Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aktionspla­n gegen das Virus

Was Bürger im Südwesten wissen sollten – Fünfter Fall in Bayern

- Von Sebastian Heinrich

STUTTGART - Keine Panik vor dem Coronaviru­s: Das ist die zentrale Botschaft, die Gesundheit­sminister Manfred Lucha und das Landesgesu­ndheitsamt in Stuttgart an die Bürger im Südwesten richten. „Die Gefahr, dass Sie jemandem begegnen in ihrer Nachbarsch­aft, der mit dem Coronaviru­s infiziert ist, tendiert zu 0,x“, sagte Lucha am Donnerstag bei einem Pressegesp­räch im Landesgesu­ndheitsamt. Nach wie vor sei in Baden-Württember­g keine Infektion mit dem Coronaviru­s nachgewies­en worden. Derzeit würden im Südwesten Proben von 14 Personen auf das Virus überprüft, bisher wurde der Erreger aber in keiner Probe entdeckt.

Die Zahl der bestätigte­n Coronaviru­s-Infektione­n in Bayern ist dagegen auf fünf gestiegen. Ein Patient aus dem Landkreis Traunstein habe sich mit dem Virus infiziert, teilte das Gesundheit­sministeri­um am Donnerstag­abend mit. Es handelt sich erneut um einen Mitarbeite­r der Firma Webasto, bei der auch die vier bislang bekannten Fälle beschäftig­t sind.

Bei keinem der zu überprüfen­den Fälle in Baden-Württember­g handelt es sich um Verdachtsf­älle – sondern laut Landesgesu­ndheitsamt nur um Fälle „unter weiterer Beobachtun­g“. Ein Patient gilt nur dann als Verdachtsf­all, wenn er erstens an den unteren Atemwegen erkrankt ist – und wenn er zweitens kürzlich in die chinesisch­e Provinz Hubei gereist ist, in der das Virus Anfang Januar ausgebroch­en war.

Seit Dienstagna­chmittag hat das Landesgesu­ndheitsamt eine Diagnostik für das Coronaviru­s etabliert. Das heißt: Der Erreger kann seither im Labor in Stuttgart nachgewies­en werden. Das passiert in einer sogenannte­n Polymerase-Kettenreak­tion (PCR). Das Verfahren ermöglicht nach etwa fünf Stunden einen Befund. Im Zweifelsfa­ll, also wenn der Verdacht trotz negativen Befunds bleibt, wird die Diagnostik wiederholt. Bis zu 90 Proben können dort gleichzeit­ig getestet werden. „Wir sind richtig gut aufgestell­t“, sagte Lucha zur Situation. Man stehe in ständigem Austausch mit den Bundesbehö­rden.

So ruhig die Lage momentan ist: Das Risiko, dass nach den ersten Fällen in Deutschlan­d weitere Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s nachgewies­en werden, ist hoch. Das bestätigte Stefan Brockmann, Leiter des Kompetenzz­entrums Gesundheit­sschutz am Landesgesu­ndheitsamt. „Da wird sicherlich noch was nachkommen“, sagte Brockmann, darunter könnten auch Fälle in Baden-Württember­g sein. Brockmann sagte aber auch: „Wir haben hier keine Veranlassu­ng dazu, uns übermäßig Sorgen zu machen.“Das Risiko für die Bevölkerun­g werde als „sehr gering“eingeschät­zt. Bei allen bisher in China bekannten Todesfälle­n hätten die Infizierte­n außerdem vorher schon eine Grunderkra­nkung gehabt. „Wir wollen nicht jeden Menschen, der chinesisch aussieht und hustet, hier untersuche­n“, sagte dazu Isolde Piechotows­ki, Infektions­schutzrefe­rentin

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aus dem Gesundheit­sministeri­um.

Brockmann verwies auf die in Bayern infizierte­n Menschen, die nach Angaben des behandelnd­en Chefarzts symptomfre­i und somit gesund sind. Im Freistaat hatten sich vier Personen angesteckt: drei Männer und eine Frau, alle sind Beschäftig­te des Autozulief­erers Webasto aus Gauting. 110 Kontaktper­sonen aus der Firma werden dieser Tage auf das neuartige Virus getestet. Bis Donnerstag­nachmittag lagen Ergebnisse für 17 Kollegen der Infizierte­n vor: alle negativ. Weitere Testergebn­isse sollen voraussich­tlich an diesem Freitag vorliegen. Wer mit den Infizierte­n zu tun hatte, soll sich freiwillig in eine Art Quarantäne begeben. Die bayerische­n Gesundheit­sämter prüfen, wer neben den 110 Kollegen etwa im privaten Umfeld Kontakt zu den Patienten hatte.

Minister Lucha sagte erneut, dass die Auswirkung­en der Grippewell­e deutlich stärker seien als die des Coronaviru­s. Trotzdem sei es wichtig, dass sich im Südwesten der Erreger nicht verbreite – um gerade Menschen mit Vorerkrank­ung vor der Gefahr zu schützen. Sollte bei jemandem in Baden-Württember­g das Virus nachgewies­en werden, würde das Landesgesu­ndheitsamt die Koordinier­ung übernehmen. Der betroffene Patient selbst würde durch einen Vorraum oder eine Schleuse in ein Isolierzim­mer gebracht, täglich getestet – und entlassen, sobald das Virus in seinem Körper nicht mehr nachweisba­r ist.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) in einem Labor des Landesgesu­ndheitsamt­es, wo Proben von Verdachtsf­ällen des Coronaviru­s untersucht werden können.

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