Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wenn Verluste noch mehr schmerzen
Was die von Olaf Scholz initiierten Abschreibungsregeln für Anleger bedeuten
FRANKFURT - Nach der Finanztransaktionssteuer hat sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine weitere Möglichkeit zur Besteuerung von Anlegern ausgedacht: Konnten die bisher Verluste von der Steuer absetzen, so haben sich die Bedingungen dafür verschlechtert.
Seit Jahresbeginn schon gilt: Wer Totalverluste aus Kapitalvermögen erleidet, kann diese nur noch bis zu 10 000 Euro im Jahr von der Steuer absetzen. Das gilt etwa, wenn Anleger in eine Firma investiert haben, die insolvent geht. Deren Aktien sind dann nichts mehr wert und werden von der Börse genommen. Das gilt auch dann, wenn ein Unternehmen seine Anleihen nicht zurückzahlen kann oder Optionen und Zertifikate bei Fälligkeit nichts mehr wert sind. Diese Änderung des Einkommensteuergesetzes hat Scholz im Gesetz für grenzüberschreitende Steuergestaltung verpackt – und das ist kaum jemand aufgefallen. Zuvor hatte er schon einmal versucht, dies in einem anderen Gesetz unterzubringen, war damit aber nicht durchgekommen. „Wir halten das für verfassungswidrig“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Das Problem: Wenn etwa eine Aktie auf null fällt, weil das Unternehmen insolvent ist, dann wird sie aus dem Depot ausgebucht. Das wäre also kein Verkauf, lautet die eine Argumentation. Deshalb sei der Verlust daraus nicht steuerlich absetzbar. Der Bundesfinanzhof aber hatte in einem Urteil festgestellt, dass für die steuerliche Anrechenbarkeit von Verlusten ein Verkauf nicht nötig sei; ein Verlust des Anlegers nach einer Insolvenz des Unternehmens wäre also doch steuerlich absetzbar. „Dieses Urteil des Bundesfinanzhofs konterkariert Scholz mit seinem Gesetz“, sagt der Anlegerschützer.
Doch in dem neuen Gesetz sind noch weitere Verschlechterungen für die Anleger enthalten: Von 2021 an sollen auch Verluste aus Termingeschäften nur noch bis zu 10 000 Euro im Jahr steuerlich abgesetzt werden können. Termingeschäfte – das mag nach Spekulation klingen – wolle man eindämmen, begründet das Bundesfinanzministerium die Gesetzesänderung auch. Doch tatsächlich sichern erfahrene Anleger ihre Depotpositionen mit Optionen gern gegen Kursverluste ab. Zudem trifft das Gesetz vor allem Privatanleger und professionelle Anleger, die aber einkommenssteuerpflichtig sind. Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften werden damit nicht erfasst, auch Hedgefonds nicht, die man wohl eher zu Spekulanten rechnen könnte.
Wenn also ein Anleger 30 000 Euro Verlust mit Termingeschäften gemacht hat, mit einer anderen Option aber 40 000 Euro Gewinn, dann muss er vom nächsten Jahr an 30 000 Euro versteuern – statt wie bisher 10 000 Euro Gewinn. Er kann die Verluste zwar drei Jahre lang vortragen, aber das hilft nur, wenn er in diesen Jahren nicht weitere Verluste erwirtschaftet. Und eine weitere Verschlechterung: Bisher haben die Banken bei Termingeschäften Gewinne und Verluste verrechnet und die dann anfallende Steuerlast automatisch als Kapitalertragssteuer abgeführt. Nun aber verrechnen die Geldhäuser nicht mehr, sondern ziehen die Kapitalertragssteuer zunächst einmal voll ab. Die Steuererstattung muss der Anleger sich dann am Jahresende mit seiner Steuererklärung selbst zurückholen.
Die Anlegerschützer der DSW wollen diese gesetzlichen Bestimmungen gerichtlich kippen, dazu aber müssen sie zunächst Betroffene finden, die sie dann vor Gericht mit vertreten. Die Schutzvereinigung sei bereit, das durch alle Instanzen durchzufechten, sagt DSW-Sprecher Kurz.