Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Polizei will globalen Kampf gegen ’Ndrangheta

Behörden zufolge sind 498 Mafiabosse flüchtig

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ROM (dpa) - Die italienisc­he Polizei und Interpol haben zu einem weltweiten Angriff auf die Mafiaorgan­isation ’Ndrangheta aufgerufen, da diese eine globale Bedrohung sei. Derzeit seien 498 Mafiabosse flüchtig, erklärte die Polizei bei einer gemeinsame­n Veranstalt­ung mit Interpol-Generalsek­retär Jürgen Stock am Donnerstag in Kalabrien. Unter den Flüchtigen seien 134 Bosse der ’Ndrangheta, 55 würden internatio­nal gesucht.

Die ’Ndrangheta stammt aus der süditalien­ischen Region Kalabrien. „Die ’Ndrangheta ist eine globale Bedrohung und kein italienisc­hes, folklorist­isches und ländliches Phänomen“, betonten die Behörden. Sie habe mittlerwei­le in Deutschlan­d, Österreich, Frankreich, Spanien und Dutzenden anderen europäisch­en Ländern ein wichtiges Standbein – außerdem unter anderem in den USA, Kanada, Brasilien und in afrikanisc­hen Ländern. „Die ’Ndrangheta ist die größte, mächtigste und verzweigte­ste kriminelle Organisati­on der Welt.“

Die ’Ndrangheta basiert auf Familienba­nden und auf einem Blutschwur. Das führe zu einem extrem starken Zusammenha­lt der Organisati­on, teilte die Polizei mit. Von 1189 Informante­n von Mafiaorgan­isationen, die mit den Ermittlern kooperiere­n, stammen 42 Prozent von der Camorra (Neapel), 22 Prozent von der Cosa Nostra (Sizilien), 7 Prozent von der apulischen Mafia und 15 Prozent von der ’Ndrangheta. An der Spitze der pyramidenf­örmigen Organisati­on der ’Ndrangheta stünde ein „Santa“(Heiliger), dessen Identität nicht einmal die anderen Bosse kennen. Ihr Geld verdient die Organisati­on hauptsächl­ich mit dem Kokainhand­el. Sie infiltrier­t auch Behörden, Politik und Unternehme­n.

In Deutschlan­d macht die ’Ndrangheta vor allem in NordrheinW­estfalen und in Baden-Württember­g immer wieder Schlagzeil­en. In Duisburg wurden im August 2007 bei einer ’Ndrangheta-Fehde sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen. Anfang Dezember gab es in Deutschlan­d eine großangele­gte Razzia gegen die ’Ndrangheta, Dutzende Menschen wurden bei der Operation „Pollino“festgenomm­en.

Aus einer Anfrage der Grünen an die Bundesregi­erung geht hervor, dass die Zahl der Mitglieder, die der ’Ndrangheta in Deutschlan­d zuzurechne­n sind, bei geschätzte­n 800 bis 1000 Mitglieder­n liegt. Demnach sind sie vor allem in Baden-Württember­g, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen aktiv. „Die Bundesregi­erung teilt die Auffassung, dass die ’Ndrangheta eine sehr hohe globale Vernetzung aufweist“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage im Mai 2019. „Die (…) Aussage, die ’Ndrangheta sei die weltweit gefährlich­ste kriminelle Organisati­on, ist eine eher subjektive Einschätzu­ng und abhängig von den zugrunde gelegten Kriterien.“

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FOTO: INTERPOL/AP/DPA Interpol-Generalsek­retär Jürgen Stock.

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