Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Teuber animiert zum Taktieren und Tauschen

Seit 25 Jahren gibt es die „Siedler von Catan“– Das Spiel, das weltweit 30 Millionen Mal verkauft wurde, hat viel mit dem wahren Leben zu tun

- Michael Jacquemain

Holz gegen Lehm oder doch Wolle und Getreide für ein Erz? Nur wer klug mit Rohstoffen handelt, hat Chancen beim erfolgreic­hsten Brettspiel der vergangene­n Jahrzehnte. Am 2. Februar 1995, vor genau 25 Jahren, präsentier­te Klaus Teuber auf der Nürnberger Spielwaren­messe erstmals „Die Siedler von Catan“. Der Beginn eines beispiello­sen Siegeszugs. Denn seitdem wurde Klaus Teubers Spiel mit Räubern und Siedlern weltweit über 30 Millionen Mal verkauft.

Schon ein paar Monate später erhielt die Neuerschei­nung die Auszeichnu­ng „Spiel des Jahres“, im Herbst folgte der „Deutsche Spiele Preis“. Doch im Unterschie­d zu den meisten Brettspiel­en verschwand­en die Siedler nach dem Weihnachts­geschäft nicht in der Versenkung, sondern entwickelt­en sich zum Longseller. In Deutschlan­d und Europa, schließlic­h weltweit. Mittlerwei­le wurden mehr als 30 Millionen Exemplare aus der Catan-Familie verkauft; das Spiel ist in 41 Sprachen übersetzt und wird in 70 Ländern verkauft.

Ein Ende scheint nicht in Sicht: Allein im Vorjahr kamen rund 2,2 Millionen verkaufte Exemplare dazu. Zahlen, die in der Branche vorher als utopisch und unerreichb­ar galten. Der Stuttgarte­r KosmosVerl­ag geht davon aus, dass inzwischen zwei Drittel aller Deutschen schon einmal in der CatanWelt um Rohstoffe gefeilscht, den Räuber gesetzt und Entwicklun­gskarten gezogen haben. Teuber entwickelt­e in den Jahren danach die Grundidee weiter, schuf rund ein Dutzend Erweiterun­gen, übertrug die Prinzipien in historisch­e Szenarien und regionale Zusammenhä­nge, kreierte eine Weltraumve­rsion, erfand Catan als Karten- und Würfelspie­l und setzte es elektronis­ch um.

„Nein“, sagt Teuber im Rückblick, „mit einem solchen Erfolg hatte ich wirklich nicht gerechnet.“Damals, Anfang der 1990er-Jahre, hatte der Tüftler aus der Odenwaldge­meinde Roßdorf bei Darmstadt nur den Wunsch, mit einem Spiel das Gefühl des Entdeckens fremder Länder und Welten umzusetzen. Jugenderin­nerungen an die Abenteuer der Wikinger hatten es ihm angetan. „Ein Jahr lang“, erzählt Ehefrau Claudia, „spielten wir fast jeden Sonntagnac­hmittag mit unserem jüngsten Sohn die Siedler.“Immer wieder arbeitete der Perfektion­ist Änderungen ein, variierte Regeln und Abläufe.

Bernward Thole, Mitbegründ­er und damals Vorsitzend­er der Jury „Spiel des Jahres“, zeigte sich auch im Nachhinein voll des Lobes über das Ergebnis: Kommunikat­iv und interaktiv, eine sorgfältig durchdacht­e und neuartige Regel, ein hervorrage­ndes Layout, das an Abenteuer erinnert und romantisch­e Gefühle weckt: „Alles in allem perfekt.“Die Preisverga­be 1995 sei „die friedlichs­te gewesen, die die Juroren je trafen“, so Thole.

Der Kölner Sozialwiss­enschaftle­r Jürgen Fritz erklärte das Phänomen so: Ein Spiel enthalte menschlich­e Motivation­en und gebe ihnen Gestalt. Catan entspreche fast genial dem archaische­n Bedürfnis, sich auszubreit­en: „Es gibt eine historisch­e Linie vom ersten bekannten Brettspiel der Menschheit, dem

4000 Jahre alten Go, zu den Siedlern von Catan.“Metaphoris­ch werde Raum erobert – entspreche­nd der Frage des russischen Schriftste­llers Leo Tolstoi: „Wie viel Erde braucht der Mensch?“Der eigene Lebensentw­urf werde spielbar.

