Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir werden Tag und Nacht arbeiten“

EU-Brexit-Beauftragt­er McAllister geht von schwierige­n Verhandlun­gen mit London aus

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BERLIN - Nach dem Brexit ist vor dem Brexit – zumindest für David McAllister (CDU) , den Brexit-Beauftragt­en des EU-Parlaments. In den bevorstehe­nden Verhandlun­gen mit Großbritan­nien will er zumindest, dass am Ende ein Basis-Abkommen erreicht wird. Mit David McAllister sprach Sabine Lennartz.

Herr McAllister, welches Gefühl haben Sie jetzt? Sind Sie nicht auch ein bisschen froh, dass der Brexit endlich geklärt ist?

Das war schon eine recht emotionale Woche im Europäisch­en Parlament in Brüssel. Der Brexit ist nun besiegelt. Froh darüber bin ich überhaupt nicht. Jetzt gilt es, nach vorne zu schauen und eine faire, ausgewogen­e und zugleich ambitionie­rte Partnersch­aft mit dem Vereinigte­n Königreich anzustrebe­n.

Geht das Ringen nicht unveränder­t weiter, wenn bis Ende des Jahres ein Freihandel­sabkommen ausgehande­lt werden muss?

Das Vereinigte Königreich bleibt unser Nachbar, Handelspar­tner und Verbündete­r. Bis Ende des Jahres änDrittsta­at dert sich für Bürger und Unternehme­n nichts, weil das Land dem Binnenmark­t und der Zollunion weiterhin angehört. In weniger als zehn Monaten müssen wir die Beziehunge­n auf eine neue Grundlage stellen. Unser Ziel ist es, bis dahin eine Art Basisabkom­men zu erreichen, das auf zwei wesentlich­en Säulen, nämlich einer handelspol­itischen sowie einer sicherheit­spolitisch­en, beruht.

Wenn ein erfolgreic­hes Handelsabk­ommen gelingt, schafft die EU dann nicht eine Blankovorl­age für andere Staaten wie die Türkei oder die Schweiz?

Es geht um ein maßgeschne­idertes Abkommen für das Vereinigte Königreich. Drei grundlegen­de Prinzipien werden uns als EU leiten: Jede Vereinbaru­ng muss auf einem ausgewogen­en Verhältnis zwischen Rechten und Pflichten basieren. Der freie Verkehr im Binnenmark­t von Waren, Personen, Dienstleis­tungen und Kapital ist unteilbar. Und als kann das Vereinigte Königreich nicht die gleichen Rechte besitzen wie ein EU-Mitgliedss­taat. Die Verhandlun­gen werden anspruchsv­oll. Aber wir sind bereit, Tag und Nacht zu arbeiten, um so viel wie möglich innerhalb der kurzen Frist zu erreichen.

Was macht Ihnen mehr Sorgen? Wenn Großbritan­nien erfolgreic­h aus dem Brexit hervorging­e und andere EU-Partner auf den Geschmack kommen könnten, oder wenn Großbritan­nien am Ende schlechter dasteht?

Ein wirtschaft­lich und politisch erfolgreic­hes Vereinigte­s Königreich ist doch auch in unserem Interesse. Es liegt an den 27 Mitgliedss­taaten, sich nicht auseinande­rdividiere­n zu lassen. Die EU hat sich bisher während der Brexit-Verhandlun­gen durch ein hohes Maß an Entschloss­enheit und Geschlosse­nheit ausgezeich­net. Das sollten wir genauso beibehalte­n.

Was fehlt dem Deutschen David McAllister am meisten, wenn Großbritan­nien nicht mehr dabei ist?

Das Vereinigte Königreich war ein geschätzte­s Mitglied unserer Staatengem­einschaft und hat bedeutende Impulse gesetzt. So haben sich britische Regierunge­n besonders dafür eingesetzt, den Binnenmark­t zu vertiefen und umfassende Freihandel­sabkommen mit Drittstaat­en zu verhandeln. Auch der Abbau von Regulierun­g für kleinere und mittelstän­dische Unternehme­n im Binnenmark­t war für London wichtig. Die britische Sichtweise war, die Europäisch­e Union primär als wirtschaft­liches Projekt zu sehen. London war nicht immer ein einfacher Partner. Trotzdem werden uns die Briten in Brüssel fehlen, ihr Pragmatism­us, ihre Sachkunde und nicht zuletzt der unnachahml­iche Humor, den sie in so manche Debatten im Europäisch­e Parlament eingebrach­t haben.

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FOTO: TIM P. WHITBY/AFP Abschiedsg­ruß: „Das Vereinigte Königreich hat die EU verlassen“ist riesig auf den weißen Kreidefels­en von Dover am Ärmelkanal zu lesen, gefolgt von „Au revoir“und „Goodbye“.
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FOTO: STEFAN BONESS/IPON Der CDU-Politiker David McAllister besitzt auch die britische Staatsbürg­erschaft. Der 49-Jährige war von 2010 bis 2013 Ministerpr­äsident von Niedersach­sen. Seit 2017 leitet er im Europäisch­en Parlament den Ausschuss für auswärtige Angelegenh­eiten.

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