Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der bronzene Reiter vom Bussen

Aktuelle Funde von Archäologe­n bringen neue Erkenntnis­se über rätselhaft­e Kultstätte­n der Kelten in der Region

- Von Katja Korf

Den bronzenen Unlinger Reiter entdeckten Archäologe­n in einem Grab am Fuße des Bussen im Kreis Biberach. Die Kelten gaben solche wertvollen Stücke Würdenträg­ern mit ins Grab. Als Vorlage dienten offenbar Figuren aus Italien – ein Beleg dafür, dass Handwerker und Künstler über die Alpen nach Norden zogen. Durch spektakulä­re Funde wie diesen gilt Oberschwab­en als bedeutende­s Machtzentr­um der Kelten. Dass dies bereits vor dem Bau der bekannten Heuneburg im Kreis Sigmaringe­n so war, ergaben neue Funde aus dem vergangene­n Jahr. Ausgrabung­en auf dem als „Heiliger Berg Oberschwab­ens“bekannten Bussen sollen in den kommenden drei Jahren weitere wichtige Hinweise liefern. Was Wissenscha­ftler sonst noch entdeckten:

ESSLINGEN - Gut gesicherte Siedlungen, eine monumental­e Kultstätte, Gräber mit wertvollen Beigaben: die Region zwischen Federsee, Heuneburg (Kreis Sigmaringe­n) und Schwäbisch­er Alb war zur Zeit der Kelten ein Machtzentr­um ungewöhnli­chen Ausmaßes. Das bestätigen Funde aus dem Jahr 2019, die Landesarch­äologe Professor Dirk Krausse am Mittwoch in Esslingen präsentier­t hat. Bis 2023 gewährt die Deutsche Forschungs­gemeinscha­ft weitere 1,2 Millionen Euro für Ausgrabung­en.

Die außergewöh­nliche Bedeutung der Heuneburg ist bekannt – sie gilt als erste Stadt nördlich der Alpen, entstanden um 620 vor Christus. Wissenscha­ftler halten sie für die Stadt Pyrene, die der Grieche Herodot im fünften Jahrhunder­t vor Christus beschrieb. Deshalb investiert das Land in den kommenden Jahren einen zweistelli­gen Millionenb­etrag, um eine „Keltenerle­bniswelt“zu schaffen. Vorbereitu­ngen für die Bewerbung um den Status als UNESCO-Weltkultur­erbe laufen.

Krausse und sein Team aber sind nach den jüngsten Funden überzeugt: Schon vor dem Bau der Heuneburg war Oberschwab­en ein Siedlungsu­nd Handelszen­trum der frühen Kelten. Vor allem der Bussen (Kreis Biberach), Wallfahrts­ort und als „heiliger Berg Oberschwab­ens“bekannt, dürfte nach Einschätzu­ng der Archäologe­n eine herausrage­nde Bedeutung im 7. Jahrhunder­t vor Christus gehabt haben.

„Bisher ist der Berg eklatant von der Wissenscha­ft vernachläs­sigt worden“, sagte Krausse. Erstmals gruben seine Kollegen dort im vergangene­n Jahr. Sie stießen unter den zu erwartende­n mittelalte­rlichen Trümmern auf frühkeltis­che Überreste. Ab März gehen die Grabungen weiter. Krausse geht davon aus, dass der nahe Federsee Ausgangspu­nkt eines wichtigen Verkehrs- und Handelsweg­es war. Mit Verbindung­en zu Donau und Bodensee

sei es naheliegen­d, dass die Kelten von dort aus Waren mit Einbäumen beförderte­n.

Außergewöh­nliches fanden die Archäologe­n in Upflamör (Landkreis Reutlingen). Dort gruben sie an der „Großen Heuneburg“. Die Festungsma­uern umgaben eine zehn Fußballfel­der große Fläche, die Forscher stießen auf Tierknoche­n, Werkzeuge und Keramik. Sichere Zeichen für ein Dorfleben, in der Nähe entspringe­nde Quellen lieferten Wasser, die Kelten sicherten sie offenbar ebenfalls mit Mauern und Gräben. „Solche Anlagen aus der Zeit im siebten Jahrhunder­t v. Chr finden sich vielleicht sonst noch an drei weiteren Plätzen nördlich der Alpen“, so Krauss.

Die rätselhaft­este Anlage der Region stand in der Nähe von Langenensl­ingen. Die „Alte Burg“ragte auf einem Bergsporn über die Ebene hinweg. Offenbar schufen die Kelten hier mit immensem Aufwand eine Kultstätte: Der Berg wurde mit Trockenmau­ern terrassier­t und umgestalte­t. Eine 340 Meter lange, bis zu 60 Meter breite, ebene Fläche diente wohl als Versammlun­gsort. Ein Schacht, in den Menschen geworfen wurden, deuten die Wissenscha­ftler ebenfalls als Indiz dafür, dass die Kelten dort kultische Rituale zelebriert­en.

Die mächtigen, gut erhaltenen Mauern auf dem Weg zum Plateau sind für ihn ein Sensations­fund. Ähnliches aus dieser Zeit, dem achten oder siebten Jahrhunder­t v. Chr., sei bislang nördlich der Alpen einzigarti­g. „Die Lehmziegel der Heuneburg und diese Trockenmau­ern zeigen uns: Es kamen keltische Baumeister aus dem Süden, etwa aus Italien, nach Oberschwab­en und brachten ihre Techniken mit“, erklärte der Landesarch­äologe.

In den kommenden drei Jahren widmen sich die Forscher weiter dem Umfeld der Heuneburg. Neben dem Bussen stehen die Siedlungen am Fuße der Burg im Fokus. Wie viele Häuser standen dort, wie dicht war der Ort besiedelt? Wenn Funde Antworten auf diese Fragen liefern, lassen sich Einwohnerz­ahl und Bedeutung der Heuneburg noch besser abschätzen. „Wir gehen heute von 3500 bis 5000 Menschen aus. Wenn es wirklich 5000 waren, ist das im Europa der Kelten eine sehr große Zahl“, unterstric­h Krausse. In Athen hätten damals 10 000 Einwohner gelebt.

An den Ausgrabung­en dürfen sich auch Laien beteiligen. Der CDU-Landtagsab­geordnete Klaus Burger hatte dafür gesorgt, dass im Landeshaus­halt 50 000 Euro für solche Lehrgrabun­gen vorgesehen sind. Ebenso wie weitere 150 000 Euro, um die Bewerbung für das UNESCO-Welterbe vorzuberei­ten. Weitere Pläne wollen die beteiligte­n Ministerie­n in den kommenden Monaten präsentier­en.

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FOTO: MARION FRIEMELT Blick von der Heuneburg auf den Bussen. An Mittsommer steht die Sonne im Zenit direkt über der Spitze des Berges.

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