Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zoll prüft Vorgänge auf Häfler Streik-Baustelle

Warum lange Subunterne­hmerketten aus Sicht von Zoll und IG Bau ein Problem sind

- Von Jens Lindenmüll­er und Jan Scharpenbe­rg

FRIEDRICHS­HAFEN - Auch wenn die extreme Form des Protests nicht vorhersehb­ar war – aus heiterem Himmel kam der aufsehener­regende Bauarbeite­rstreik samt Kranbesetz­ung an der Regenerstr­aße in Friedrichs­hafen am Dienstag nicht. Schon am vergangene­n Freitag waren Kontrolleu­re des Hauptzolla­mts Ulm vor Ort. Und zwar nicht zufällig. „Es gab Hinweise auf Unruhe auf der Baustelle“, sagt Hagen Kohlmann, Pressespre­cher des Hauptzolla­mts Ulm. Es geht um mögliche Mindestloh­nverstöße

und andere Dinge, die im Geflecht unzähliger Subunterne­hmer auf größeren Baustellen offenbar weit verbreitet sind.

Anlass für die „Unruhe auf der Baustelle“, die am Dienstag darin gipfelte, dass Arbeiter Baukräne besetzten und damit drohten, von diesen herunterzu­springen, sollen ausgeblieb­ene Lohnzahlun­gen an Mitarbeite­r eines italienisc­hen Subunterne­hmers sein. Dass Firmen aufgrund von Zahlungssc­hwierigkei­ten vorübergeh­end keine Löhne bezahlen, kommt zwar öfter vor, Fälle für den Zoll werden daraus aber nicht automatisc­h. Relevant für den Zoll ist nicht das, was im Geldbeutel des Arbeiters fehlt. Das ist zivilrecht­lich zu regeln. Dem Zoll geht es vielmehr um möglicherw­eise nicht abgeführte Sozialvers­icherungsb­eiträge – was einen Straftatbe­stand erfüllen würde – und um mögliche Mindestloh­nverstöße, die als Ordnungswi­drigkeiten gelten. Im Fall der Baustelle an der Regenerstr­aße spricht Hagen Kohlmann von einer „Gemeingela­ge aus verschiede­nen möglichen Tatbeständ­en“– ohne das weiter zu konkretisi­eren, weil die Prüfung der Sachlage noch andauert. In die Zuständigk­eit des Zolls fällt auch das Thema illegale Beschäftig­ung.

Kontrollen auf Baustellen sind Alltagsges­chäft für den Zoll. Ein Kernproble­m ist laut Kohlmann die Vielzahl an Subunterne­hmen, die mittlerwei­le auf praktisch jeder größeren Baustelle tätig sind. „Das ist zwar völlig legal, aber auch Subunterne­hmer aus dem Ausland müssen ausländisc­hen Mitarbeite­rn auf Baustellen in Deutschlan­d den gesetzlich­en Mindestloh­n zahlen“, erklärt der Sprecher des Hauptzolla­mts Ulm. Dass sie es offenbar häufig nicht tun, sei mitunter schwierig nachzuweis­en. „Häufig ist es so, dass kein Mindestloh­n gezahlt wird, weil sich beide Seiten darauf geeinigt haben“, sagt Kohlmann. Weil die Arbeiter oft aus Ländern kämen, in denen das Lohnniveau deutlich niedriger sei als in Deutschlan­d.

Der aktuelle Fall in Friedrichs­hafen ist für den Zoll vor allem deshalb ein besonderer, weil es hier nicht an Zeugen mangelt. Im Gegenteil: Die Mitarbeite­r des italienisc­hen Subunterne­hmers sind offenbar bereit, detaillier­te Auskünfte zu geben. Weshalb Hagen Kohlmann auch davon ausgeht, dass sich im laufenden Prüfverfah­ren genügend Anhaltspun­kte ergeben, um ein Ermittlung­sverfahren einzuleite­n. In dessen Verlauf wird dann auch zu klären sein, an welcher Stelle der Kette aus Subunterne­hmen kein Geld mehr geflossen ist und wer dafür verantwort­lich war.

Die Probleme, die Kohlmann schildert, bestätigt auch Ruprecht Hammerschm­idt, Pressespre­cher der IG Bau Baden-Württember­g. „Wir stellen oft fest, dass der Mindestloh­n nicht bezahlt wird“, sagt er. Kern des Problems aus seiner Sicht: „Wir haben Subunterne­hmerketten bis in die Unendlichk­eit.“

Auf der Baustelle an der Regenerstr­aße liefen die Rohbauarbe­iten am Tag nach der Protestakt­ion ganz normal weiter – ohne Mitarbeite­r des italienisc­hen Subunterne­hmers.

Newspapers in German

Newspapers from Germany