Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Auf dem Sprung ins Leben
Zeitgemäße Verfilmung des Romanklassikers „Little Women“mit Oscar-Ambitionen
Greta Gerwig, die Regisseurin von „Lady Bird“, wagt sich an einen Klassiker – und zeigt dass die Geschichte der Lebenswege von vier Schwestern auch nach 150 Jahren noch relevant sein kann.
An Adaptionen des Romans „Little Women“der US-amerikanischen Schriftstellerin Louisa May Alcott herrschte bislang eigentlich kein Mangel: Sechs Kinoverfilmungen, darunter eine mit Audrey Hepburn und „Betty und ihre Schwestern“mit Wynona Ryder, mehrere Fernsehserien, darunter ein japanischer Anime, sowie Oper- und Musical-Adaptionen sind bereits auf dem Markt. Dennoch ließ es aufhorchen, dass Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig sich nun an die siebte Kinoverfilmung machen würde – schließlich konnte die bereits in „Lady Bird“mit der mitreißend-lebensnahen Geschichte über das Erwachsenwerden einer jungen Frau begeistern.
Auch die „Little Women“befinden sich im Übergang zum Erwachsenwerden und die 1868 begonnene Romanreihe reflektiert zudem über die Stellung der Frauen in der damaligen Gesellschaft und welche Optionen ihnen offenstehen. Für weibliche Romanfiguren gibt es da nur zwei Möglichkeiten, wie der Verleger Mr. Dashwood (Tracy Letts) zu Beginn des Films erklärt: Sie sollten idealerweise verheiratet sein – oder tragisch gestorben. Ihm gegenüber sitzt Jo (Saoirse Ronan), die zweitälteste der March-Schwestern, die sich im New York des Jahres 1869 als Lehrerin und Autorin durchschlägt. Darauf springt die Handlung sieben Jahre zurück und wir sehen die vier Geschwister mit ihrer Mutter Marmee (Laura Dern) in finanziell begrenzten Verhältnissen aufwachsen, während der Vater (Bob Odenkirk) im Bürgerkrieg ist.
Dieser fortwährende Sprung zwischen den Zeitebenen ist keine reine Spielerei, sondern macht die Verfilmung auch für Zuschauer, die mit dem Stoff bereits bestens vertraut sind, noch einmal reizvoll. Neulinge können ebenfalls folgen, sobald sie sich daran gewöhnt haben, dass die Teenager-Schwestern von den gleichen Schauspielerinnen verkörpert werden. Was den Film aber vor allem für sämtliche Zuschauergruppen sehenswert macht, ist das überwältigende Ensemble. „Lady Bird“-Star Ronan überzeugt auch hier als selbstbewusste Jo, Florence Pugh kann als ihre rebellische Schwester
Amy aber locker mithalten. Verdientermaßen können sich die beiden Hoffnungen auf Oscars für die beste Haupt – und Nebenrolle machen, weitere Nominierungen gab es für den besten Film, die DrehbuchAdaption sowie für die opulenten Kostüme und die Musik.
Während Jo die Heirats-Avancen des charmanten Nachbarsjungen Laurie (Timothée Chalamet) ablehnt und Amy in diesen heimlich verliebt ist, entscheidet sich die älteste Schwester Meg (Emma Watson) für eine Liebesheirat. Die jüngste, Beth, (Eliza Scanlen), vermittelt dagegen oft zwischen ihren Geschwistern und führt aus Gesundheitsgründen ein häusliches Dasein.
Ambitionen, geschwisterliche Konkurrenz aber vor allem ganz viel familiäre Liebe vermitteln Gerwig und ihr Ensemble überzeugend – dass sich Meryl Streep dabei mit der kleinen Nebenrolle der Tante begnügte, belegt, dass die Regisseurin bei dem Film auf allen Ebenen aus dem Vollen schöpfen konnte
Little Women, Regie: Greta Gerwig, USA 2019, 135 Min., FSK: ohne. Mit Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh.