Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Von „Vorstenhäuser“zum „Schäferhof“
Vor 50 Jahren übernimmt die Stadt das Ruder in der ehemaligen königlichen Domäne
TETTNANG - Einst ein Stück Land mit einem Hofgut darauf, heute ein wichtiger Industriestandort und eigener Tettnanger Stadtteil: Der Schäferhof hat eine bewegte Geschichte. Im Januar 1970 berichtete die „Schwäbische Zeitung“über die 1300-jährige Vergangenheit des Schäferhofs, der den ursprünglichen Namen „Vorstenhäuser“trug.
Ein großer Teil der Weilersiedlungen im heutigen Schäferhof wurde bereits im 8. und 9. Jahrhundert angelegt. Weitere Siedlungen, wie Argenhardt, Zimmerberg, Baumgarten und Oberhof, sind erst im 12. Jahrhundert bei Spätrodungen entstanden. „Vorstenhäuser“befand sich zu dieser Zeit unter der Herrschaft des Fürstbischofs von Konstanz. An diesen hatten die Bewohner jährlich Abgaben zu leisten – in Form von acht Mutt Korn (ein altes Hohlmaß für Getreide), drei Mutt Hafer, acht Hühnern und 100 Eiern.
Im Jahre 1291 entfremdete Graf Hugo III. von Montfort, der damals über Tettnang herrschte, dem Bischof einen großen Teil des Waldes, wozu auch der heutige Schäferhof gehörte. Er wurde sowohl zur eigenen Bewirtschaftung als auch als Lehen verwendet. Der Name „Schäferhof“tauchte 1743 erstmals auf. Graf Ernst von Montfort legte den ersten Hof an – das Areal wurde daher auch als „Ernstruhe“bekannt.
Unter dem Land, das die Montfortgrafen im Jahr 1780 an Österreich verkauften, befand sich auch das Schäferhof-Areal. Ende des 18. Jahrhunderts wurde es an den Sohn einer alten Lindauer Familie verkauft. Es folgten weitere Verkäufe und Verpachtungen, bis der Schäferhof 1852 schließlich an die Königliche Württembergische Hofkammer überging und in eine königliche Domäne umgewandelt wurde.
Auf 75 000 Gulden belief sich der Kaufpreis. Dazu gehörten verschiedenste Gebäude, ein Stall mit Scheune, ein Bierkeller, eine Brennerei, eine Mahlmühle, die Kapelle und das
Wohnhaus von St. Anna, sowie Gärten, Äcker, Weiher, Wiesen, Ödungen und Sandgruben.
In rascher Folge pachteteten dann mehrere Landwirte das Land. Kontinuität kehrte mit Familie Landerer ein: Bis zum 1. Februar 1970 war der Schäferhof 60 Jahre lang im Besitz von Hans Landerer und seinem Sohn Jörg. Auch die Brauerei mit Wirtschaft, die zum Schäferhof gehörte, wurde bis September 1915 von ihnen bewirtschaftet.
„Der 1. Februar 1970 markiert in der Geschichte des Schäferhofs zugleich ein Ende und einen Anfang. Nach 60 Jahren Hofbewirtschaftung nun gehen die Landerers, was ja auch ein Echo weit über die engere Heimat hinaus auslöste“, beschreibt die SZ das damalige Pachtende. Anschließend wurde der Schäferhof durch die Stadt Tettnang übernommen. Ab 1975 setzte die Wohnbebauung ein – gleich zu Beginn mit 400 Wohnungen.
Heute ist der Schäferhof nicht nur ein wichtiges Wohngebiet für Tettnang, sondern mit ifm, Gaissmaier, dem Regionalwerk Bodensee, LTS Leuchten und weiteren Unternehmen auch ein bedeutender Industriestandort. Zusätzlich ist zwischen Oberhof und Schäferhof ein echter Verkehrsknotenpunkt entstanden – ob dieser künftig durch einen Kreisverkehr entschärft werden soll, wird derzeit noch diskutiert. Seit Kurzem hat der Schäferhof außerdem einen eigenen Kindergarten – die Eröffnung steht unmittelbar bevor.