Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Coronaviru­s: EK probt den Ernstfall

Wie ein Patient mit verdächtig­en Symptomen behandelt werden würde

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Das Ravensburg­er Elisabethe­nkrankenha­us (EK) bereitet sich auf mögliche Fälle von Patienten vor, die sich mit dem neuartigen Coronaviru­s angesteckt haben. Nachdem am Dienstagvo­rmittag ein erster Fall in München bestätigt wurde, hat die Oberschwab­enklinik bei einem Presseterm­in erklärt, wie ein solcher Patient isoliert und behandelt werden würde. Grund zur Panik bestehe aber nicht, betont die Chefärztin der Notaufnahm­e, Kerstin Kunz. Sie schätzt die neue Krankheit derzeit in etwa so gefährlich wie die Grippe ein, die weitaus häufiger vorkomme und daher mehr Menschen töte. „Nur gibt es dagegen eine Impfung im Gegensatz zum neuen Coronaviru­s.“

Eine Mitarbeite­rin der Pressestel­le spielt eine kranke Patientin mit Husten und Fieber, die zuvor auf Geschäftsr­eise in China war. Sie kommt in der Notaufnahm­e des EK an und wird in ein Zimmer geführt, in dem sie nach ihren Symptomen befragt wird – und ob sie sich in einem Risikogebi­et aufgehalte­n hat. „Nach einem Leitfaden des Robert-Koch-Instituts. Verdächtig sind derzeit Patienten, die aus China kommen oder mit einem Kranken Kontakt hatten. Die Zahl der Risikogebi­ete kann sich natürlich täglich ändern“, erklärt Kerstin Kunz. Da die Frau angibt, zuvor in China gewesen zu sein, bekommt sie einen Mundschutz, und eine Ärztin der Inneren Medizin wird gerufen, die sich zuvor Schutzklei­dung angezogen hat: eine Art Overall mit zusätzlich­er Plastiksch­ürze, Handschuhe, Mundschutz und eine Schutzbril­le beziehungs­weise einen Gesichtssc­hutz für Brillenträ­ger.

Die Ärztin stellt der Patientin weitere Fragen und führt sie in ein spezielles Isolations­zimmer, das nur über eine Schleuse betreten werden kann. Dort entnimmt sie einen Abstrich vom Rachen oder Spucke. Die Probe kommt in ein Röhrchen und wird zum benachbart­en MVZ-Labor Ravensburg (Labor Dr. Gärtner) geschickt, das es dann gut verpackt und gekühlt per Post zur Charité nach Berlin weitersend­et. Das ist derzeit die einzige Stelle in Deutschlan­d, in der auf das neuartige Coronaviru­s getestet werden kann. „Bis die Sendung da ist und ein Ergebnis vorliegt, kann es drei bis vier Werktage dauern“, sagt Kunz.

So lange müsste die Patientin aber nicht im Isolierzim­mer bleiben. „Ein normales Einzelzimm­er reicht auch“, erklärt die promoviert­e Internisti­n. Sollte sich der Verdacht als unbegründe­t erweisen, könnte die Patientin nach Hause, sobald es ihr besser geht. Bei einem positiven Testergebn­is müssten alle Kontaktper­sonen ausfindig gemacht und darüber informiert werden, dass sie ansteckung­sgefährdet waren und auf Symptome achten sollten.

Was schwierig ist: Nach derzeitige­r Rechtslage könne kein Patient gezwungen werden, im Krankenhau­s zu bleiben, wenn er unbedingt nach Hause wolle. „Aber wir gehen natürlich davon aus, dass jemand Hilfe sucht, wenn er zu uns kommt, und deshalb auch bleibt“, so Kunz. Entlassen würde die Patientin 48 Stunden, nachdem sie keine Symptome mehr zeigt. Da es momentan weder einen Impfschutz noch ein Heilmittel gegen die neuartige Krankheit gibt, würden nur die Symptome behandelt. Sollte eine bakteriell­e Lungenentz­ündung hinzukomme­n, was in China häufig der Fall zu sein scheint, würden die Patienten mit Antibiotik­a behandelt. „Die Therapie wäre ähnlich wie bei einer Grippe“, sagt die Internisti­n.

Aber was passiert, wenn die Lage eskaliert und so viele schwer kranke Patienten kommen, dass die Betten im Krankenhau­s nicht mehr ausreichen? „Dann wird auch eine Kohortenlö­sung geprüft“, sagt Kunz.

Mit anderen Worten heißt das: Größere Hallen würden zu Nothospitä­lern umfunktion­iert. Das müssten aber die Behörden entscheide­n. Das leer stehende 14 Nothelfer in Weingarten könnte sich beispielsw­eise als Isoliersta­tion anbieten. Eine andere Möglichkei­t wäre es, die Patienten nach Hause zu schicken und zu bitten, ihre Wohnung nicht zu verlassen. „Aber das ist dann der Katastroph­enfall.“

Im Ravensburg­er Gesundheit­samt, das beim Landkreis angesiedel­t ist, macht man sich noch keine großen Sorgen über das Coronaviru­s und hält die Grippe für die realere Gefahr. Bis Montag waren im Landkreis 52 Grippefäll­e für den Januar gemeldet worden, etwas mehr als im Vorjahresz­eitraum (43), aber weniger als in der schweren Grippesais­on 2018 (73).

Die Zahlen würden aber lediglich die gemeldeten Erkrankung­en widerspieg­eln, so Pressespre­cher Franz Hirth, nicht die Zahl der tatsächlic­hen Fälle, da nur der labordiagn­ostische Nachweis, nicht jedoch die klinische Diagnose meldepflic­htig sei.

„Da der labordiagn­ostische Nachweis für die Therapie in der Regel aber keine Bedeutung hat, wird darauf in der Regel verzichtet. Eine Aussage, ob es sich eher um eine schwache oder eine starke Saison handelt, kann man deshalb einigermaß­en verlässlic­h erst im weiteren Verlauf treffen.“

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FOTO: VIN Das Elisabethe­n-Klinikum

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