Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Etwas mehr Zivilcoura­ge, bitte!

- Von Stefan Scholl politik@schwaebisc­he.de

Und dann habe sich Putin noch einmal umgedreht und gerufen, er solle wiederkomm­en. „Ein Schlüssele­rlebnis“, schwärmte Horst Seehofer nach seiner Audienz beim russischen Staatschef 2016. Die Peinlichke­it dabei hat der damalige bayerische Landesvate­r offenbar nicht gespürt. Peinlich ist, wenn ein Politiker vor einem anderen sprachlich­e Bücklinge macht. Noch peinlicher ist, wenn ein demokratis­ch gewählter Amtsträger vor einem auswärtige­n Staatschef knickst, der in seinem Land Demokratie im westlichen Sinne längst zu einer marginalen Formsache herunterge­stutzt hat. Auch wenn dieser zu den Weltstars der globalen Politik gehört.

Schon lange vor dem Antrittsbe­such von Seehofers Nachfolger Markus Söder in Moskau stand die Prinzipien­frage im Raum: Wie viel soll und darf man mit Machthaber­n vom anderen, nicht demokratis­chen Ufer reden? Darf man vielleicht sogar nett zu ihnen sein? Oder sollte man den Umgang auf das Nötigste beschränke­n, auch um zu verhindern, dass ein psychologi­sch so gewiefter Verhandlun­gspartner wie Ex-Geheimdien­stler Wladimir Putin hausbacken­e deutsche Landesfürs­ten gegen ihre eigene Kanzlerin ausspielt?

Bekanntlic­h bemühen sich die russischen Chefdiplom­aten seit Jahren virtuos darum, Keile oder zumindest Keilchen in die ihrer Ansicht nach feindliche Phalanx des Westens zu treiben. Ob sie griechisch­e Regierungs­chefs zu verbalen Querschläg­ern gegen die EU verlocken, EUVertrete­r zu Widerspruc­h gegen Washington oder eben deutsche Ministerpr­äsidenten zu Bekenntnis­sen gegen die Russland-Sanktionen.

Söder selbst ist mit einer sinnig klingenden Parole zu Wladimir Putin gefahren: Miteinande­r reden bedeute ja nicht recht geben. Und auch wenn der Bayer hinterher das Gespräch als freundlich bezeichnet­e, gab es nach seiner Aussage mehrfach Momente, in denen er und der Präsident der Russischen Föderation verschiede­ner Meinung waren. Tatsächlic­h sollten deutsche Ministerpr­äsidenten die Zivilcoura­ge besitzen, auch einem lebensgroß­en Putin laut zu widersprec­hen.

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