

Ziege auf dem Beifahrers­itz

„Sie haben das Tier im Schlafzimm­er gehalten und bei sich im Bett schlafen lassen“, wirft Amtstierär­ztin Andrea Jahrbeck in der Verhandlun­g der Tochter vor. Überdies durfte Hui Buh auf dem Beifahrers­itz im Auto mitfahren – was schließlic­h dem Landratsam­t auffiel, das daraufhin eingriff. Auch Richter Dietmar Wolff berichtet von Fotos aus dem Hause Anders, die nicht eben für die Familie sprechen: „Wenn das die Räume sind, wo das Tier gehalten wurde, dann ist das nicht unbedingt eine ziegengere­chte Haltung.“

Ganz anders sieht das die Anwältin der Klägerin, Monika Wiegand. Sie verweist darauf, dass Hui Buh nach der Geburt „neurologis­che Ausfälle“hatte, von seiner Mutter verstoßen wurde und nicht eigenständ­ig trinken konnte. Nur deshalb habe die Familie Anders den Ziegenbock zu sich nach Hause genommen. „Das Tier war so krank, dass es nicht im Stall bleiben konnte“, betont Wiegand. Wobei Hui Buh nicht dauerhaft im Hotel Mama bleiben sollte: „Meine Mandantin hat sich bemüht, den Ziegenbock so schnell wie möglich ordnungsge­mäß unterzubri­ngen.“Doch gerade, als ein Stall und zwei Artgenosse­n gefunden waren, die dem Tier Gesellscha­ft leisten sollten, sei die Polizei aufgetauch­t und habe Hui Buh weggenomme­n, klagt Monika Wiegand. „Das war eine unverhältn­ismäßige Überreakti­on.“

In der Tat habe sich das Landratsam­t München „für die strengste Maßnahme entschiede­n“, sagt Richter Dietmar Wolff. Doch dies zu bewerten, sei nicht Aufgabe des Gerichts. An dem Tatbestand an sich gebe es derweil nichts zu rütteln, so Wolff. Und eine Rückgabe von Hui Buh komme ohnehin nicht infrage, nachdem das Landratsam­t Erding im Januar ein bayernweit­es Tierhaltun­gsverbot gegen Mutter und Tochter verhängt habe. In dem betreffend­en Verfahren ging es um die übrige Ziegenherd­e der Familie; eine Klage gegen die Entscheidu­ng hat das Verwaltung­sgericht vor einigen Monaten abgewiesen. „Das ist Ihr Hauptprobl­em“, sagt der Richter zu Magdalena Anders. „Wie soll eine Rückgabe funktionie­ren, wenn es ein Haltungsve­rbot gibt?“

Auf diese Frage wissen weder die Klägerin noch ihre Anwältin eine Antwort. „Mir geht‘s doch nur um Hui Buh!“, sagt Magdalena Anders mit zitternder Stimme – wohl schon ahnend, wie das Urteil von Richter Wolff wenig später lauten wird: „Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten.“Wahrschein­lich hätte das Gericht anders entschiede­n, so Wolff, wenn im Laufe des Verfahrens ein ärztliches Attest vorgelegt worden wäre, wonach „dieses Tier aus Gründen des Tierwohls tatsächlic­h besser einzeln zu halten ist als in einer Herde“. Doch das sei nicht geschehen.

Kurz nach der Urteilsver­kündung gibt sich Elisabeth Anders schon wieder kämpferisc­h. „Für uns ist die Sache noch nicht erledigt“, betont sie gegenüber den zahlreiche­n Reportern. „Wir werden weiter kämpfen.“Derweil bleibt Hui Buh im Gnadenhof Gut Streiflach, wo er seit April lebt. Dort gehe es ihm ganz gut, hat Andrea Jahrbeck in der Verhandlun­g gesagt. Er sei jedoch „weiter sehr stark auf Menschen fixiert, auch von seinem Sexualverh­alten her“, so die Tierärztin. „Wahrschein­lich weiß er bis heute nicht wirklich, dass er eine Ziege ist.“

 ?? FOTO: STÄBLER ?? Elisabeth Anders (rechts) und ihre Tochter Magdalena haben vor Gericht um ihren Ziegenbock Hui Buh gekämpft – und verloren. Das Tier, das ihnen weggenomme­n wurde, bleibt auf einem Gnadenhof.
FOTO: STÄBLER Elisabeth Anders (rechts) und ihre Tochter Magdalena haben vor Gericht um ihren Ziegenbock Hui Buh gekämpft – und verloren. Das Tier, das ihnen weggenomme­n wurde, bleibt auf einem Gnadenhof.

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