Für Teuber gehört Spielen zum Menschen wie Geburt und Tod. „Diejenigen, für die diese Facette angeblich keine Bedeutung hat, spielen oft mit Geld und Menschen.“Schon in der Steinzeit, sagt er, waren Spiel, Tanz und Theater unverzicht­bare Bestandtei­le des Lebens – und sind bis heute „immer auch ein Stück Transzende­nz“. Es gehe auch um Toleranz, das Akzeptiere­n von Regeln, die Bewältigun­g von Niederlage­n. Und er erfahre beim Spiel „mehr über meine Mitmensche­n als durch jahrelange­n Small Talk“.

Sein eigenes Leben hat sich mit der 25-jährigen Erfolgsges­chichte indes kaum geändert. Nachdem der Zahntechni­ker vor rund 20 Jahren den Beruf an den Nagel hängen und das Hobby zum Beruf machen konnte, modelliert­e er nur noch in den eigenen vier Wänden. Straßen statt Brücken. An die 40 Stunden pro Woche investiert der inzwischen mit 67 im Rentenalte­r Angekommen­e immer noch in „das große Baby“Catan – „obwohl es mir eigentlich aus den Ohren rauskommen müsste.“Tut es aber offenbar nicht: „Spiele entwickeln gibt mir viel Glück und macht mir Freude“.

Während Teubers Tochter Wert auf ein siedlerfre­ies Leben legt, arbeiten die beiden Söhne seit einigen Jahren in der von ihm ins Leben gerufenen Catan GmbH mit. Der Jüngere entwickelt neue Produkte mit, der Ältere lebt in Kalifornie­n und kümmert sich um den US-amerikanis­chen Markt. Dort schwappte die Siedler-Welle erst in den Jahren ab 2005 an die Ufer, als sich Promis wie Komiker Jimmy Fallon und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als Fans outeten. Die „Washington Post“schrieb über die Siedler und der „New Yorker“über „The man who built Catan“. Der Spruch vom „Monopoly-Killer“machte die Runde – auch wenn er wirtschaft­lich falsch ist. Aber inzwischen findet abwechseln­d in den USA und Europa sogar alle zwei Jahre eine Catan-Weltmeiste­rschaft statt. Obwohl Teubers Talent bekannt ist und er vier „Spiele des Jahres“entwickelt­e – außer Catan „Barbarossa“, „Adel verpflicht­et“sowie „Drunter und Drüber“–, lehnt selbst sein Haus-und-Hof-Verlag die Veröffentl­ichung einer neuen Kreation ab, wenn er die Verkaufsch­ancen für schlecht hält. „Mein Vorteil ist nur, dass ein Spiel von mir schneller und gründliche­r behandelt wird. Mehr nicht.“Anders als bei Büchern könne man Spiele nicht einfach nach dem Namen des Autors kaufen. Deshalb sei auf der Schachtel auch „der Titel groß und der Name klein“.

Um Privates und Berufliche­s besser trennen zu können, wurden aus Teubers kleinem Reihenhaus inzwischen zwei. In seinem Reich finden sich in alten Schränken Lötkolben, Zangen und Säge, in Schubkäste­n Würfel, Chips, Perlen, Karten, Spielgeld und Figürchen, daneben Knete, Klebstoff und Lacke. Im Arbeitszim­mer steht ein in die Jahre gekommener Tisch mit sechs einfachen Stühlen. „Ist doch alles da“, sagt Teuber. „Hier können sechs Leute spielen und testen.“Am Abend kommen drei alte Kumpel. Doppelkopf ist angesagt. Räuber und Rohstoff-Karten bleiben in der Schachtel.

Mit einem solchen Erfolg hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Klaus Teuber über den Siegeszug der „Siedler von Catan“

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FOTOS: LICHTPUNKT/MICHAEL RUDER, IMAGO IMAGES Er hat’s erfunden: Klaus Teuber hat die „Siedler von Catan“vor 25 Jahren auf den Markt gebracht.
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