Schwäbische Zeitung (Tettnang)
So viele Koch-Azubis wie schon lange nicht mehr
Um Auszubildende zu finden, legen sich die Betriebe im Landkreis ins Zeug – Das scheint zu funktionieren
LINDAU - Das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben: Für den Landkreis Lindau ist der IHK nicht eine einzige offene Ausbildungsstelle zum Koch gemeldet. Dass der Berufsstand einen Aufschwung erlebt, liegt auch an den Betrieben: Viele bieten ihren Azubis gute Arbeitsbedingungen und das eine oder andere Schmankerl.
13 junge Frauen und Männer haben sich laut IHK in diesem Jahr für eine Ausbildung zum Koch entschieden. „Im vergangenen Jahr waren es nur sechs“, sagt Wolfgang Haschner von der IHK Schwaben, die auch den Landkreis Lindau betreut. „Da kann man schon von einer Revolution sprechen.“
Haschner ist überzeugt: Ein Grund für diesen plötzlichen Aufschwung sind die Betriebe. Die Ausbilder würden immer besser verstehen, wie die Jugendlichen ticken. Dazu trage auch die IHK selbst bei. „Wir haben dieses Jahr Workshops gehalten, um die Ausbilder zu sensibilisieren“, sagt Haschner. „Wir sind selbst verantwortlich dafür, wie die Jugendlichen über uns denken.“
Schließlich sind es längst die Azubis, die sich ihre Ausbildungsstelle aussuchen – und nicht anders herum. „Ich habe mich auf sechs Stellen beworben, und alle hätten mich genommen“, erzählt Justin Henschke. Der 17-Jährige ist im zweiten Lehrjahr bei Wissingers im Schlechterbräu eingestiegen. Sein erstes Lehrjahr hat er an der Berufsfachschule für gastgewerbliche Berufe in Immenstadt absolviert. Koch will Justin werden, seit er in der siebten Klasse das Fach Hauswirtschaftslehre belegt hat. „Das Kreieren von Gerichten mit verschiedenen Gewürzen macht mir einfach Spaß“, sagt er. Zurzeit ist er bei Wissingers für die Salate zuständig.
Sein Chef Meino Wissinger bildet neben Justin noch einen Flüchtling aus Guinea in Westafrika aus. Seit 16 Jahren sitzt er außerdem im Prüfungsausschuss der IHK. „Früher hatten wir 20, 30 Köche zur Prüfung“, erzählt Wissinger. In den vergangenen Jahren sei die Zahl allerdings stark gesunken. Umso mehr freue er sich, dass in diesem Jahr alle Ausbildungsstellen zum Koch besetzt sind.
Mit seinen beiden aktuellen Azubis ist Wissinger sehr zufrieden. Für ihn ist aber ganz klar: Sie müssen auch zufrieden mit ihm sein. Arbeiten bis tief in die Nacht hinein, wie das noch in seiner Anfangszeit gewesen sei, gebe es bei ihm nicht. „Bei mir arbeitet keiner länger als acht Stunden am Tag.“
Dass man gute Azubis nur bekommt, wenn man ihnen gute Arbeitsbedingungen bietet, das haben viele Gastronomen im Landkreis längst verstanden. Michael Ziegler vom Gasthof Ziegler in Oberreitnau zum Beispiel bietet seinen Azubis vor allem zwei Dinge: mehr Geld und mehr Freizeit. „Man kann Tarif bezahlen oder nicht“, sagt er. „Es nicht zu tun, ist Humbug.“Wer seinen Angestellten nur Mindestlohn zahle, der habe keine Fachkräfte verdient.
Um seinen Auszubildenden, aber auch allen anderen Angestellten mehr Freizeit zu ermöglichen, will Michael Ziegler zudem seinen kompletten Betrieb umstellen: Statt einem gibt es im Gasthof ab November zwei Ruhetage die Woche. Ihm sei es wichtig, seinen Angestellten eine normale Arbeit mit 40-Stunden-Woche zu ermöglichen – wie in den meisten anderen Branchen auch. „Als Betrieb muss man einfach was bieten“, sagt er.
Auch der berüchtigte scharfe Ton in der Küche habe sich längst geändert. „In der Küche ist es militärisch, da braucht es kurze, knackige Antworten“, so Ziegler. „Ich finde es toll, wenn ein Team funktioniert, indem der Chef nur kurze Ansagen macht.“Dass Angestellte regelrecht beschimpft würden, gebe es aber in den allermeisten Häusern schon lange nicht mehr. „Jeder weiß: Ich kann dich nicht wie einen Trottel behandeln, sonst gehst du.“
Im Gegenzug sei aber auch klar: Nur wer viel Leistung bringt, hat auch viel Geld verdient. „Viele Jugendliche sehen nur das happy life“, sagt Michael Ziegler. „Aber es wird einem nirgends was geschenkt.“Aus diesem Grund nehme er seine Bewerber immer ganz genau unter die Lupe. „Einfach nur gern kochen reicht eben nicht.“
Wenn alles zusammenpasst, dann sei Koch aber durchaus ein Beruf mit spannenden Zukunftsaussichten „Mit einer deutschen Koch-Ausbildung kann man auf der ganzen Welt arbeiten“, sagt Ziegler. Ein Kollege von ihm habe sich kürzlich in Dubai beworben und sei sofort genommen worden.
Auch Azubi Justin Henschke kann sich vorstellen, später einmal im Ausland zu arbeiten. Vorher gibt es aber noch jede Menge zu lernen.