Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Aktionsplan gegen das Virus
Was Bürger im Südwesten wissen sollten – Fünfter Fall in Bayern
STUTTGART - Keine Panik vor dem Coronavirus: Das ist die zentrale Botschaft, die Gesundheitsminister Manfred Lucha und das Landesgesundheitsamt in Stuttgart an die Bürger im Südwesten richten. „Die Gefahr, dass Sie jemandem begegnen in ihrer Nachbarschaft, der mit dem Coronavirus infiziert ist, tendiert zu 0,x“, sagte Lucha am Donnerstag bei einem Pressegespräch im Landesgesundheitsamt. Nach wie vor sei in Baden-Württemberg keine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen worden. Derzeit würden im Südwesten Proben von 14 Personen auf das Virus überprüft, bisher wurde der Erreger aber in keiner Probe entdeckt.
Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen in Bayern ist dagegen auf fünf gestiegen. Ein Patient aus dem Landkreis Traunstein habe sich mit dem Virus infiziert, teilte das Gesundheitsministerium am Donnerstagabend mit. Es handelt sich erneut um einen Mitarbeiter der Firma Webasto, bei der auch die vier bislang bekannten Fälle beschäftigt sind.
Bei keinem der zu überprüfenden Fälle in Baden-Württemberg handelt es sich um Verdachtsfälle – sondern laut Landesgesundheitsamt nur um Fälle „unter weiterer Beobachtung“. Ein Patient gilt nur dann als Verdachtsfall, wenn er erstens an den unteren Atemwegen erkrankt ist – und wenn er zweitens kürzlich in die chinesische Provinz Hubei gereist ist, in der das Virus Anfang Januar ausgebrochen war.
Seit Dienstagnachmittag hat das Landesgesundheitsamt eine Diagnostik für das Coronavirus etabliert. Das heißt: Der Erreger kann seither im Labor in Stuttgart nachgewiesen werden. Das passiert in einer sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Das Verfahren ermöglicht nach etwa fünf Stunden einen Befund. Im Zweifelsfall, also wenn der Verdacht trotz negativen Befunds bleibt, wird die Diagnostik wiederholt. Bis zu 90 Proben können dort gleichzeitig getestet werden. „Wir sind richtig gut aufgestellt“, sagte Lucha zur Situation. Man stehe in ständigem Austausch mit den Bundesbehörden.
So ruhig die Lage momentan ist: Das Risiko, dass nach den ersten Fällen in Deutschland weitere Ansteckungen mit dem Coronavirus nachgewiesen werden, ist hoch. Das bestätigte Stefan Brockmann, Leiter des Kompetenzzentrums Gesundheitsschutz am Landesgesundheitsamt. „Da wird sicherlich noch was nachkommen“, sagte Brockmann, darunter könnten auch Fälle in Baden-Württemberg sein. Brockmann sagte aber auch: „Wir haben hier keine Veranlassung dazu, uns übermäßig Sorgen zu machen.“Das Risiko für die Bevölkerung werde als „sehr gering“eingeschätzt. Bei allen bisher in China bekannten Todesfällen hätten die Infizierten außerdem vorher schon eine Grunderkrankung gehabt. „Wir wollen nicht jeden Menschen, der chinesisch aussieht und hustet, hier untersuchen“, sagte dazu Isolde Piechotowski, Infektionsschutzreferentin
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aus dem Gesundheitsministerium.
Brockmann verwies auf die in Bayern infizierten Menschen, die nach Angaben des behandelnden Chefarzts symptomfrei und somit gesund sind. Im Freistaat hatten sich vier Personen angesteckt: drei Männer und eine Frau, alle sind Beschäftigte des Autozulieferers Webasto aus Gauting. 110 Kontaktpersonen aus der Firma werden dieser Tage auf das neuartige Virus getestet. Bis Donnerstagnachmittag lagen Ergebnisse für 17 Kollegen der Infizierten vor: alle negativ. Weitere Testergebnisse sollen voraussichtlich an diesem Freitag vorliegen. Wer mit den Infizierten zu tun hatte, soll sich freiwillig in eine Art Quarantäne begeben. Die bayerischen Gesundheitsämter prüfen, wer neben den 110 Kollegen etwa im privaten Umfeld Kontakt zu den Patienten hatte.
Minister Lucha sagte erneut, dass die Auswirkungen der Grippewelle deutlich stärker seien als die des Coronavirus. Trotzdem sei es wichtig, dass sich im Südwesten der Erreger nicht verbreite – um gerade Menschen mit Vorerkrankung vor der Gefahr zu schützen. Sollte bei jemandem in Baden-Württemberg das Virus nachgewiesen werden, würde das Landesgesundheitsamt die Koordinierung übernehmen. Der betroffene Patient selbst würde durch einen Vorraum oder eine Schleuse in ein Isolierzimmer gebracht, täglich getestet – und entlassen, sobald das Virus in seinem Körper nicht mehr nachweisbar ist.