Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Obdachlose trifft die Krise besonders hart
Mittagstisch und Aufenthaltsräume wegen Corona-Verordnungen geschlossen – Suppenküche angedacht
FRIEDRICHSHAFEN - Die Verordnungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus treffen die ärmsten Menschen in der Stadt besonders hart. So mussten in Friedrichshafen alle Aufenthaltsräume für Obdachlose geschlossen werden. Damit verbunden ist die Tatsache, dass es für die Wohnsitzlosen derzeit keine Verpflegung mit Mittagessen oder Frühstück gibt. Die mit dem Problem befassten Stellen beraten derzeit, wie ein neues Angebot, etwa eine Suppenküche, geschaffen werden kann.
„Obdachlose leiden vor allem darunter, dass sie nirgends essen können“, sagt Stadtdiakon Ulrich Föhr. Die Herberge für Wohnsitzlose im Industrieweg habe die Tagesstätte geschlossen, die städtische Obdachlosenunterkunft in der Keplerstraße biete kein Mittagessen mehr an, auch der Mittagstisch am Mittwoch im Gemeindehaus St. Nikolaus sei zu. „Wir überlegen gerade, ob wir deshalb etwas machen sollen“, sagt Föhr über die Versorgung der Obdachlosen mit Essen. Gespräche laufen mit Einrichtungen und der Stadt.
„Alle Plätze, an denen sich die Obdachlosen aufhalten und aufwärmen können, wie die Bahnhofsmission oder der Treffpunkt Teestube, fallen derzeit aus“, sagt Elke Bernhardt, Mitarbeiterin von der Herberge für Wohnsitzlose in Friedrichshafen. Die Einrichtung wird von der katholischen Kirche betrieben und vom Bodenseekreis finanziert. „Wir haben aber auch die Verantwortung für die Bewohner im Haus“, sagt sie, der Betrieb müsse aufrechterhalten werden. Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus sei die Tagesstätte deshalb geschlossen worden. Bislang lief der Betrieb hier montags bis freitags von 8 bis 14 Uhr, es gab Frühstück und Mittagessen. Aber: „Wenn Menschen in Not sind, kann man bei uns klingeln und wir versuchen, weiterzuhelfen.“Gerade habe man für eine obdachlose Frau eine private Unterkunft vermitteln können.
Laut Bernhardt arbeiten gerade alle Stellen in der Stadt, die mit dem Thema befasst sind, zusammen an dem Problem, wie man wieder ein warmes Essen, wenigstens eine Suppe,
anbieten könne. Für Details sei es noch zu früh. Sie glaubt, dass bis zu 20 Personen in der Stadt von dem Problem betroffen sind.
Viele Menschen wollen der Herberge derzeit ihre Hilfe anbieten, berichtet Bernhardt. „Wir sind berührt, wie viele an uns denken, denen ein Dankeschön“, sagt sie. So lange es aber keine konkrete Lösung gebe, sei es schwer zu helfen. Man könne die Herberge momentan am besten mit Geldspenden unterstützen. „Wir können dann ein Essen bezuschussen und helfen.“
„Wir wollen alles abfangen, was geht“, sagt Florian Nägele, Streetworker und Bereichsleiter bei der Arkade, die von der Stadt mit der Sozialarbeit
beauftragt wird. Momentan habe man die Aufenthaltsräume zwar schließen müssen. Das Angebot werde schließlich oft von Leuten im Rentenalter organisiert, die in Sachen Coronavirus zur Risikogruppe gehörten. „Und wir können die Leute momentan nicht nebeneinander sitzen lassen.“Nägele glaubt, dass momentan etwa zehn Personen in Friedrichshafen ausschließlich auf der Straße leben. „Wir haben ja das Glück, dass wir Unterkünfte für die Obdachlosen haben“, sagt er. Manche wollten aber vielleicht nicht in eine Unterkunft, manche hielten sich illegal auf und haben keinen Anspruch. Für die fällt das Mittagsessen jetzt weg. Für die geplante Suppenküche
müsse man geeignete Lösungen suchen, sagt Nägele. Man wolle den Virus ja nicht weiterverbreiten. Man müsse geeignete Räume finden.
„Unser Betrieb ist offen, wir sind als Streetworker weiter auf der Straße“, sagt Nägele über seine Arbeit. Man sei für die Leute da, halte aber die Regeln ein, etwa was Abstand und Hände desinfizieren betreffe. „Aber gerade in dieser Zeit jetzt ist Sozialarbeit gefordert“, sagt Nägele. Der Streetworker freut sich darüber, dass momentan alle Institutionen zusammenhalten, wie er sagt, und dass Anträge schnell und unkompliziert bearbeitet werden. „Das Interesse für die Bedürftigen ist da und die Hilfe kommt an“, sagt er. Auch Nägele will deshalb momentan keinen Aufruf an die Bevölkerung starten.
„Wir sind momentan gut versorgt.“Vertrauen in die Institutionen sei gefragt. Nägele sieht hier nicht nur die Stadt Friedrichshafen, sondern auch die umliegenden Kommunen und den Bodenseekreis in der Verantwortung bei der Versorgung von Obdachlosen. Das ist ihm wichtig zu sagen. Wer helfen will, kann sich an ihn persönlich wenden.
Wer Obdachlose in der Stadt unterstützen will, meldet sich direkt bei Streetworker Florian Nägele unter Telefon 0170 / 856 86 97.