Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Söders Balanceakt bei Putin
Bayerns Ministerpräsident verteidigt in Moskau die Sanktionen gegen Russland
MOSKAU (dpa) - Bei seinem ersten Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin hat CSU-Chef Markus Söder ein Ende der Sanktionen an russische Reaktionen im UkraineKonflikt geknüpft. „Die Sanktionen bleiben, solange sich nicht die Voraussetzungen dafür geändert haben“, sagte Bayerns Ministerpräsident am Mittwoch nach dem Treffen. Der Kremlchef hatte ihn nach Moskau eingeladen. Söder betonte allerdings auch: „Hoffnungsvoll ist, dass es doch ein Bewusstsein gibt, dass beide Länder enger zusammenarbeiten müssen.“Söder bezeichnete das etwa halbstündige Gespräch als sehr freundlich und von beiden Seiten interessiert.
Für den 53-Jährigen war der Besuch im Kreml ein Balanceakt. Söder weiß um die wirtschaftlichen Interessen bayerischer Konzerne in Russland, zugleich wollte er nicht an der Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rütteln und ebenfalls betonen, dass die Sanktionen bleiben.
Darin unterscheidet sich Bayerns Regierungschef von den ostdeutschen Ministerpräsidenten, die für ein Ende der Sanktionen plädieren – und auch von Horst Seehofer. Sein Vorgänger als Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender hatte 2016 beim Besuch in Moskau das Ende der Sanktionen gefordert und den Ukraine-Konflikt eine „Schießerei“genannt.
MOSKAU - So ganz verzichten kann Markus Söder dann doch nicht. Zu seinem Premierenbesuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml hat er bewusst keine Journalisten mitgenommen. Kurz nach seiner Ankunft in Moskau ploppt am Dienstagabend dann aber doch im Internet ein bemerkenswertes Foto des CSU-Chefs auf. Das Bild mit dem Titel „Angekommen in Moskau …“zeigt den bayerischen Ministerpräsidenten mit ernster Miene, fern im Hintergrund die verschneite Moskauer Innenstadt mit den weltberühmten Zwiebelturmspitzen der Basilius-Kathedrale am Roten Platz.
Der Medienprofi Söder weiß genau um die Macht von Bildern. Und wer etwa bei Facebook die Kommentare liest, erfährt, wie es auch hier funktioniert: „Gute Gespräche, nicht unterkriegen lassen und kommen Sie gesund wieder heim. Wir brauchen Sie hier nämlich noch“, heißt es etwa. Nur ganz wenige nutzen den Post für Spott an „00Söder auf Auslandsmission“oder Seitenhieben für die KFrage in Deutschland: „Das könnte der Blick eines zukünftigen Kanzlers sein.“
Keine Nebenaußenpolitik
Er war zwar schon mehrfach in Moskau, aber sein vierter Besuch ist der bisher wichtigste. Erstmals trifft er Putin im Kreml persönlich. Das Gespräch habe eine gute halbe Stunde gedauert“, erzählte Söder hinterher bei einem Glas Cola im Ritz-CarltonHotel. „Das Gespräch war sehr freundlich und vor allem interessiert von beiden Seiten.“Man habe aber auch festgestellt, dass es zwischen Russland und Deutschland viele Meinungsverschiedenheiten gebe, etwa zum Konflikt in der Ukraine oder zum Berliner Tiergartenmord: „Ich habe das Thema dreimal angesprochen, einmal hat der Präsident genickt.“Er sei aber nicht nach Moskau gekommen, um Nebenaußenpolitik zu machen. Sein Besuch sei eng mit der Bundesregierung abgestimmt. „Deutschland sollte versuchen, außenpolitisch mit möglichst vielen Stimmen das Gleiche zu sagen.“
Damit ging Söder auf Abstand zu vorherigen Russland-Auftritten anderer Unionsministerpräsidenten. 2016 hatte hier sein Amtsvorgänger
