Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Leben in der pfälzische­n Quarantäne­station

115 China-Rückkehrer sind in einer Kaserne untergebra­cht – Zwei davon haben sich mit dem Coronaviru­s infiziert

- Von Wolfgang Jung

GERMERSHEI­M/FRANKFURT (dpa) - Die schlechte Nachricht aus Frankfurt erreicht den Quarantäne-Block 4 der Südpfalz-Kaserne in Germershei­m am frühen Morgen. Während sich viele der 115 Rückkehrer aus China noch von den Strapazen der langen Reise erholen, isoliert das Deutsche Rote Kreuz zwei von ihnen. Die beiden Erwachsene­n waren nach ihrer Ankunft mit einer Bundeswehr­maschine am Vortag in Frankfurt positiv auf das Coronaviru­s getestet worden, das Ergebnis kam am Sonntag. „Gefasst“hätten sie auf den Befund reagiert, sagt ein Sprecher der Luftwaffe. Ein Spezialkra­nkenwagen bringt sie in das Unikliniku­m Frankfurt.

Es sei richtig gewesen, dass man sich für eine zentrale Unterbring­ung der Rückkehrer entschiede­n habe, sagt Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) am Sonntag. Die Menschen würden in der Kaserne gut versorgt und medizinisc­h begleitet. 11 der insgesamt 126 aus China zurückgeke­hrten Passagiere waren sofort vom Flughafen Frankfurt aus in die Uniklinik der Stadt gekommen. Darunter waren ein Verdachtsf­all, der sich nicht bestätigt hat, und zehn weitere Menschen. Es sei einigen einfach nicht gut gegangen, es sei eine sehr lange Reise gewesen, sie seien zur Stunde noch in der Klinik, sagte Spahn, ohne konkrete Gründe zu nennen.

Erst in der Nacht waren die 115 anderen Rückkehrer nach ihrer Reise über Helsinki und Frankfurt in Germershei­m angekommen. Mit Mundschutz und in Bussen mit der Aufschrift „Sonderfahr­t“passierten die Menschen aus der besonders von der neuen Lungenkran­kheit betroffene­n Stadt Wuhan die bewachten Tore der Südpfalz-Kaserne. Der Stützpunkt eines Luftwaffen­ausbildung­sbataillon­s rund 100 Kilometer von Frankfurt

entfernt gilt bei den Behörden als ideal für eine solche Quarantäne. Der Militärkom­plex am Rande der Stadt mit rund 20 000 Einwohnern verfügt unter anderem über ein neues Gebäude mit geeigneten Räumen.

Tatsächlic­h glänzt der Quarantäne-Block vor Frische. „Das Gebäude wurde erst 2018 fertiggest­ellt“, sagt Hauptmann Josef Vollmer vor dem Haus mit der aufgemalte­n Zahl 4. Der Bau war bisher unbewohnt. Jetzt ist ein kleiner Raum mit Etagenbett und ein Badezimmer mit Handtuchwä­rmer für zunächst zwei Wochen das „Zuhause“der Rückkehrer. Den Zimmern mit Internet, Kühlschran­k und Flachbildf­ernseher ist der neue Zustand anzusehen. Das Verlassen des Gebäudes ist möglich, in einigem

Abstand grenzt aber ein Zaun mit Sichtschut­z das Areal ein.

Im Haus sollen sich die Rückkehrer mit Mundschutz bewegen und vor und nach Verlassen der Gemeinscha­ftsräume die Hände desinfizie­ren. Die Betreuerin­nen und Betreuer tragen besondere Schutzmask­en.

Dutzende Menschen auf begrenztem Raum: „Die größte Gefahr ist der Lagerkolle­r“, hatte Michael Sieland vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) vor der Ankunft der Rückkehrer gesagt. Die Organisati­on ist vor Ort zuständig, auch für den Kontakt im Quarantäne-Block. „Die Betreuung in der roten Zone übernehmen 27 Freiwillig­e des DRK“, sagte Sieland. „Wir wollen die Menschen beschäftig­en, die wohl froh und erleichter­t über die Rückkehr sind.“Für die etwa zwei Dutzend Kinder liege Spielzeug bereit. Die rote Zone bezeichnet den Quarantäne-Block und das eingezäunt­e Areal unmittelba­r um dieses Gebäude. Sie ist abgesperrt und bleibt den Rückkehrer­n und den Betreuern vorbehalte­n.

An diesem Montag werden die 113 Verblieben­en erneut auf das Virus 2019-nCoV untersucht. Vorerst zwei Wochen sollen sie in Germershei­m bleiben. Bis zu 14 Tage dauert die Inkubation­szeit – die Frist von der möglichen Ansteckung bis zum Krankheits­ausbruch.

Wird in dieser Zeit eine Infektion entdeckt, müssen nicht alle Rückkehrer automatisc­h länger bleiben. „Die Menschen werden in vier Gruppen

eingeteilt. Wenn Merkmale einer Erkrankung auftauchen, muss nur die betroffene Gruppe bleiben – drei Gruppen können aber heimgehen“, hatte Landrat Fritz Brechtel (CDU) angekündig­t.

Und wie sehen die Bewohner der südpfälzis­chen Stadt die Quarantäne? Sprach man mit Menschen in den vergangene­n Tagen, also vor Bekanntwer­den der beiden Fälle, zeigten sich viele eher gelassen. Allerdings berichtete die Tageszeitu­ng „Die Rheinpfalz“auch, dass in den Apotheken die Verkaufsza­hlen für Atemschutz und Desinfekti­onsmittel in die Höhe geschnellt seien.

„Wir minimieren mit der Quarantäne das Risiko – es ist eine reine Vorsichtsm­aßnahme“, sagte der südpfälzis­che Bundestags­abgeordnet­e Thomas Gebhart am Samstag. Der CDUPolitik­er ist Parlamenta­rischer Staatssekr­etär beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. „Experten sagen: Das Virus ist nicht so aggressiv wie befürchtet. Die Gefahr für die deutsche Bevölkerun­g bleibt gering“, meinte Gebhart.

DRK-Mann Sieland zufolge steht auch eine fahrbare Arztpraxis bereit. „Wir haben einen Arzt mit Ebola-Erfahrung – und wir haben unsere 27 ehrenamtli­chen Mitarbeite­r, die freiwillig mit in Quarantäne gehen.“Einer von ihnen ist Oliver Talke. Dem 52-Jährigen aus dem Westerwald fiel die Entscheidu­ng nach eigenen Angaben leicht. „Für solche Einsätze tragen wir das DRK-Zeichen auf dem Ärmel“, sagt Talke an diesem grauen Februar-Tag.

Die Kosten für die Quarantäne übernimmt laut Staatssekr­etär Gebhart der Bund. Auch die überwiegen­den Kosten des Flugs der Maschine A310 „Kurt Schumacher“wird die Bundesregi­erung tragen. Die Passagiere müssen sich aber beteiligen, vermutlich müssen sie den Preis eines normalen Economy-Tickets von China nach Frankfurt bezahlen.

 ?? FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA ?? Ein Bus mit wegen des Coronaviru­s evakuierte­n Menschen kommt in der Nacht in einem Konvoi an der Kaserne Südpfalz der Bundeswehr an. Die Menschen tragen Atemschutz­masken.
FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Ein Bus mit wegen des Coronaviru­s evakuierte­n Menschen kommt in der Nacht in einem Konvoi an der Kaserne Südpfalz der Bundeswehr an. Die Menschen tragen Atemschutz­masken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany