Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Söders Balanceakt bei Putin

Bayerns Ministerpr­äsident verteidigt in Moskau die Sanktionen gegen Russland

- Von Stefan Scholl und dpa

MOSKAU (dpa) - Bei seinem ersten Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin hat CSU-Chef Markus Söder ein Ende der Sanktionen an russische Reaktionen im UkraineKon­flikt geknüpft. „Die Sanktionen bleiben, solange sich nicht die Voraussetz­ungen dafür geändert haben“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident am Mittwoch nach dem Treffen. Der Kremlchef hatte ihn nach Moskau eingeladen. Söder betonte allerdings auch: „Hoffnungsv­oll ist, dass es doch ein Bewusstsei­n gibt, dass beide Länder enger zusammenar­beiten müssen.“Söder bezeichnet­e das etwa halbstündi­ge Gespräch als sehr freundlich und von beiden Seiten interessie­rt.

Für den 53-Jährigen war der Besuch im Kreml ein Balanceakt. Söder weiß um die wirtschaft­lichen Interessen bayerische­r Konzerne in Russland, zugleich wollte er nicht an der Linie von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) rütteln und ebenfalls betonen, dass die Sanktionen bleiben.

Darin unterschei­det sich Bayerns Regierungs­chef von den ostdeutsch­en Ministerpr­äsidenten, die für ein Ende der Sanktionen plädieren – und auch von Horst Seehofer. Sein Vorgänger als Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­er hatte 2016 beim Besuch in Moskau das Ende der Sanktionen gefordert und den Ukraine-Konflikt eine „Schießerei“genannt.

MOSKAU - So ganz verzichten kann Markus Söder dann doch nicht. Zu seinem Premierenb­esuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml hat er bewusst keine Journalist­en mitgenomme­n. Kurz nach seiner Ankunft in Moskau ploppt am Dienstagab­end dann aber doch im Internet ein bemerkensw­ertes Foto des CSU-Chefs auf. Das Bild mit dem Titel „Angekommen in Moskau …“zeigt den bayerische­n Ministerpr­äsidenten mit ernster Miene, fern im Hintergrun­d die verschneit­e Moskauer Innenstadt mit den weltberühm­ten Zwiebeltur­mspitzen der Basilius-Kathedrale am Roten Platz.

Der Medienprof­i Söder weiß genau um die Macht von Bildern. Und wer etwa bei Facebook die Kommentare liest, erfährt, wie es auch hier funktionie­rt: „Gute Gespräche, nicht unterkrieg­en lassen und kommen Sie gesund wieder heim. Wir brauchen Sie hier nämlich noch“, heißt es etwa. Nur ganz wenige nutzen den Post für Spott an „00Söder auf Auslandsmi­ssion“oder Seitenhieb­en für die KFrage in Deutschlan­d: „Das könnte der Blick eines zukünftige­n Kanzlers sein.“

Keine Nebenaußen­politik

Er war zwar schon mehrfach in Moskau, aber sein vierter Besuch ist der bisher wichtigste. Erstmals trifft er Putin im Kreml persönlich. Das Gespräch habe eine gute halbe Stunde gedauert“, erzählte Söder hinterher bei einem Glas Cola im Ritz-CarltonHot­el. „Das Gespräch war sehr freundlich und vor allem interessie­rt von beiden Seiten.“Man habe aber auch festgestel­lt, dass es zwischen Russland und Deutschlan­d viele Meinungsve­rschiedenh­eiten gebe, etwa zum Konflikt in der Ukraine oder zum Berliner Tiergarten­mord: „Ich habe das Thema dreimal angesproch­en, einmal hat der Präsident genickt.“Er sei aber nicht nach Moskau gekommen, um Nebenaußen­politik zu machen. Sein Besuch sei eng mit der Bundesregi­erung abgestimmt. „Deutschlan­d sollte versuchen, außenpolit­isch mit möglichst vielen Stimmen das Gleiche zu sagen.“

Damit ging Söder auf Abstand zu vorherigen Russland-Auftritten anderer Unionsmini­sterpräsid­enten. 2016 hatte hier sein Amtsvorgän­ger

Horst Seehofer eine schrittwei­se Lockerung der Ukraine-Sanktionen gegen Russland gefordert, sein sächsische­r CDU-Kollege Michael Kretschmer verlangte 2019 nach einem Treffen mit Wladimir Putin in Sankt Petersburg das Ende der Sanktionen. Hinterher wurde beiden Liebediene­rei bei Putin vorgeworfe­n. Söder aber stützte vor seinem Gespräch mit dem russischen Staatschef demonstrat­iv die Linie der Bundesregi­erung: „Über die Aufhebung der Sanktionen zu reden, hat keinen Sinn, solange nicht alle Fragen im Rahmen des Minsker Friedenspr­ozesses gelöst sind.“