Horst Seehofer eine schrittweise Lockerung der Ukraine-Sanktionen gegen Russland gefordert, sein sächsischer CDU-Kollege Michael Kretschmer verlangte 2019 nach einem Treffen mit Wladimir Putin in Sankt Petersburg das Ende der Sanktionen. Hinterher wurde beiden Liebedienerei bei Putin vorgeworfen. Söder aber stützte vor seinem Gespräch mit dem russischen Staatschef demonstrativ die Linie der Bundesregierung: „Über die Aufhebung der Sanktionen zu reden, hat keinen Sinn, solange nicht alle Fragen im Rahmen des Minsker Friedensprozesses gelöst sind.“
Für den 53-jährigen Franken ist die Reise ein Balanceakt. Er weiß um die wirtschaftlichen Interessen bayerischer Konzerne in Russland – Siemens ist groß hier. Die Russen fahren auch ganz gern Autos aus dem Freistaat. Doch es wurde eben auch über strittige Punkte gesprochen – über den Berliner Tiergartenmord. In den Anschlag auf einen tschetschenischen Flüchtling sind nach Erkenntnissen der deutschen Staatsanwaltschaft russische Sicherheitsbehörden verwickelt. Söder signalisierte im Kreml, dass man in Deutschland eine aktive russische Teilnahme an der Aufklärung erwarte. Auch wenn Putin außer seinem Nicken „keine überragende Reaktion“gezeigt habe.
Der bayerische Ministerpräsident war schon am Dienstag in Moskau eingetroffen und hatte am Abend mit Vertretern der Zivilgesellschaft gesprochen. Am Mittwoch legte er einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten beim Kreml ab. Danach traf er im Moskauer Rathaus mit Bürgermeister Sergei Sobjanin zusammen, sie unterzeichneten Vereinbarungen zum Ausbau der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Solche Kooperationen zwischen Bayern und Russland haben inzwischen Tradition, das erste Protokoll über eine gemeinsame Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat und der russischen Metropole wurde im April 1991 unterschrieben.
Söder wurde nur von einem kleinen Team begleitet und verzichtete im Gegensatz zu Seehofer auf ein Aufgebot diverser Minister und Parlamentarier – namentlich auf Altministerpräsident Edmund Stoiber, der als Spezi des verstorbenen Exbürgermeisters Juri Luschkow galt. Dafür war Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, mit dabei. Der hatte Kretschmer nach seinem prorussischen Auftritt in Petersburg noch per Twitter vorgeschlagen, seinen außenpolitischen Sprecher auszuwechseln.
In Moskau zeigte sich der CSUChef durchaus mit breiter Brust. Schon im Vorfeld der Reise hieß es aus München, die russische Seite hätte eingeladen, man habe erst nach Beratungen mit der Kanzlerin zugesagt. „Bayern hat den Vorteil, wirtschaftlich und technologisch sehr stark zu sein“, sagte Söder. „Wir sind natürlich auch für Russland interessant. Wir können zeigen, dass wir als Partner das Ökonomische in Verbindung zu unseren Werten sehen. Und dass Freiheiten für junge Menschen auch wirtschaftlich Nutzen bedeuten können.“
Die Russen schätzen Bayern – nicht nur wegen der wirtschaftlichen Stärke. Beliebt sind auch Brauchtum, Bier und Weißwürste. Und nicht zuletzt ist Söders Besuch bei Putin Futter für das russische Staatsfernsehen. Als Söder mit einer Kranzniederlegung an den Sieg der Sowjetunion über den Hitlerfaschismus erinnert, sind die russischen Kameras ganz nah dran. Söders Marktwert ist wegen seiner Schlüsselrolle bei der Suche nach dem Unionskanzlerkandidaten in die Höhe geschossen. Vor allem aber ist Russland auf Investitionen angewiesen. Wirtschaftlich geht es dem Land wegen der seit 2014 geltenden Sanktionen und dem niedrigen Ölpreis schlecht wie seit Jahren nicht mehr.