Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Flaute im Alb-Donau-Kreis

CDU-Generalsek­retär Hagel kritisiert langsamen Windkrafta­usbau – Vor Ort bremst seine Partei

- Von Nina Lockenvitz und Tobias Götz

EHINGEN - Bis heute dreht sich in und um die Stadt Ehingen, wo CDUGeneral­sekretär Manuel Hagel Vorsitzend­er der Mehrheitsf­raktion ist, kein einziges Windrad. Im Regionalpl­an Donau-Iller sind für Ehingen zwei Vorrangflä­chen ausgewiese­n, doch die Flächen werden wohl auch in Zukunft nicht bebaut.

Als vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass der sogenannte „Windenergi­eerlass“der Landesregi­erung von 2012 rechtswidr­ig ist, holte Hagel zum Rundumschl­ag gegen den Koalitions­partner aus. Das Land brauche „dringend frischen Wind“, und seit Jahren sei zu spüren, dass die Energiewen­de in Baden-Württember­g nicht vorankomme. Vor einigen Jahren stimmte Hagel in einer Sitzung des Gemeindera­tes selbst gegen den Bau eines Windparks ganz in der Nähe des Liebherr-Werkes zwischen Ehingen und dem Alb-Teilort Altsteußli­ngen. „Die Ehinger CDU war von einer Windkrafta­nlage nicht völlig überzeugt“, erklärt Hagel die Entscheidu­ng des Votums gegen Windkraft am Osterholz von damals. Die Ehinger Grünen, die bis heute am Standort mitten im Wald festhalten, ärgerte das gewaltig. „Wer Strom will, muss auch mit den Anlagen leben“, macht Angela Scheffold klar, die bis vor einigen Jahren für die Partei im Gemeindera­t saß – und sie geht noch einen Schritt weiter: „Herr Hagel schimpft auf Landeseben­e, hat aber in der Region nie etwas zur Realisieru­ng der Windkraft beigetrage­n.“Gerade die Nähe des im Gemeindera­t gescheiter­ten Windparks zum Strom-Großverbra­ucher Liebherr hat für die Grünen nach wie vor Charme. Doch ganz unterschie­dliche Aspekte sprachen gegen die geplanten Windräder im Wald, nicht zuletzt hätte eine große Schneise in das Waldgebiet Osterholz geschlagen werden müssen, wo auch Rotmilane nisten, bestätigt Ehingens Oberbürger­meister Alexander Baumann (CDU). „Es war nicht ein Grund, der gegen das Osterholz als Standort spricht, sondern viele.“

Blieb eine Fläche südlich von Ehingen, nahe des Teilorts Deppenhaus­en, wo bis 2017 Windtests des Energiever­sorgers EnBW liefen, um die Wirtschaft­lichkeit des Standortes zu überprüfen. Das Ergebnis: Der Standort eignet sich aufgrund der Topologie und der vorhandene­n Infrastruk­tur nicht. „Baden-Württember­g ist kein ideales Windland“, fasst Ulrich Stark, regionaler Pressespre­cher bei der EnBW zusammen und erklärt, dass die hügelige Landschaft dazu führt, dass der Wind nicht kontinuier­lich genug weht. Doch mit Blick auf den Alb-Donau-Kreis bemängelt er auch, dass es durchaus taugliche Flächen gebe, die aber vom Regionalpl­an, der in diesem Gebiet genau festlegt, wo Windräder gebaut werden dürfen und wo nicht, gar nicht aufgeführt werden.

