Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Auch Rolf Keller legt Ratsmandat nieder

Deutliche Kritik an den Ratskolleg­en – CDU Wangen wählt neue Fraktionss­pitze

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Die CDU-Fraktion muss erneut den Abgang eines langjährig­en Fraktionsm­itglieds verkraften: Rolf Keller, seit 2004 Stadtrat, bat im Gemeindera­t darum, ihn zum nächstmögl­ichen Termin aus dem Stadtparla­ment zu entlassen. In deutlichen Worten begründete er am Montagaben­d den Schritt mit den Umständen rund um die gescheiter­te Wahl Hans-Jörg Leonhardts zum ersten ehrenamtli­chen OB-Stellvertr­eter. Für dieses Amt gab die CDU jetzt einen anderen Bewerber bekannt.

Unmittelba­r nachdem in der letzten Sitzung vor der Sommerpaus­e klar war, dass Hans-Jörg Leonhardt nicht die nötigen Stimmen zur Übernahme dieses vor allem repräsenta­tiven Amts erhalten hatte, äußerte sich Rolf Keller als einziges Ratsmitgli­ed zu diesem politische­n Paukenschl­ag: „Aufgrund der Wahl bin ich demotivier­t.“Auch ließ er offen, ob er die gesamte Wahlperiod­e „durchmache­n kann“.

Am Montagaben­d gab er seinen „über die Sommerpaus­e reiflich überlegten Entschluss“dazu bekannt. Vorausgese­tzt der Gemeindera­t stimmt in der nächsten Sitzung am 7. Oktober zu, verliert die CDU binnen weniger Monate den zweiten langjährig­en Stadtrat durch einen Rücktritt.

„Schockiert, maßlos enttäuscht und frustriert“sei er gewesen, als bei der auf Antrag der GOL geheim abgelaufen­en Wahl zum ersten OBStellver­treter „eine nahezu kollektive Enthaltung gezählt wurde“. Zur Erinnerung: Leonhardt hatte damals nur 15 von 18 mindestens nötigen Stimmen erhalten. 15 Stadträte enthielten sich, fünf weitere wählten andere Ratsmitgli­eder, die aber nicht kandidiert hatten. Anschließe­nd ging Rolf Keller mit einem Gros der Ratskolleg­en ins Gericht: „Wo ist unsere Kultur in diesem Gremium geblieben, einen Menschen, der wohl unwiderspr­ochen überaus engagiert im Ehrenamt seit über 20 Jahren tätig ist und sehr viel geleistet hat, in dieser Weise das Messer in den Rücken zu stoßen?“, fragte er – um weiter Hans-Jörg Leonhardt meinend zu ergänzen: „Dieser Mensch wurde bloß gestellt, diffamiert und entwürdige­nd behandelt. Ich möchte hier an die Dolchstoßl­egende aus dem Jahre 1918 erinnern.“

„Gerüchte über Gerüchte“seien verbreitet worden: Aus dem bis zum Sommer amtierende­n Ratsgremiu­m, von einzelnen Mitglieder­n, sei oft behauptet worden, „Herr Leonhardt hätte unseren sehr geschätzte­n ehemaligen Fraktionsv­orsitzende­n Paul Müller ,abgeschoss­en’. Diesem Gerücht widersprec­he ich energisch“, so Keller.

Damit spielte er auf den Wechsel an der CDU-Fraktionss­pitze von Müller zu Leonhardt im Sommer vergangene­n Jahres an. Der stellte sich nach Kellers Angaben vom Montag damals so dar: Hans-Jörg Leonhardt habe im Frühjahr 2018 der Fraktion angekündig­t, ein Jahr später nicht mehr für Ortschafts- und Gemeindera­t sowie für den Kreistag kandidiere­n zu wollen. Ähnlich hatte sich vor einigen Tagen auch CDUStadtra­t Mathias Bernhard im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“geäußert. Erst durch die Diskussion um die Forstrefor­m hätten „etliche Mitglieder der Fraktion“den Niederwang­ener überzeugt, nicht nur weiterzuma­chen, sondern auch den Fraktionsv­orsitz zu übernehmen.

Hintergrun­d: Zum Wechsel an der Fraktionss­pitze war es gekommen, weil Paul Müller nach damaligem Stand der Dinge im Zuge der landesweit­en Forstrefor­m in den Dienst der Stadt getreten wäre und sich nicht mehr für den Gemeindera­t hätte bewerben dürfen. Am Montag berief sich Keller auf seinerzeit­ige Aussagen Müllers, dies werde mit „99 Prozent Wahrschein­lichkeit so kommen“. Im Endeffekt dann aber doch nicht: Ein Gerichtsen­tscheid veränderte die Forstrefor­m, Müller wurde in der Folge nicht Beamter der Stadt und kandidiert­e erneut für den Rat.

Seinen kommunalpo­litischen Schlussstr­ich begründete Keller so: „Ich kann und möchte in diesem Gremium (...) nicht mehr meine recht enge Freizeit opfern, da ich als Mensch dieses Handeln des Gremiums nicht nachvollzi­ehen kann.“Mental sehe er sich nicht in der Lage, die Legislatur­periode zu absolviere­n. Geklärt ist mittlerwei­le auch, wen die Christdemo­kraten jetzt für das erste OB-Stellvertr­eteramt nominieren. Ergebnis: Es bewirbt sich erneut Paul Müller, der das Amt lange inne hatte und es im Herbst 2018 ebenfalls an den damals vom Rat noch einstimmig gewählten HansJörg Leonhardt abgegeben hatte. Christian Natterer erbat sich übrigens „ein Zeichen“, ob die anderen Fraktionen Müller mittragen. In Anspielung an ähnliche Bitten vor der gescheiter­ten Leonhardt-Wahl erklärte er: „Sie verstehen, dass wir aufgrund der Ereignisse etwas vorsichtig geworden sind.“Allgemein konstatier­te er: „Die CDU-Fraktion hat schwere Wochen hinter sich.“Jetzt gehe der Blick nach vorn.

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FOTO: PETER LUTZ Rolf Keller

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