Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Strobl verteidigt „Herz und Härte“bei Abschiebungen
Innenminister will keine zusätzlichen Duldungen für Asylbewerber in Arbeit – SPD und FDP für mehr Flexibilität
STUTTGART - Die grün-schwarze Regierungsmehrheit im baden-württembergischen Landtag hat am Donnerstag Einigkeit in Sachen Bleiberecht gezeigt – zumindest vorübergehend. Der Landtag lehnte am Mittwoch einen Antrag der SPD zum Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber ab. Die Sozialdemokraten hatten die Landesregierung aufgefordert, die bestehenden Gesetze so auszulegen, dass Menschen in Arbeit nicht mehr abgeschoben werden. Die in Oberschwaben entstandene Unternehmerinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“pocht seit Langem darauf, gut integrierte Asylbewerber in Arbeit nicht mehr abzuschieben.
SPD wollte Streit offenlegen
Mit dem Antrag der SPD sollte bei der Landesregierung angefragt werden, wie sie die Möglichkeiten verbessern will, abgelehnten Asylbewerbern in Arbeit Bleiberecht zu ermöglichen. Die SPD hatte den Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, um den Bleiberecht-Streit in der grün-schwarzen Landesregierung offenzulegen.
Die Grünen setzen sich dafür ein, Flüchtlinge in Arbeit nicht mehr abzuschieben. Solange das weiter geschieht, wollen sie dem Kompromiss zu einem neuen Polizeigesetz nicht zustimmen. Die CDU um Innenminister
Thomas Strobl verweist darauf, dass die Landesregierung keinen weiteren Spielraum bei der Frage habe, wer abzuschieben ist und wer nicht. Die Regierung führe nur Bundesrecht aus.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch attackierte die Landesregierung für ihr Vorgehen. Es sei „absurd“und „gegen jeden Menschenverstand“, wenn gut integrierte Menschen in Arbeit abgeschoben würden. Kleine Handwerksbetriebe, denen durch Abschiebungen Arbeitskräfte entzogen würden, würden teils in ihrer Existenz bedroht. Dass Landesregierungen durchaus Spielraum hätten, zeige das Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo CDU und FDP regieren. Dort regelt ein Erlass der Regierung, nach welchen Kriterien gut integrierte, geduldete Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können.
Die FDP unterstützte den Antrag der SPD. Der FDP-Abgeordnete Nico Weinmann sagte, im Südwesten könne man sich nicht den „Luxus“erlauben, gut integrierte Arbeitskräfte abzuschieben. FDP und SPD sehen den Streit in der Landesregierung über Abschiebungen als Beleg für den schlechten Zustand der Koalition. Jeder regiere sein „Ministerium wie einen Freistaat“, sagte Stoch. Die Zusammenarbeit in der Landesregierung sei ein „schlechtes Beispiel für unser Land und kein Vorbild für den Bund“, sagte Weinmann.
Die Abgeordneten von CDU und Grünen warfen der SPD Doppelmoral vor. Die Sozialdemokraten hätten im Bund erst im vergangenen Jahr dem Migrationspaket zugestimmt, das auch die „Beschäftigungsduldung“für Asylbewerber in Arbeit vorsieht – also eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Eine Beschäftigungsduldung können nur Asylbewerber erhalten, die schon mindestens 18 Monate in Arbeit sind und schon seit 12 Monaten eine vorherige Duldung haben. Die Grünen sind für eine kulantere Lösung.
Im Südwesten protestiere die SPD gegen etwas, was die eigene Partei im Bund mitzuverantworten habe. „Es ist ganz wichtig, dass wir die Interessen von Wirtschaft und Rechtsstaat in Einklang bringen“, sagte der CDUAbgeordnete Thomas Blenke – und verteidigte Innenminister Strobl.
Strobl selbst sagte im Landtag, die Landesregierung zeige mit ihrem Vorgehen „Herz und Härte“– ein von Strobl gern und häufig genutzter Slogan. Ausreisepflichtige Ausländer zu beschäftigen, sei „eben nicht ohne Risiko für eine verlässliche betriebliche Planung“. Wahr sei aber auch: Vielen Unternehmern sei in der Hochphase der Flüchtlingskrise nicht immer klar gewesen, welche Bedeutung die Bleibeperspektive der bei ihnen angestellter Ausländer hat. Deswegen habe die Regierung gesagt, sie wolle „alle Spielräume, die es gibt“nutzen. Das gehe nur dort, wo es rechtlich möglich sei. Strobl sagte, darüber hinaus Duldungen für ausreisepflichtige Asylbewerber auszusprechen, wäre eine „klare Missachtung von Recht und Gesetz“.
Der AfD-Abgeordnete Daniel Rottmann warf der SPD sogar vor, sie unterminiere mit ihrem Antrag den Rechtsstaat. Durch das FachkräfteEinwanderungsgesetz könnten Betriebe sich künftig ohnehin darum kümmern, „dass sie ihre Fachkräfte wiederbekommen“, sagte Rottmann.
Der SPD-Antrag wurde mit 27 zu 101 Stimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt. In den kommenden Tagen will sich die Landesregierung auf das weitere Vorgehen zum Bleiberecht einigen. Mit einer Bundesratsinitiative will die Landesregierung außerdem Änderungen in Bundesgesetzen auf den Weg bringen.