Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Arbeiter finden in Lindau Überreste eines Wehrmachts­soldaten

Der Bereich um den Reutiner Bahnhof ist gesperrt – Der Mann ist wahrschein­lich 1945 gestorben

- Von Julia Baumann

LINDAU - Einen historisch wertvollen Fund haben Bauarbeite­r am Reutiner Bahnhof gemacht: Am Mittwochna­chmittag haben sie dort die Überreste eines Wehrmachts­soldaten ausgegrabe­n. Die Bauarbeite­n in diesem Bereich sind nun erst einmal auf Eis gelegt. Experten rätseln indes über die Geschichte des Soldaten.

Ein Stück Knochen, einen Helm, ein Volksbuch, eine Trinkflasc­he und Teile eines alten Feldtelefo­ns haben Bagger neben den Bahngleise­n an der Bregenzer Straße aus der Erde befördert. „Das Knochentei­l ist mit Sicherheit von einem Menschen“, sagt Thomas Steur, Chef der Lindauer Polizeiins­pektion. In dem Volksbuch lasse sich leider überhaupt nichts mehr erkennen. Die Form des Helms deute allerdings darauf hin, dass es sich um einen verstorben­en Wehrmachts­soldaten des Zweiten Weltkriegs handelt.

„Gegen Kriegsende, im März oder April 1945, gab es Luftangrif­fe auf den Reutiner Bahnhof“, erklärt Stadtarchi­var Heiner Stauder auf Anfrage der Lindauer Zeitung. Allerdings seien solche Ereignisse gegen Ende des Zweiten Weltkriegs oft nicht mehr aufgezeich­net worden. „In den städtische­n Akten ist das nicht dokumentie­rt“, sagt Stauder.

Bekannt sei aber, dass es zu dieser Zeit Gerüchte darüber gab, dass sich die Nazis in eine sogenannte Alpenfestu­ng zurückzieh­en wollen. Ob das nur eine Idee, ein fixer Plan oder gar eine Finte war, wissen die Historiker nicht. „Aber wenn man in die Alpen will, dann muss man an Lindau vorbei“, sagt Stauder. „Dann hätte der Reutiner Bahnhof eine wichtige Bedeutung haben können.“

Der Lindauer Lokalhisto­riker Karl Schweizer hat bereits Artikel über die Luftangrif­fe in Reutin verfasst. Die Informatio­nen dafür hat er zum Teil noch von seinem mittlerwei­le verstorben­en Vater, der solche Angriffe mit eigenen Augen gesehen hat. „Meines Wissens gab es vier Luftangrif­fe“, sagt er. Verantwort­lich dafür gewesen seien französisc­he Jagdbomber, die den Reutiner Bahnhof als Verkehrskn­otenpunkt nach Österreich und zur Firma Dornier zerstören wollten. Laut Schweizer sind bei den Angriffen zehn Menschen gestorben.

Die Polizei wird die Fundstücke in den kommenden Tagen an die Kriegsgräb­erfürsorge übergeben. Deren Mitglieder werden das Gebiet um den Fundort dann absuchen. „Es kann gut sein, dass man da noch eine Waffe findet“, erklärt Steur.

Dass sich auf dem Gelände noch Granaten oder Blindgänge­r befinden, sei allerdings ausgeschlo­ssen. Weil der Luftangrif­f auf den Bahnhof ja bekannt gewesen sei, habe der Kampfmitte­lräumdiens­t im Vorfeld der Bauarbeite­n ein Gutachten erstellt.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Überreste vermutlich eines Wehrmachts­soldaten sind bei Grabungsar­beiten an der Baustelle zum neuen Bahnhof Reutin aufgetauch­t.

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