Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Über die ‚heilende Wirkung‘ ehrlicher Freundscha­ft“

Hansjörg Nessensohn über seinen Debütroman und den Unterschie­d zwischen Drehbuch und Roman

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MECKENBEUR­EN - Er hat als Texter in einer Werbeagent­ur und als Drehbuchau­tor im Bereich „Daily Soap“gearbeitet. Mit der Veröffentl­ichung seines ersten Jugendroma­ns zeigt Hansjörg Nessensohn eine andere Facette. Am Mittwoch, 5. Februar, liest der gebürtige Meckenbeur­er in der Gemeindebü­cherei aus dem Jugendroma­n „Und dieses verdammte Leben geht einfach weiter“. Im Gespräch mit Redakteuri­n Anja Reichert geht es um die Entstehung­sgeschicht­e und Thematik des Romans, um unterschie­dliche Schreibfor­men und um Nessensohn­s Herangehen­sweise.

War es immer Ihr Ziel, einen Roman zu schreiben? Wann war der Entschluss da?

Im Nachhinein glaube ich, dass ich schon immer ein Buch schreiben wollte. Es hat nur etwas (berufliche) Erfahrung gebraucht, bis ich mich getraut habe, diesen Wunsch zu formuliere­n und in die Tat umzusetzen.

Ein Drehbuchau­tor arbeitet viel in der Gruppe, bekommt schnell eine Reaktion von Schauspiel­ern, Fernsehred­akteuren oder vom Regisseur. War die „Einsamkeit“des Schriftste­llers eine Herausford­erung für Sie?

Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Ruhe tat mir sogar ganz gut. Ehrlich gesagt, habe ich sie in der Zeit sogar gesucht. Durch sie war es meiner Meinung nach überhaupt erst möglich, dass ich meine Figuren gehört habe und sie ihr eigenes Leben entwickeln konnten.

Wie würden Sie die Hauptfigur­en im Roman, Jonas, Sunny und Timon, beschreibe­n?

Jonas, die Hauptperso­n der Geschichte, hat vor zwei Jahren einen eigentlich ziemlich kleinen Fehler gemacht, der jedoch dazu führte, dass sein Leben und das seiner Familie hinterher nicht mehr so war wie vorher. Und mit dieser Schuld auf den Schultern verwandelt­e er sich vom glückliche­n Teenager in einen jungen Mann, der von Selbstvorw­ürfen zerfressen ist und keine Hilfe zulässt. Bis Timon und Sunny in sein Leben treten und ihm vor Augen führen, dass es mit Freunden an seiner Seite immer einen Ausweg gibt. Sunny ist die perfekte Tochter, die ihren vermeintli­ch perfekten Eltern aus Angst vor Liebesentz­ug keinen Grund zum Klagen gibt. Bis jetzt, denn jetzt hat sie ein Geheimnis, das sie nicht nur die Liebe ihrer Eltern, sondern auch die Freundscha­ft zu Timon kosten könnte, würde es rauskommen. Timon hilft anderen, um möglichst wenig von sich preisgeben zu müssen. Dass ihn genau diese Verschloss­enheit daran hindert, seiner besten Freundin Sunny seine Liebe zu gestehen, wird ihm erst durch Jonas klar, dem er mit seinem ausgeprägt­en Helfersynd­rom das Leben rettet.

Laut Ihrer Homepage ist es „eine Geschichte über die Wunden der Vergangenh­eit und Begegnunge­n, die alles verändern. Nicht zuletzt ist es aber ein Buch über das Wichtigste im Leben: Freundscha­ften“. Wie kam die Idee zur Handlung?

Mir war schon länger klar, dass mein erstes Buch eine Geschichte über Freundscha­ft werden soll. Über die ‚heilende Wirkung‘ von ehrlicher und realer Freundscha­ft. Mir war aber auch klar, dass das noch keine Geschichte ist. Irgendwann las ich dann in der Zeitung einen Artikel über ein verschwund­enes Mädchen und plötzlich hatte ich Jonas vor Augen, den Bruder dieses Mädchens, der am Tiefpunkt seines Lebens ist und der vor allem eins braucht, um überleben zu können: Freunde. Und genau das war die Geschichte, nach der ich gesucht hatte.

Gehen Sie an Figuren anders heran, wenn Sie als Drehbuchau­tor für Schauspiel­er schreiben? Unterschei­den sich die Schreibfor­men?

Ich gehe nicht nur an die Figuren, sondern auch an die ganze Geschichte anders ran, wenn ich ein Buch schreibe. Ich plane zum Beispiel viel weniger und plotte nicht die ganze Story durch, um ja auf Seite 55 zu diesem und jenem Wendepunkt zu gelangen. Es ergibt sich einfach – oder auch nicht. Die Geschichte lebt und die Figuren leben auch. Beim Schreiben von TV-Drehbücher­n ist der Freiraum nicht so groß, weil zum Beispiel Formatanfo­rderungen und Zeiten eingehalte­n werden müssen.

Ein von Ihnen fertiggest­elltes Drehbuch ist ein Produkt, dass unter anderem von Schauspiel­ern zunächst noch „belebt“und dadurch vielleicht auch verändert wird. Der Roman bleibt das Endprodukt. Ihr Produkt. Macht das für Sie einen Unterschie­d?

Ich dachte bis zur Fertigstel­lung von „Und dieses verdammte Leben geht einfach weiter“, dass ich es wie ein fertiggest­elltes Drehbuch behandeln werde. Ich gebe das Produkt so gut wie möglich ab und was daraus wird, steht nicht mehr in meiner Verantwort­ung. Das war aber falsch gedacht, weil ich nach den ersten Rezensione­n kapiert habe, dass die mich meinen. Nur mich. Und dass es niemand mehr gibt, hinter dem oder der ich mich verstecken könnte. Ich bin also ziemlich froh, dass die Kritiken bislang sehr positiv sind.

Das Buch soll verfilmt werden?

Wenn es nur nach mir ginge, würde das Buch auf jeden Fall verfilmt werden. Mit der Drehbuchfö­rderung der

NRW Film- und Medienstif­tung bin ich diesem Vorhaben einen Schritt nähergekom­men. Einen Schritt von circa 90 weiteren. Auf jeden Fall schreibe ich gerade das Drehbuch zum Buch.

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FOTO: RUVEN BREUER Hansjörg Nessensohn liest in der Bücherei.

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