Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Grüner Wasserstof­f ist der Energieträ­ger der Zukunft“

Forschungs­ministerin Karliczek über Ökostrom, wichtige Innovation­en und den Ärger um die Batterieze­llenfabrik

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BERLIN - Dem Erfinderge­ist Raum geben, das ist eine Aufgabe von Forschungs­ministerin Anja Karliczek (CDU). Mathias Puddig hat mit ihr darüber gesprochen, welche Technologi­en in den kommenden Jahren vorangetri­eben werden – und was das für den Südwesten bedeutet.

Die 2020er-Jahre haben begonnen, viele Veränderun­gen stehen an. Was muss aus Sicht der Forschungs­ministerin passieren, damit das goldene 20er werden?

Deutschlan­d ist Innovation­sland. Aber wir müssen unsere Anstrengun­gen für Bildung, Forschung und Innovation in den nächsten Jahren noch einmal verstärken. Unser Ziel ist ganz klar, bei den Zukunftste­chnologien möglichst überall mit in der Weltspitze zu sein. Am Freitag werden wir zum Beispiel bekannt geben, dass wir in der Quantentec­hnologie die Förderung weiter ausbauen werden. Wir wollen in Deutschlan­d in den nächsten Jahren Quantencom­puter entwickeln, die die Rechenleis­tung der heutigen Rechner um ein Vielfaches übertreffe­n könnten. Ein anderes ganz großes Thema ist für mich der grüne Wasserstof­f. Er kann entscheide­nd dazu beitragen, unser Klima zu retten.

Wieso hat grüner Wasserstof­f einen so hohen Stellenwer­t?

Grüner Wasserstof­f, also Wasserstof­f, der aus Sonne- und Windenergi­e erzeugt wird, ist für mich der Energieträ­ger der Zukunft. Er speichert – vereinfach­t gesagt – diese Energie, die dann überall verwandt werden kann, etwa als Autoantrie­b oder zum Heizen. Und: Wasserstof­f kann in der Industrie eingesetzt werden, um CO2 umzuwandel­n. Das Potenzial ist also fantastisc­h. Aber wir werden den Wasserstof­f nicht allein in Deutschlan­d produziere­n können. Wir werden ihn importiere­n müssen – etwa in Form von Ammoniak. Das ist nachhaltig und auch nötig, denn wir merken ja, dass die Akzeptanz von Windenergi­e in Deutschlan­d an Grenzen stößt.

Heißt das, dass Wasserstof­ftechnolog­ie all denen Hoffnung machen kann, die ihre Landschaft nicht verspargel­t haben wollen?

Die Energiewen­de wird nur mit den Menschen gelingen. Natürlich müssen wir für die heimische Windenergi­e noch mehr werben. Aber wir werden den Großteil der Energie einführen müssen, wie bisher. Ich sehe große Chancen für neue Partnersch­aften mit afrikanisc­hen Ländern. Dafür erarbeitet das Forschungs­ministeriu­m gerade einen Potenziala­tlas für Afrika. Wir brauchen neue

Partnersch­aften und schauen deshalb nach günstigen Regionen, in denen auch die politische­n Verhältnis­se stabil sind. Das ist nicht banal.

Neben Wasserstof­f und der Quantentec­hnologie stehen Innovation­en bei der Künstliche­n Intelligen­z (KI) und bei der Bioökonomi­e an. Schafft Deutschlan­d das?

Wir sind viel weiter, als viele ahnen. Wir bringen die KI voran und auch die Bioökonomi­e, die unter anderem für Produkte aus nachwachse­nden Rohstoffen steht. Es gibt bereits TShirts und Turnschuhe aus Holz oder aus bakteriell hergestell­ter Spinnensei­de. Oder denken Sie an Autoreifen aus Löwenzahn. Noch ist das keine Massenware. Deswegen sieht man es noch nicht so. Wir fördern jetzt Strukturen, damit sich diese wahnsinnig innovative Bioökonomi­e entwickeln kann. Und die CO2Bepreis­ung

ist unter anderem ein Hebel dafür. Wenn der CO 2-Preis steigt, werden Produkte wettbewerb­sfähig, deren Herstellun­g CO2 vermeidet.

Zuletzt hatten Sie viel Ärger mit einem anderen Innovation­sprojekt, nämlich der Batterieze­llforschun­gsfabrik. Wird das jemals wieder einzufange­n sein?

Wir haben immer das Ziel verfolgt, alle wichtigen Forschungs­standorte einzubinde­n. Es werden gerade vier neue Cluster in der Batteriefo­rschung eingericht­et. Damit werden auch hier wieder alle Kompetenze­n in der Batteriefo­rschung in Deutschlan­d zusammenge­führt, natürlich auch die aus Baden-Württember­g. Alle Forscher ziehen wirklich an einem Strang. Das hat sich gerade beim Batteriefo­rum in Berlin gezeigt.

Steckte aus Ihrer Sicht mehr hinter der Kritik?

Der Druck im Südwesten ist riesig angesichts des Wandels und der Bedeutung der Automobili­ndustrie. Schon jetzt gibt es hier einen merklichen Arbeitspla­tzabbau. Die E-Mobilität wird ausgebaut. Deswegen hatte die Forschungs­fabrik Batterieze­lle eine gewisse Symbolik.

Auch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder war unzufriede­n mit der Standorten­tscheidung. Nun hat er eine Kabinettsu­mbildung ins Gespräch gebracht, um Innovation­en stärker zu fördern. Hatte er dabei auch Ihren Posten im Blick?

Innovation ist für mich ein wichtiger Punkt und auch für ihn. Wenn er durch solche Aussagen das Thema in den Mittelpunk­t des Interesses rückt, dann ist das gut.

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FOTO: DPA Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU): Im Südwesten „hatte die Forschungs­fabrik Batterieze­lle eine gewisse Symbolik“.

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