Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Unternehmen hoffen auf klare Vereinbarungen
Airbus, ZF und Rolls-Royce Power Systems verfolgen mit Argusaugen die Verhandlungen zum EU-Austritt
FRIEDRICHSHAFEN - Die Trennung ist vollzogen: Gut dreieinhalb Jahre nach dem Brexit-Votum haben die Briten die Europäische Union verlassen. Die „Schwäbische Zeitung“hat bei den großen Unternehmen vor Ort gefragt, welche Auswirkungen dieser historische Schritt für sie hat.
Auch wenn der Mutterkonzern Rolls-Royce in Großbritannien zu Hause ist, halten sich die finanziellen Auswirkungen für den in Friedrichshafen ansässigen Geschäftsbereich Power Systems in Grenzen. Das teilt Rolls-Royce Power Systems (RRPS) über seinen Sprecher Wolfgang Boller mit. „Wir haben uns gründlich auf den Brexit, in allen davon berührten Aspekten, vorbereitet.“
RRPS habe Vorkehrungen getroffen, um seine Kunden auch nach dem Brexit weiterhin pünktlich beliefern zu können und Lieferungen von Großbritannien nach Deutschland sicherzustellen. Auch wenn das Einkaufsvolumen seitens RRPS dort vergleichsweise gering sei.
Neben RRPS werfen auch Airbus und ZF weiterhin ein wachsames Auge auf die anstehenden Verhandlungen zwischen Brüssel und London. Die nächsten elf Monate seien für das künftige Verhältnis zwischen EU und Großbritannien entscheidend. So lange gilt eine Übergangsfrist. Diese besagt, dass Großbritannien bis Ende dieses Jahres im Binnenmarkt und in der Zollunion verbleibt.
Aus Sicht der ZF ist dabei wichtig, welche Regelungen getroffen werden und wie sich diese auf die Wirtschaftsbeziehungen und die Geschäfte des Unternehmens auswirken. „Wir verfolgen diese Entwicklung sehr genau, um parallel dazu unsere Prozesse an die neue Situation anzupassen“, teilt ein ZF-Sprecher mit. Für die Zukunft benötigen die ansässigen Unternehmen einen klaren und verlässlichen Handlungsrahmen. Sollten sich die Parteien bis Ende 2020 allerdings nicht geeinigt haben, werde ein ungeregelter Brexit immer wahrscheinlicher. Dass dieser weiterhin im Raum steht, sorgt bei Airbus nach wie vor für Unruhe, teilt ein Unternehmenssprecher mit: „Wir werden das als verantwortungsbewusstes Unternehmen im Blick behalten.“Allerdings dürfte die Tatsache, dass Großbritannien weiterhin Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation ESA bleibt, wohl für etwas Entspannung in der Raumfahrtsparte des Unternehmens sorgen.
Alle drei Unternehmen hoffen künftig auf möglichst reibungslose Handelsflüsse zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, um Planungssicherheit für Geschäft, Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter zu erhalten.
Der Ausgang der Verhandlungen bleibt spannend. Denn bislang lehnt der britische Premierminister Boris Johnson eine Anbindung an EU-Regeln auch für die Zukunft ab. Brüssel hingegen hat bereits klar gemacht, dass es ohne einheitliche Standards zu Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und staatlichen Wirtschaftshilfen keinen Handel ohne zoll- und mengenmäßige Beschränkungen geben kann. Für RRPS werde das Vereinigte Königreich ab Januar 2021 ein weiteres Land außerhalb der EU sein. „So wie die meisten Länder, in die wir unsere MTU-Produkte liefern“, sagt Boller. Das Unternehmen pflege dort rege Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen Kunden, die beispielsweise Energieanlagen, Schiffsantriebe, Bahn-Powerpacks und demnächst auch Hybrid-Bahn-Powerpacks kaufen.