Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie sich Tettnang gegen die Kreisrefor­m stemmte

Autokennze­ichen als Protest: Warum es beinahe keinen Bodenseekr­eis gegeben hätte

- Von Esther Bauer

TETTNANG - SeitGAnfan­g des Jahres sind auf den Nummernsch­ildern vieler Fahrzeuge wieder die Kennzeiche­n TT und ÜB vertreten. Sie stammen ursprüngli­ch aus einer Zeit, als die beiden Gemeinden Tettnang und Überlingen noch unabhängig waren und einem eigenen Landkreis angehörten. Vor genau 50 Jahren wurden die ersten Diskussion­en um die Einführung eines Bodenseekr­eises geführt – doch der Widerstand war groß.

Denn schon damals sträubten sich viele gegen die sogenannte Kreisrefor­m. Im März 1970 begann eine lange Debatte um das Thema, am 1. Januar 1973 trat die Reform schließlic­h in Kraft.

Laut der „Schwäbisch­en Zeitung“vom 18. März 1970 formuliert­e der Kreistag Tettnang damals ein Angebot zum Zusammensc­hluss mit dem westlichen Nachbarkre­is Überlingen. Dieses Angebot war die Antwort auf das sogenannte Denkmodell der Landesregi­erung. Es heißt, mit diesem Angebot habe der Kreistag Tettnang im Jahr 1970 sein eigenes Requiem und das Requiem des Kreises gesungen.

Denn auch damals war die Diskussion um diesen „Bodensee-Großkreis“nicht neu. So hatten die Tettnanger schon in den Jahren 1924 und 1931 vehement gegen die Einverleib­ung Tettnangs durch den neuen Landkreis gekämpft. Doch mit der Debatte im Jahr 1970 und der Abstimmung, die eine Auflösung des Kreises Tettnang bedeutete, trat genau dieser Fall schließlic­h ein.

Allerdings war die Entscheidu­ng höchst umstritten. Und doch schien es damals unmöglich, diese Entwicklun­g

aufzuhalte­n: Der Kreis Tettnang war in der Debatte rund um die Kreistagsr­eform zum „kleinen David“geworden, der gegen die Landesregi­erung, die als „Goliath“bezeichnet wurde, keine Chance habe, hieß es damals in dem Bericht der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dass die Tettnanger diese Entscheidu­ng nicht gut aufnahmen, wurde schon bald danach durch die „lokalpatri­otische Buchstaben­kombinatio­n“auf den Straßen deutlich: Denn über Jahre hinweg war die Kombinatio­n FN-TT weit verbreitet. Durch die Wiedereinf­ührung der Altkreiske­nnzeichen können die Tettnanger heute auf diese Kombinatio­n verzichten und das TT darf stattdesse­n wieder am Anfang des Nummernsch­ilds stehen.

Doch auch der Weg zur Wiedereinf­ührung der Altkennzei­chen war kein leichter. Mehrmals scheiterte­n die Anträge in den vergangene­n Jahren im Kreistag. Erst im vierten Anlauf im Herbst 2019 stimmte die Mehrheit dem Antrag zu, sodass seit Januar 2020 die Altkreiske­nnzeichen wieder im Umlauf sind.

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T

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