Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Flaute im Alb-Donau-Kreis
CDU-Generalsekretär Hagel kritisiert langsamen Windkraftausbau – Vor Ort bremst seine Partei
EHINGEN - Bis heute dreht sich in und um die Stadt Ehingen, wo CDUGeneralsekretär Manuel Hagel Vorsitzender der Mehrheitsfraktion ist, kein einziges Windrad. Im Regionalplan Donau-Iller sind für Ehingen zwei Vorrangflächen ausgewiesen, doch die Flächen werden wohl auch in Zukunft nicht bebaut.
Als vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass der sogenannte „Windenergieerlass“der Landesregierung von 2012 rechtswidrig ist, holte Hagel zum Rundumschlag gegen den Koalitionspartner aus. Das Land brauche „dringend frischen Wind“, und seit Jahren sei zu spüren, dass die Energiewende in Baden-Württemberg nicht vorankomme. Vor einigen Jahren stimmte Hagel in einer Sitzung des Gemeinderates selbst gegen den Bau eines Windparks ganz in der Nähe des Liebherr-Werkes zwischen Ehingen und dem Alb-Teilort Altsteußlingen. „Die Ehinger CDU war von einer Windkraftanlage nicht völlig überzeugt“, erklärt Hagel die Entscheidung des Votums gegen Windkraft am Osterholz von damals. Die Ehinger Grünen, die bis heute am Standort mitten im Wald festhalten, ärgerte das gewaltig. „Wer Strom will, muss auch mit den Anlagen leben“, macht Angela Scheffold klar, die bis vor einigen Jahren für die Partei im Gemeinderat saß – und sie geht noch einen Schritt weiter: „Herr Hagel schimpft auf Landesebene, hat aber in der Region nie etwas zur Realisierung der Windkraft beigetragen.“Gerade die Nähe des im Gemeinderat gescheiterten Windparks zum Strom-Großverbraucher Liebherr hat für die Grünen nach wie vor Charme. Doch ganz unterschiedliche Aspekte sprachen gegen die geplanten Windräder im Wald, nicht zuletzt hätte eine große Schneise in das Waldgebiet Osterholz geschlagen werden müssen, wo auch Rotmilane nisten, bestätigt Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann (CDU). „Es war nicht ein Grund, der gegen das Osterholz als Standort spricht, sondern viele.“
Blieb eine Fläche südlich von Ehingen, nahe des Teilorts Deppenhausen, wo bis 2017 Windtests des Energieversorgers EnBW liefen, um die Wirtschaftlichkeit des Standortes zu überprüfen. Das Ergebnis: Der Standort eignet sich aufgrund der Topologie und der vorhandenen Infrastruktur nicht. „Baden-Württemberg ist kein ideales Windland“, fasst Ulrich Stark, regionaler Pressesprecher bei der EnBW zusammen und erklärt, dass die hügelige Landschaft dazu führt, dass der Wind nicht kontinuierlich genug weht. Doch mit Blick auf den Alb-Donau-Kreis bemängelt er auch, dass es durchaus taugliche Flächen gebe, die aber vom Regionalplan, der in diesem Gebiet genau festlegt, wo Windräder gebaut werden dürfen und wo nicht, gar nicht aufgeführt werden.
„Das Thema Windkraft ist landauf, landab ein sehr schwieriges Thema“, sagt Markus Riethe vom Regionalverband Donau-Iller, in dem mehrere Landkreise beiderseits der bayerisch-baden-württembergischen Landesgrenze organisiert sind. Insgesamt sind im Regionalplan 38 Vorranggebiete ausgewiesen, die meisten davon seien aber in Bayern und nicht in Baden-Württemberg. „Der Artenschutz und die Restriktionen der Bundeswehr sind die größten Hinderungsgründe, die wir auf den Flächen in der Region um Ehingen haben“, macht Riethe deutlich, der zumindest dem Standort in Deppenhausen eine theoretische Machbarkeit unterstellt. „Theoretisch wäre hier, wenn man die Werte betrachtet, eine Windkraftanlage sinnvoll. Der Wert dort liegt zwischen 230 und 270 Watt pro Quadratmeter, das Ministerium spricht davon, dass eine Anlage ab 215 Watt pro Quadratmeter wirtschaftlich sinnvoll sei“, sagt Riethe, der betont: „Grundsätzlich sind wir für den Ausbau von Windkraft. Allerdings können wir, beispielsweise in der Region Ehingen, keine besseren Flächen bieten. Hier bleibt eben absolut nichts übrig.“
Im ganzen Alb-Donau-Kreis drehen sich heute insgesamt 34 Windräder. Seit 2011 sind keine neuen mehr gebaut worden und Flächen, die im Regionalplan aufgeführt sind, bleiben unbebaut. Eine davon ist der Pfifferlingsberg nahe der Stadt Erbach zwischen Ehingen und Ulm. Hier würde Helmut Gaus von der Regionah Energie GmbH gerne einen Bürgerwindpark bauen. Als der Regionalplan 2015 fortgeschrieben und das Gebiet als Vorranggebiet aufgenommen wurde, hatte er sich beim Eigentümer Forst BW um den Standort beworben und die Ausschreibung gewonnen. Auch ein Umweltgutachten kam zu dem Ergebnis, dass das Waldstück als Standort geeignet ist. Doch als Helmut Gaus eine Bauvoranfrage stellte, erhob die Bundeswehr Einspruch.
„Wir wollen drei Windräder mit einer Höhe von 212 Metern bauen“, erläutert Gaus sein Vorhaben. Nach dem Einspruch versuchte er, mit der Bundeswehr in Kontakt zu treten, doch ständig wechselnde Ansprechpartner in Berlin, Köln und Bonn verzögerten das Verfahren. Nun hat Gaus vor drei Monaten Klage beim Verwaltungsgericht in Sigmaringen eingelegt und sich von einem Sachverständigen Rückendeckung für sein Vorhaben geholt. „Selbst wenn das Verfahren jetzt einige Jahre dauert, sind wir nicht drauf angewiesen“, schaut Gaus optimistisch in die Zukunft, denn nach wie vor gebe es 430 Interessenten, die sich an dem Bürgerwindpark beteiligen wollen. Mit der erzeugten Strommenge könnte er etwa 50 Prozent des Bedarfs der Stadt Erbach inklusive aller Teilgemeinden decken, rechnet er vor. „Ich bin ziemlich sicher, dass sich dort irgendwann Windräder drehen.“
Manuel Hagel indes betont, dass sich die Region mit Blick auf die Energiewende nicht grämen muss. „Wir produzieren in Ehingen mehr regenerative Energie, als die Stadt insgesamt verbraucht.“Er setzt auf Dezentralität, Speicherfähigkeit, Netzausbau und Energiemix. Wichtig ist ihm, dass jede Region einen Beitrag zur Energiewende leistet. Ein Beitrag, der vor Ort vernünftig und wirtschaftlich ist. Gerade für den AlbDonau-Kreis sieht Hagel bei der Wasserkraft noch Potenzial.