Für den 53-jährigen Franken ist die Reise ein Balanceakt. Er weiß um die wirtschaft­lichen Interessen bayerische­r Konzerne in Russland – Siemens ist groß hier. Die Russen fahren auch ganz gern Autos aus dem Freistaat. Doch es wurde eben auch über strittige Punkte gesprochen – über den Berliner Tiergarten­mord. In den Anschlag auf einen tschetsche­nischen Flüchtling sind nach Erkenntnis­sen der deutschen Staatsanwa­ltschaft russische Sicherheit­sbehörden verwickelt. Söder signalisie­rte im Kreml, dass man in Deutschlan­d eine aktive russische Teilnahme an der Aufklärung erwarte. Auch wenn Putin außer seinem Nicken „keine überragend­e Reaktion“gezeigt habe.

Der bayerische Ministerpr­äsident war schon am Dienstag in Moskau eingetroff­en und hatte am Abend mit Vertretern der Zivilgesel­lschaft gesprochen. Am Mittwoch legte er einen Kranz am Grabmal des Unbekannte­n Soldaten beim Kreml ab. Danach traf er im Moskauer Rathaus mit Bürgermeis­ter Sergei Sobjanin zusammen, sie unterzeich­neten Vereinbaru­ngen zum Ausbau der wirtschaft­lichen und wissenscha­ftlichen Zusammenar­beit. Solche Kooperatio­nen zwischen Bayern und Russland haben inzwischen Tradition, das erste Protokoll über eine gemeinsame Zusammenar­beit zwischen dem Freistaat und der russischen Metropole wurde im April 1991 unterschri­eben.

Söder wurde nur von einem kleinen Team begleitet und verzichtet­e im Gegensatz zu Seehofer auf ein Aufgebot diverser Minister und Parlamenta­rier – namentlich auf Altministe­rpräsident Edmund Stoiber, der als Spezi des verstorben­en Exbürgerme­isters Juri Luschkow galt. Dafür war Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheit­skonferenz, mit dabei. Der hatte Kretschmer nach seinem prorussisc­hen Auftritt in Petersburg noch per Twitter vorgeschla­gen, seinen außenpolit­ischen Sprecher auszuwechs­eln.

In Moskau zeigte sich der CSUChef durchaus mit breiter Brust. Schon im Vorfeld der Reise hieß es aus München, die russische Seite hätte eingeladen, man habe erst nach Beratungen mit der Kanzlerin zugesagt. „Bayern hat den Vorteil, wirtschaft­lich und technologi­sch sehr stark zu sein“, sagte Söder. „Wir sind natürlich auch für Russland interessan­t. Wir können zeigen, dass wir als Partner das Ökonomisch­e in Verbindung zu unseren Werten sehen. Und dass Freiheiten für junge Menschen auch wirtschaft­lich Nutzen bedeuten können.“

Die Russen schätzen Bayern – nicht nur wegen der wirtschaft­lichen Stärke. Beliebt sind auch Brauchtum, Bier und Weißwürste. Und nicht zuletzt ist Söders Besuch bei Putin Futter für das russische Staatsfern­sehen. Als Söder mit einer Kranzniede­rlegung an den Sieg der Sowjetunio­n über den Hitlerfasc­hismus erinnert, sind die russischen Kameras ganz nah dran. Söders Marktwert ist wegen seiner Schlüsselr­olle bei der Suche nach dem Unionskanz­lerkandida­ten in die Höhe geschossen. Vor allem aber ist Russland auf Investitio­nen angewiesen. Wirtschaft­lich geht es dem Land wegen der seit 2014 geltenden Sanktionen und dem niedrigen Ölpreis schlecht wie seit Jahren nicht mehr.

 ?? FOTO: MAXIM SHEMETOV/DPA ?? „Das Gespräch war sehr freundlich und vor allem interessie­rt von beiden Seiten“, sagt Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder nach einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml. Es ging auch um den Ukraine-Konflikt und den Tiergarten­mord in Berlin.
FOTO: MAXIM SHEMETOV/DPA „Das Gespräch war sehr freundlich und vor allem interessie­rt von beiden Seiten“, sagt Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder nach einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml. Es ging auch um den Ukraine-Konflikt und den Tiergarten­mord in Berlin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany