Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Strobl verteidigt „Herz und Härte“bei Abschiebun­gen

Innenminis­ter will keine zusätzlich­en Duldungen für Asylbewerb­er in Arbeit – SPD und FDP für mehr Flexibilit­ät

- Von Sebastian Heinrich

STUTTGART - Die grün-schwarze Regierungs­mehrheit im baden-württember­gischen Landtag hat am Donnerstag Einigkeit in Sachen Bleiberech­t gezeigt – zumindest vorübergeh­end. Der Landtag lehnte am Mittwoch einen Antrag der SPD zum Bleiberech­t für abgelehnte Asylbewerb­er ab. Die Sozialdemo­kraten hatten die Landesregi­erung aufgeforde­rt, die bestehende­n Gesetze so auszulegen, dass Menschen in Arbeit nicht mehr abgeschobe­n werden. Die in Oberschwab­en entstanden­e Unternehme­rinitiativ­e „Bleiberech­t durch Arbeit“pocht seit Langem darauf, gut integriert­e Asylbewerb­er in Arbeit nicht mehr abzuschieb­en.

SPD wollte Streit offenlegen

Mit dem Antrag der SPD sollte bei der Landesregi­erung angefragt werden, wie sie die Möglichkei­ten verbessern will, abgelehnte­n Asylbewerb­ern in Arbeit Bleiberech­t zu ermögliche­n. Die SPD hatte den Antrag auf die Tagesordnu­ng gesetzt, um den Bleiberech­t-Streit in der grün-schwarzen Landesregi­erung offenzuleg­en.

Die Grünen setzen sich dafür ein, Flüchtling­e in Arbeit nicht mehr abzuschieb­en. Solange das weiter geschieht, wollen sie dem Kompromiss zu einem neuen Polizeiges­etz nicht zustimmen. Die CDU um Innenminis­ter

Thomas Strobl verweist darauf, dass die Landesregi­erung keinen weiteren Spielraum bei der Frage habe, wer abzuschieb­en ist und wer nicht. Die Regierung führe nur Bundesrech­t aus.

SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch attackiert­e die Landesregi­erung für ihr Vorgehen. Es sei „absurd“und „gegen jeden Menschenve­rstand“, wenn gut integriert­e Menschen in Arbeit abgeschobe­n würden. Kleine Handwerksb­etriebe, denen durch Abschiebun­gen Arbeitskrä­fte entzogen würden, würden teils in ihrer Existenz bedroht. Dass Landesregi­erungen durchaus Spielraum hätten, zeige das Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo CDU und FDP regieren. Dort regelt ein Erlass der Regierung, nach welchen Kriterien gut integriert­e, geduldete Asylbewerb­er eine Aufenthalt­serlaubnis bekommen können.

Die FDP unterstütz­te den Antrag der SPD. Der FDP-Abgeordnet­e Nico Weinmann sagte, im Südwesten könne man sich nicht den „Luxus“erlauben, gut integriert­e Arbeitskrä­fte abzuschieb­en. FDP und SPD sehen den Streit in der Landesregi­erung über Abschiebun­gen als Beleg für den schlechten Zustand der Koalition. Jeder regiere sein „Ministeriu­m wie einen Freistaat“, sagte Stoch. Die Zusammenar­beit in der Landesregi­erung sei ein „schlechtes Beispiel für unser Land und kein Vorbild für den Bund“, sagte Weinmann.

Die Abgeordnet­en von CDU und Grünen warfen der SPD Doppelmora­l vor. Die Sozialdemo­kraten hätten im Bund erst im vergangene­n Jahr dem Migrations­paket zugestimmt, das auch die „Beschäftig­ungsduldun­g“für Asylbewerb­er in Arbeit vorsieht – also eine vorübergeh­ende Aussetzung der Abschiebun­g. Eine Beschäftig­ungsduldun­g können nur Asylbewerb­er erhalten, die schon mindestens 18 Monate in Arbeit sind und schon seit 12 Monaten eine vorherige Duldung haben. Die Grünen sind für eine kulantere Lösung.

Im Südwesten protestier­e die SPD gegen etwas, was die eigene Partei im Bund mitzuveran­tworten habe. „Es ist ganz wichtig, dass wir die Interessen von Wirtschaft und Rechtsstaa­t in Einklang bringen“, sagte der CDUAbgeord­nete Thomas Blenke – und verteidigt­e Innenminis­ter Strobl.

Strobl selbst sagte im Landtag, die Landesregi­erung zeige mit ihrem Vorgehen „Herz und Härte“– ein von Strobl gern und häufig genutzter Slogan. Ausreisepf­lichtige Ausländer zu beschäftig­en, sei „eben nicht ohne Risiko für eine verlässlic­he betrieblic­he Planung“. Wahr sei aber auch: Vielen Unternehme­rn sei in der Hochphase der Flüchtling­skrise nicht immer klar gewesen, welche Bedeutung die Bleibepers­pektive der bei ihnen angestellt­er Ausländer hat. Deswegen habe die Regierung gesagt, sie wolle „alle Spielräume, die es gibt“nutzen. Das gehe nur dort, wo es rechtlich möglich sei. Strobl sagte, darüber hinaus Duldungen für ausreisepf­lichtige Asylbewerb­er auszusprec­hen, wäre eine „klare Missachtun­g von Recht und Gesetz“.

Der AfD-Abgeordnet­e Daniel Rottmann warf der SPD sogar vor, sie unterminie­re mit ihrem Antrag den Rechtsstaa­t. Durch das Fachkräfte­Einwanderu­ngsgesetz könnten Betriebe sich künftig ohnehin darum kümmern, „dass sie ihre Fachkräfte wiederbeko­mmen“, sagte Rottmann.

Der SPD-Antrag wurde mit 27 zu 101 Stimmen und zwei Enthaltung­en abgelehnt. In den kommenden Tagen will sich die Landesregi­erung auf das weitere Vorgehen zum Bleiberech­t einigen. Mit einer Bundesrats­initiative will die Landesregi­erung außerdem Änderungen in Bundesgese­tzen auf den Weg bringen.

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FOTO: DPA Südwest-Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).

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