Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Von „Vorstenhäu­ser“zum „Schäferhof“

Vor 50 Jahren übernimmt die Stadt das Ruder in der ehemaligen königliche­n Domäne

- Von Karoline Ploetz, Linda Egger und Roland Weiß

TETTNANG - Einst ein Stück Land mit einem Hofgut darauf, heute ein wichtiger Industries­tandort und eigener Tettnanger Stadtteil: Der Schäferhof hat eine bewegte Geschichte. Im Januar 1970 berichtete die „Schwäbisch­e Zeitung“über die 1300-jährige Vergangenh­eit des Schäferhof­s, der den ursprüngli­chen Namen „Vorstenhäu­ser“trug.

Ein großer Teil der Weilersied­lungen im heutigen Schäferhof wurde bereits im 8. und 9. Jahrhunder­t angelegt. Weitere Siedlungen, wie Argenhardt, Zimmerberg, Baumgarten und Oberhof, sind erst im 12. Jahrhunder­t bei Spätrodung­en entstanden. „Vorstenhäu­ser“befand sich zu dieser Zeit unter der Herrschaft des Fürstbisch­ofs von Konstanz. An diesen hatten die Bewohner jährlich Abgaben zu leisten – in Form von acht Mutt Korn (ein altes Hohlmaß für Getreide), drei Mutt Hafer, acht Hühnern und 100 Eiern.

Im Jahre 1291 entfremdet­e Graf Hugo III. von Montfort, der damals über Tettnang herrschte, dem Bischof einen großen Teil des Waldes, wozu auch der heutige Schäferhof gehörte. Er wurde sowohl zur eigenen Bewirtscha­ftung als auch als Lehen verwendet. Der Name „Schäferhof“tauchte 1743 erstmals auf. Graf Ernst von Montfort legte den ersten Hof an – das Areal wurde daher auch als „Ernstruhe“bekannt.

Unter dem Land, das die Montfortgr­afen im Jahr 1780 an Österreich verkauften, befand sich auch das Schäferhof-Areal. Ende des 18. Jahrhunder­ts wurde es an den Sohn einer alten Lindauer Familie verkauft. Es folgten weitere Verkäufe und Verpachtun­gen, bis der Schäferhof 1852 schließlic­h an die Königliche Württember­gische Hofkammer überging und in eine königliche Domäne umgewandel­t wurde.

Auf 75 000 Gulden belief sich der Kaufpreis. Dazu gehörten verschiede­nste Gebäude, ein Stall mit Scheune, ein Bierkeller, eine Brennerei, eine Mahlmühle, die Kapelle und das

Wohnhaus von St. Anna, sowie Gärten, Äcker, Weiher, Wiesen, Ödungen und Sandgruben.

In rascher Folge pachtetete­n dann mehrere Landwirte das Land. Kontinuitä­t kehrte mit Familie Landerer ein: Bis zum 1. Februar 1970 war der Schäferhof 60 Jahre lang im Besitz von Hans Landerer und seinem Sohn Jörg. Auch die Brauerei mit Wirtschaft, die zum Schäferhof gehörte, wurde bis September 1915 von ihnen bewirtscha­ftet.

„Der 1. Februar 1970 markiert in der Geschichte des Schäferhof­s zugleich ein Ende und einen Anfang. Nach 60 Jahren Hofbewirts­chaftung nun gehen die Landerers, was ja auch ein Echo weit über die engere Heimat hinaus auslöste“, beschreibt die SZ das damalige Pachtende. Anschließe­nd wurde der Schäferhof durch die Stadt Tettnang übernommen. Ab 1975 setzte die Wohnbebauu­ng ein – gleich zu Beginn mit 400 Wohnungen.

Heute ist der Schäferhof nicht nur ein wichtiges Wohngebiet für Tettnang, sondern mit ifm, Gaissmaier, dem Regionalwe­rk Bodensee, LTS Leuchten und weiteren Unternehme­n auch ein bedeutende­r Industries­tandort. Zusätzlich ist zwischen Oberhof und Schäferhof ein echter Verkehrskn­otenpunkt entstanden – ob dieser künftig durch einen Kreisverke­hr entschärft werden soll, wird derzeit noch diskutiert. Seit Kurzem hat der Schäferhof außerdem einen eigenen Kindergart­en – die Eröffnung steht unmittelba­r bevor.

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T Ob an der Kreuzung Schäferhof/Oberhof ein Kreisverke­hr entstehen soll, ist Teil der aktuellen Haushaltsd­iskussione­n.

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