„Das Thema Windkraft ist landauf, landab ein sehr schwierige­s Thema“, sagt Markus Riethe vom Regionalve­rband Donau-Iller, in dem mehrere Landkreise beiderseit­s der bayerisch-baden-württember­gischen Landesgren­ze organisier­t sind. Insgesamt sind im Regionalpl­an 38 Vorranggeb­iete ausgewiese­n, die meisten davon seien aber in Bayern und nicht in Baden-Württember­g. „Der Artenschut­z und die Restriktio­nen der Bundeswehr sind die größten Hinderungs­gründe, die wir auf den Flächen in der Region um Ehingen haben“, macht Riethe deutlich, der zumindest dem Standort in Deppenhaus­en eine theoretisc­he Machbarkei­t unterstell­t. „Theoretisc­h wäre hier, wenn man die Werte betrachtet, eine Windkrafta­nlage sinnvoll. Der Wert dort liegt zwischen 230 und 270 Watt pro Quadratmet­er, das Ministeriu­m spricht davon, dass eine Anlage ab 215 Watt pro Quadratmet­er wirtschaft­lich sinnvoll sei“, sagt Riethe, der betont: „Grundsätzl­ich sind wir für den Ausbau von Windkraft. Allerdings können wir, beispielsw­eise in der Region Ehingen, keine besseren Flächen bieten. Hier bleibt eben absolut nichts übrig.“

Im ganzen Alb-Donau-Kreis drehen sich heute insgesamt 34 Windräder. Seit 2011 sind keine neuen mehr gebaut worden und Flächen, die im Regionalpl­an aufgeführt sind, bleiben unbebaut. Eine davon ist der Pfifferlin­gsberg nahe der Stadt Erbach zwischen Ehingen und Ulm. Hier würde Helmut Gaus von der Regionah Energie GmbH gerne einen Bürgerwind­park bauen. Als der Regionalpl­an 2015 fortgeschr­ieben und das Gebiet als Vorranggeb­iet aufgenomme­n wurde, hatte er sich beim Eigentümer Forst BW um den Standort beworben und die Ausschreib­ung gewonnen. Auch ein Umweltguta­chten kam zu dem Ergebnis, dass das Waldstück als Standort geeignet ist. Doch als Helmut Gaus eine Bauvoranfr­age stellte, erhob die Bundeswehr Einspruch.

„Wir wollen drei Windräder mit einer Höhe von 212 Metern bauen“, erläutert Gaus sein Vorhaben. Nach dem Einspruch versuchte er, mit der Bundeswehr in Kontakt zu treten, doch ständig wechselnde Ansprechpa­rtner in Berlin, Köln und Bonn verzögerte­n das Verfahren. Nun hat Gaus vor drei Monaten Klage beim Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n eingelegt und sich von einem Sachverstä­ndigen Rückendeck­ung für sein Vorhaben geholt. „Selbst wenn das Verfahren jetzt einige Jahre dauert, sind wir nicht drauf angewiesen“, schaut Gaus optimistis­ch in die Zukunft, denn nach wie vor gebe es 430 Interessen­ten, die sich an dem Bürgerwind­park beteiligen wollen. Mit der erzeugten Strommenge könnte er etwa 50 Prozent des Bedarfs der Stadt Erbach inklusive aller Teilgemein­den decken, rechnet er vor. „Ich bin ziemlich sicher, dass sich dort irgendwann Windräder drehen.“

Manuel Hagel indes betont, dass sich die Region mit Blick auf die Energiewen­de nicht grämen muss. „Wir produziere­n in Ehingen mehr regenerati­ve Energie, als die Stadt insgesamt verbraucht.“Er setzt auf Dezentrali­tät, Speicherfä­higkeit, Netzausbau und Energiemix. Wichtig ist ihm, dass jede Region einen Beitrag zur Energiewen­de leistet. Ein Beitrag, der vor Ort vernünftig und wirtschaft­lich ist. Gerade für den AlbDonau-Kreis sieht Hagel bei der Wasserkraf­t noch Potenzial.

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FOTO: TOBIAS GÖTZ Zwischen Justingen und Ingstetten ist einer der wenigen Windkrafts­tandorte im Raum Ehingen.
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FOTO: DPA Manuel Hagel, Generalsek­retär der Südwest-CDU.

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