Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Hauk in der Höhle des Löwen
Wie der Landwirtschaftsminister Bauern den Artenschutz-Kompromiss vermitteln will
AILINGEN - Die Botschaft, die Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) den Bauern überbringen will, ist letztlich simpel: Die größten Zumutungen aus dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“hätten er und seine Leute abwenden können. Mehr als das Eckpunktepapier der Landesregierung zur Weiterentwicklung jener Initiative, die zwei Imker gestartet hatten, sei nicht drin gewesen. Das versucht der Minister in Ailingen bei Friedrichshafen geschätzten 500 Landwirten beizubringen. Doch in ihrer Masse wollen die etwas anderes hören: nämlich Worte zur uneingeschränkten Unterstützung der Agrarwirtschaft – am besten noch gefolgt von entsprechenden Taten. Zwei Welten treffen aufeinander.
Die Bauern sind wütend. Das ist am Donnerstagabend bereits beim Betreten der Ailinger Rotach-Halle zu spüren. Zuvor waren viele der Anwesenden demonstrativ mit ihren Traktoren auf den Parkplatz gefahren. „Das hat fast schon wie ein Panzeraufmarsch gewirkt“, sagt ein Beobachter. Hauk bekommt die Szene noch nicht mit. Er steckt auf der Straße fest. Droben in Stuttgart hat es wieder Staus gegeben. Zumindest steht der gelernte Förster aber pünktlich auf dem Podium. Seine Idee ist, bei den Bauern für das von ihm und Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) erarbeitete Eckpunktepapier zu werben. Hierfür war er kürzlich für eine ähnliche Veranstaltung unter anderem am Kaiserstuhl in Südbaden gewesen. Schon dort ist der Minister auf eine höchst aufgeregte Bauernschaft gestoßen.
Zum Auftakt versucht der Minister, die Anwesenden auf das Eckpunktepapier einzuschwören: „Wenn dieses Volksbegehren gekommen wäre, wäre es für die Landwirtschaft existenziell geworden“, ruft er in den Saal. Gegenwärtig seien 30 Prozent der Landesfläche in irgendeiner Form geschützt. Das Volksbegehren hätte vorgesehen, dass darauf keine Pflanzenschutzmittel mehr ausgebracht werden dürfen. „Ohne Pflanzenschutzmittel geht es aber nicht“, betont Hauk. Ein Satz, wie ihn das Publikum natürlich hören möchte. Dessen Begeisterung sinkt aber stetig, als der Minister den Weg zum Eckpunktepapier erklärt, einem Kompromiss, der zum Aussetzen des Volksbegehrens geführt hat.
Hierzu muss man wissen, dass die baden-württembergische Politik interessiert das höchst erfolgreiche bayerische Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt beobachtet hat – je nach Partei-Couleur natürlich mit unterschiedlichem politischen Ansatz. Als dann im Südwesten die entsprechende Initiative anlief, war klar: Die Initiatoren wollen weit mehr Restriktionen als ihre Gleichgesinnten im benachbarten Freistaat. So sollte es unter anderem auch für Biobauern ein Verbot für ökologische Pflanzenschutzmittel geben. Die Landesregierung in Stuttgart sah das Problem und fürchtete gleichzeitig, vom Volksbegehren überrollt zu werden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schritt ein, wie es heißt. Worauf das Eckpunktepapier erarbeitet werden konnte.
Hauk lobt den Entwurf, der später einmal Gesetz werden soll, über den grünen Klee: Die nun bis 2030 vorgesehene Reduzierung der Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent betreffe nun „alle Flächen, auch die Städte“. Alle seien aufgefordert, weniger Pestizide auszubringen. Das soll heißen, die Landwirtschaft muss im Vergleich zum Volksbegehren nur eine Teillast tragen. Nach Berechnungen des Ministers würde sich deshalb für die Bauern gar nicht viel ändern. Vom Tisch sei auch, dass künftig definitiv 40 bis 50 Prozent der Landwirtschaft biologisch betrieben werden solle. Nach der jetzt vorgesehenen Regelung müsse für derart erzeugte Produkte erst einmal ein Markt da sein.
Schließlich schmeichelt Hauk den Bauern: Beim Artenschutz sei „die Landwirtschaft Teil der Lösung und nicht Teil des Problems“. Es gibt Beifall aus der Menge. Rasch wird aber klar, dass viele der Anwesenden gerne wesentlich gewaltigere Pflöcke für ihren Berufsstand eingeschlagen hätten. Die Parole lautet Widerstand. Über soziale Medien sind offenbar zahlreiche Bauern zusätzlich dafür eingestimmt worden – so Informationen aus ihren Reihen. „Das Eckpunktepapier wird schön geredet. Wenn Hauk sagt, wir seien dazu gefragt worden, ist dies nicht der Fall“, schimpft etwa Bernhard Kitt, ein Obstbauer aus Überlingen.
Norbert Möhrle, ein Kollege aus der Salemer Gegend, meint: „Die Bauern haben es satt, Hauk zu wählen. Dem fehlt das Rückgrat.“Josef Metzler aus Markdorf glaubt sich zu erinnern, dass Hauk die Bauern angeblich schon beim Milchpreis im Stich gelassen hat. Wie so viele Anwesende vermisst er zudem eine allgemeine Wertschätzung für seine Arbeit.
Von anderen Landwirten folgen Hinweise, man achte doch schon seit Jahren auf den Artenschutz. Es sei ja bereits im eigenen wirtschaftlichen Interesse, nicht zu viel teure Pestizide auszubringen. Die Folgerung dazu: Der Eckpunkteplan sei so überflüssig wie ein Kropf. Ein Bauer, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will, sagt: „Schwätzen kann der Hauk gut. Mal sehen, ob er auch etwas umsetzen kann.“Sein Nachbar lässt wenigstens etwas Verständnis für die Mühen des Ministers durchblicken: „Wenn er es fertig bringt, die Eckpunkte umzusetzen, wäre es in Ordnung.“
Zumindest wirbt Hauk weiter. In Ailingen tut er es bis weit in die Geisterstunde nach Mitternacht hinein. Immer wieder versucht der Minister klarzumachen, dass das Eckpunktepapier die Landwirtschaft stütze. Ein ums andere Mal beziehen Bauern den Standpunkt, man hätte das Volksbegehren bekämpfen müssen – eben bis zu einem Sieg. Zu später Stunde wird dann auch Hauk mit rotem Kopf etwas harsch. Kein schöner Politikerabend. Am Wochenende steht für ihn die nächste Agrar-Veranstaltung in einem anderen Landesteil an.