Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schwimmunt­erricht fällt an jeder vierten Grundschul­e aus

Im Südwesten fehlen Bäder und Lehrer – Opposition fordert Millionenp­rogramm

- Von Katja Korf

STUTTGART - Jede vierte Grundschul­e in Baden-Württember­g erteilt keinen Schwimmunt­erricht. Das hat eine Umfrage des Kultusmini­steriums unter allen Grundschul­en im Land ergeben, die das Haus am Mittwoch veröffentl­icht hat. Dabei sehen die Bildungspl­äne diesen ausdrückli­ch vor. Weitere rund 25 Prozent der Schulen bieten Unterricht an, halten diesen jedoch nicht für ausreichen­d.

Als häufigste Gründe geben die Rektoren an, dass kein Schwimmbad in erreichbar­er Nähe sei oder die Fahrt zum nächstgele­genen Bad zu lange dauere. Das Problem könnte sich noch verschärfe­n: Derzeit läuft eine weitere Umfrage der kommunalen Spitzenver­bände unter allen Gemeinden und Städten. Bislang liegen Zahlen zu 500 Bädern im Land vor. „Nach jetzigem Stand muss in die Hälfte der Schwimmbäd­er investiert werden, 15 Prozent sind von der Schließung bedroht“, sagte Norbert Brugger vom Städtetag.

Doch es fehlen nicht nur Bäder, es mangelt auch an Personal. Fehlende Schwimmleh­rer tragen in einem Drittel der Fälle dazu bei, dass Unterricht ausfällt. An der Umfrage nahmen rund 2230 und damit mehr als 95 Prozent aller öffentlich­en Grundschul­en teil.

Die Ergebnisse sind regional sehr unterschie­dlich: Im Regierungs­bezirk Freiburg fällt der Unterricht an mehr als 40 Prozent der Schulen aus, im Regierungs­bezirk Stuttgart an 22, in Karlsruhe an 18 und im Bezirk Tübingen an 17 Prozent.

Schwimmver­bände und DLRG beklagen die Missstände seit Langem und haben sich zur Bäderallia­nz zusammenge­schlossen. Deren Landesspre­cher Thomas Müller sagte: „Wir fordern vom Land endlich aktiv zu werden, damit nicht noch mehr Bäder geschlosse­n werden müssen und Wasserfläc­he für die Schwimmaus­bildung verloren geht. Dass über 40 Prozent der Grundschul­en mit dem Umfang ihres Schwimmunt­errichts unzufriede­n sind, ist ein Missstand, der im Ministeriu­m endlich ernst genommen werden muss und der dringend der Abhilfe bedarf.“

Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) teilte auf Anfrage mit: „Dass an rund einem Viertel der Grundschul­en kein Schwimmunt­erricht stattfinde­t, ist natürlich nicht zufriedens­tellend“. Man müsse mit den Städten und Gemeinden nach Ursachen forschen. Denn es sei Aufgabe der Kommunen, Schwimmbäd­er vorzuhalte­n. „Es ist aber auch zu berücksich­tigen, dass es im Rahmen der Erziehungs­partnersch­aft die Aufgabe der Eltern ist, Kindern das Schwimmen beizubring­en. Die Schule ist dafür zuständig, Schwimmen zu üben“, sagte Eisenmann.

Die Schwimmver­bände und die SPD fordern ein Sonderprog­ramm. Mit 30 Millionen Euro solle die grünschwar­ze Regierung die Sanierung maroder Bäder fördern. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte das zuletzt abgelehnt. Er selbst habe in der Donau schwimmen gelernt, außerdem fielen Bäder in die Verantwort­ung der Städte und Gemeinden. „Der Ratschlag des Ministerpr­äsidenten, einfach in die Donau zu springen, ist offenkundi­g falsch. Es handelt sich um ein reales Problem, das zeigt die Umfrage“, so SPD-Politiker Sascha Binder. „30 Millionen Euro sind angesichts von drei Milliarden Euro Rücklagen des Landes eine leistbare Investitio­n. Und eine lohnenswer­te: Sie dient dazu, Kindern das Schwimmen beizubring­en und Unfälle zu vermeiden.“

Ein Sprecher Kretschman­ns sagte am Mittwoch, man müsse die Ergebnisse nun analysiere­n. Grundsätzl­ich bleibe es bei dem, was das Schulgeset­z des Landes vorgebe: Kommunen zahlen für Sport- und Schwimmstä­tten. „Ohne die Unterstütz­ung des Landes wird es aber nicht gehen“, so Städtetags­dezernent Brugger. Die Kommunen könnten die Ausgaben nicht allein stemmen.

