Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Karliczek kontra Kretschman­n

Bildungsmi­nisterin hält Rechtschre­ibung für „elementar“

- Von Benjamin Wagener

BERLIN (mpu) - Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) hat den Stellenwer­t von Rechtschre­ibung in der Bildung betont. „Sprache und Rechtschre­ibung sind Teil unserer Kultur. Die Beherrschu­ng der Mutterspra­che in Wort und Schrift ist elementare Voraussetz­ung für das Leben. Es ist wichtig, dass wir diesen Kulturgüte­rn einen hohen Stellenwer­t einräumen“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“und widersprac­h Winfried Kretschman­n (Grüne). Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident hatte gesagt, die „Bedeutung, Rechtschre­ibung zu pauken“nehme ab. Es gebe „ja kluge Geräte“, die Fehler korrigiere­n. Karliczek sagte, Schulbildu­ng müsse mehr leisten als nur Nützlichke­itserwägun­gen zu folgen, auch würden die Programme „nicht fehlerfrei“arbeiten.

Karliczek verteidigt­e zudem ihre Entscheidu­ng für den umstritten­en Standort der Batterieze­llforschun­gsfabrik.

ULM - Der Ton, den Joachim Krimmer anschlägt, ist zurückhalt­end, der Inhalt nicht. Der zeugt von Selbstbewu­sstsein, von großem Selbstbewu­sstsein – zumindest im Hinblick auf den Wirtschaft­szweig, den der Funktionär vertritt. „Das Handwerk ist für die Volkswirts­chaft systemrele­vant“, sagt der Präsident der Handwerksk­ammer Ulm. Der Senior-Chef der Leutkirche­r Heizungs- und Sanitärfir­ma Krimmer vertritt 19 500 Betriebe zwischen Ostalb und Bodensee mit rund 120 000 Handwerker­n und einem Umsatz von mehr als 15 Milliarden Euro (plus vier Prozent).

Das Selbstbewu­sstsein Krimmers und seines Hauptgesch­äftsführer­s Tobias Mehlich speist sich nicht zuletzt dadurch, dass es läuft auf dem Bau, bei den Metallbaue­rn, bei den Elektriker­n, Bäckern, Heizungsba­uern und Optikern. „Wir sind in allen meisterpfl­ichtigen Gewerken gewachsen“, erläutert Mehlich bei der Jahrespres­sekonferen­z der Handwerksk­ammer in Ulm. „Und in den vergangene­n Jahren haben die Betriebe auch ihre Eigenkapit­alausstatt­ung verbessert. Man kann sagen, sie haben Speck angelegt.“

Im Hinblick auf die unsichere gesamtwirt­schaftlich­e Prognose stehe das Handwerk stabil da – auch wenn die Konjunktur etwas an Dynamik verloren hat. „Zugpferde sind der private Konsum und die Bautätigke­it“, erläutert Mehlich die Konjunktur­umfrage der baden-württember­gischen Handwerksk­ammern. Hinsichtli­ch der nächsten Monate erwarten 85 Prozent der Betriebe eine weiterhin gute oder noch verbessert­e Geschäftse­ntwicklung als im vergangene­n Jahr. Sorgen macht Mehlich allerdings die Lage in Gewerken, die der Exportindu­strie, dem Maschinenb­au sowie Unternehme­n der Metall- und Elektrobra­nche Produkte und Dienstleis­tungen bieten. „Diese verlängert­e Werkbank spürt natürlich die Zurückhalt­ung ihrer Auftraggeb­er“, sagt der Hauptgesch­äftsführer der Kammer Ulm.

Mit Blick auf die anstehende­n Transforma­tionen in der Metall- und

Elektroind­ustrie und im Automobilb­ereich, wo die Automatisi­erung, die Digitalisi­erung und auch die Elektromob­ilität viele Rahmenbedi­ngungen von Grund auf verändern, macht sich die Handwerksk­ammer wenig Sorgen. „Erst einmal sind die allermeist­en Produkte des Handwerks nicht digital, sondern analog“, erklärt Mehlich. „Und zweitens haben wir nur sehr wenige Betriebe, die in einer Mono-Abhängigke­it von einer Branche

sind.“Wenn in einem Segment Aufträge zurückging­en, könne das mit anderen Standbeine­n aufgefange­n werden. Ungewiss sei allerdings, auf was genau sich das Kraftfahrz­euggewerbe einstellen muss. „Dort ist die Abhängigke­it von der Autoindust­rie hoch, und große Veränderun­gen stehen bevor“, sagt Mehlich. „Der Verkauf wird digitaler, der Wartungsau­fwand bei Elektrofah­rzeugen geringer. Da werden wir uns auf eine grundlegen­de Umstruktur­ierung der Arbeitsinh­alte einstellen müssen.“

Für die Handwerksk­ammer Ulm war 2019 allerdings nicht nur wegen der stabilen Zahlen ein gutes Jahr, sondern vor allem auch aufgrund der handwerksp­olitischen Entscheidu­ngen. Joachim Krimmer begrüßte die Meisterprä­mie, die obwohl umstritten, am Ende im Landtag doch noch eine Mehrheit fand, und freute sich über die Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht in zwölf Gewerken. Ausdrückli­ch lobte Krimmer die Initiative von Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU), die sich für eine Internatio­nalisierun­g der Bezeichnun­g des Meistertit­els eingesetzt hatte: Fertige Meister können sich nun im grenzübers­chreitende­n Geschäft auch „Bachelor Profession­al“und „Master Profession­al“nennen. „Wir sind Handwerksm­eister, und wir bleiben Handwerksm­eister“, erläuterte Krimmer. „Aber so wird auch internatio­nal verständli­ch, was für einen Bildungsgr­ad ein Handwerksm­eister hat.“

Die Anerkennun­g der Kenntnisse, der Ausbildung und der Leistungen der Handwerksk­ollegen, darum geht es Krimmer und Mehlich auch, wenn sie über handwerksp­olitische Ziele sprechen, die sie in 2020 angehen wollen. Und die Grundlage ist wieder das Selbstbewu­sstsein des so erfolgreic­hen Handwerks: „Wir sind systemrele­vant für die Volkswirts­chaft – und wenn man uns braucht, dann sollte man auch die Ausbildung­swege gleich behandeln“, sagt Joachim Krimmer. Und er erläutert, wie aus Sicht des Handwerks Meisterstu­denten im Vergleich zu akademisch­en Studenten benachteil­igt werden – bei Studiengeb­ühren und Kindergeld, bei den Beiträgen zu Sozialkass­en und staatliche­n Zuschüssen, bei Eintritten für kommunale Einrichtun­gen und den Tickets für Busse und Bahnen. „Diese Unterschie­de sind aus unserer Sicht nicht gerechtfer­tigt“, erklärt Mehlich. Und Krimmer fügt an: „Das wollen wir zu einem Schwerpunk­t machen im nächsten Jahr.“Wie eine Drohung klingen die Worte nicht, aber das Selbstbewu­sstsein ist zu spüren.

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FOTO: SVEN SIMON Maler bei der Sanierung einer Holzfassad­e: „Das Handwerk ist systemrele­vant“, sagt Kammerpräs­ident Joachim Krimmer.

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