Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wir sind die Guten
Das große Interesse, auf das die „Bunten Götter“in den USA und Großbritannien gestoßen sind, hat mit den aktuellen Debatten um gesellschaftliche Diversität zu tun. Die Ausstellung ist an den Universitäten Harvard und Oxford gezeigt worden. Vinzenz Brinkmann (Foto: Liebieghaus) ist gerade von Vortragsreisen von dort zurückgekehrt. Er fand sich an den Universitäten geradezu hymnisch gefeiert.
Das hängt damit zusammen, dass „schwarz, weiß und bunt“nicht nur Farbtöne bezeichnen, sondern im übertragenen Sinn auch auf Rassismus-Konzepte bezogen werden können. Brinkmann berichtet, dass tatsächlich in den Diskussionen zwischen farblicher und gesellschaftlicher Buntheit, zwischen Polychromie und Diversität, nicht unterschieden werde. Das Thema der Vielfarbigkeit griechisch-römischer Skulpturen und Tempel hat in den USA 2017 viel Aufmerksamkeit dadurch erfahren, dass die Archäologin Sarah Bond die Frankfurter Forschungsergebnisse in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ erwähnte – und daraufhin Morddrohungen erhielt.
Eine weitere Auswirkung besteht darin, dass Museen unter Druck gesetzt werden, das „korrekte“, farbige Bild antiker Exponate zu zeigen statt der marmor-weißen Köpfe. Diese werden als Manipulation gewertet, die eine Vorherrschaft des weißen Mannes zu repräsentieren beabsichtige.
Die Feldforschung zu den Farbspuren hat daher für Vinzenz Brinkmann den Nebeneffekt bekommen, an amerikanischen Universitäten als Vorreiter der Diversität wahrgenommen zu werden: „Wir sind da die Guten,“sagt der Professor. Eine Antwort darauf, warum das Wissen um die Farbigkeit der Antike im 20. Jahrhundert in Vergessenheit geriet, gibt Brinkmann nicht. Er vermeidet sie bewusst: „Dafür braucht es das Instrumentarium des Zeithistorikers.“In einem seiner Katalogbeiträge gibt er aber Hinweise darauf, dass die moderne Architektur gegenüber Ornament und Farbigkeit Misstrauen hegte und sich selber gerade über das Abschaffen von Ornament und Farben definiert hat. (man)