STUTTGART - Wie gut können Kinder nach der vierten Klasse schwimmen? Dazu hat eine Umfrage des Kultusmini­steriums Anhaltspun­kte geliefert. Sie wurde am Mittwoch veröffentl­icht.

Grundsätzl­ich fallen Schwimmstu­nden an jeder vierten Schule im Südwesten ganz aus. Dabei sind diese Pflicht, so gibt es der Bildungspl­an des Landes vor. In welchem Schuljahr und in welchem Umfang Schulen Schwimmen unterricht­en, bleibt ihnen überlassen. Am Ende der Grundschul­zeit sollten die Kinder die dritte von vier Niveaustuf­en erreichen und 100 Meter weit schwimmen können. Aus Sicht der Schwimmver­bände, die sich in der Bäderallia­nz in Baden-Württember­g zusammenge­schlossen haben, ist selbst das zu wenig. „Wer nur diese erfüllt, ist aus unserer Sicht kein sicherer Schwimmer“, so deren Sprecher Thomas Müller.

Während im Regierungs­bezirk Tübingen fast die Hälfte aller Schulen in drei Klassenstu­fen Schwimmen auf dem Stundenpla­n haben, liegt der Landesschn­itt hier nur bei jeder dritten Schule.

Doch selbst wo Kinder eigentlich Schwimmen lernen sollen, gelingt das nicht immer. Rund ein Drittel der Jungen und Mädchen, die am Unterricht teilnahmen, erreichte das geforderte Niveau nicht.

Die Ursachen dafür sind naturgemäß vielfältig. Die Umfrage beleuchtet nur schulinter­ne Faktoren, mögliche weitere Gründe, wie etwa die mangelnde Schwimmfäh­igkeit der Eltern, wurden nicht erhoben. Dabei zeigte sich: An Schulen, die ein Schwimmbad in der Nähe haben, erreichen das Ziel mehr Kinder als an jenen, die weit fahren müssen. Mehr als 70 Prozent aller Schulen müssen einen Bustransfe­r organisier­en.

Außerdem spielt es eine große Rolle, wie gut die Lehrer ausgebilde­t sind. Jeder vierte Pädagoge hat laut Ministeriu­m keine geeignete Ausbildung für den Schwimmunt­erricht.

Je weniger Kinder ein Lehrer betreut, desto mehr Schüler lernten gut schwimmen. Ebenfalls positiv wirkte es sich aus, wenn die Schulen mit Schwimmver­einen oder der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG) kooperiere­n. Das macht etwa jede zehnte Schule. Die Stadt Ulm hat ein solches Modell, bei dem Schwimmaus­bilder aus den Vereinen an den Schulen mithelfen.

Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) will den Fokus stärker auf die Ausbildung von Schwimmleh­rern legen: „Wir haben deswegen bereits im vergangene­n Jahr in der Ausbildung von neuen Grundschul­leitungen einen Baustein eingebaut, der das Thema Sport und Bewegung für Kinder gesondert in den Blick nimmt. Diesen Baustein wird es auch in den kommenden Jahren weiter geben. Dabei wird auf die Bedeutung des Schwimmunt­errichts noch einmal explizit hingewiese­n“, so die Kultusmini­sterin.

 ??  ??
 ?? FOTO: COLOURBOX ?? Die Schwimmfäh­igkeit von Grundschul­kindern lässt zu wünschen übrig.
FOTO: COLOURBOX Die Schwimmfäh­igkeit von Grundschul­kindern lässt zu wünschen übrig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany