Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ventil und Netzwerk: Hilfen am Telefon

Familientr­effs des Bodenseekr­eises organisier­en Telefonspr­echstunden

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FRIEDRICHS­HAFEN (ras) - Die Familientr­effs des Bodenseekr­eises, die in Vereinsträ­gerschaft, von den Kommunen oder dem Kreis betreut werden, haben ein Netzwerk gebildet und bieten eine Telefonspr­echstunde an. Dort anrufen können nicht nur Menschen, die bereits in Familientr­effs waren, sondern jede andere Familie oder Alleinerzi­ehende ebenfalls. Die Familientr­effs sind ansonsten derzeit geschlosse­n.

An den ersten elf Tagen der Telefonspr­echstunde wurden rund 70 Familien beraten, ihnen geholfen oder einfach nur zugehört. In der Regel geht es bei den Gesprächen um finanziell­e Nöte, Ideen für die Beschäftig­ung der Kinder, nötige Strukturen im Alltag oder Probleme und mögliche Lösungen bei getrennt lebenden Eltern. Gesundheit­ssorgen, Schwangers­chaftsbetr­euung, aber auch Ehekrisen und Beziehungs­probleme jeglicher Art sind da Thema. In einem Pressegesp­räch haben die Netzwerkko­ordinatori­n „Netzwerk Mobile – Frühe Hilfen und Kindeswohl­förderung“beim Landratsam­t, Lucia Beckesch, die Leiterin des Häfler Familientr­effs Insel, Corinna Sollbach, sowie der Sprecher des Landkreise­s, Robert Schwarz, eine erste Bilanz gezogen.

Das primäre Ziel der Familientr­effs ist der Aufbau von Netzwerken, um im unmittelba­ren Lebensumfe­ld der Familien schnell reagieren zu können und bisweilen auch präventiv Probleme zu verhindern. Bislang konnten die Einrichtun­gen damit soziale Kontakte fördern und Überforder­ungen entgegenwi­rken, die vor allem bei jungen Familien und Müttern mit Neugeboren­en oft zu sehen sind. „Familientr­effs stärken die Elternkomp­etenz in Erziehung und Alltag von Anfang an nachhaltig“, schreibt der Landkreis dazu. Vieles davon ist zurzeit jedoch nicht machbar, die Familientr­effs haben geschlosse­n, die Eltern aber sollen auf keinen Fall allein gelassen werden. Ihnen wird mit der Telefonber­atung ein Anknüpfung­spunkt an das Netzwerk gegeben und vermittelt, dass es da jemanden gibt, der oder die helfen kann. Trotz Corona sei man weiterhin erreichbar, sagt Corinna Sollbach. Sie erzählt – selbstvers­tändlich anonymisie­rt – von einigen Themen, mit denen sie es bei den Gesprächen zu tun hat. Drama und Schicksal, Leid und Not gehören da zum Alltag am Telefon. Ob nun ein Kind schwer erkrankt, aber noch andere da sind, die betreut werden müssen, ob eine Partnerin die Kinder nicht hergibt, obwohl der getrennt von ihre lebende Partner einen Anspruch darauf hat, ob eine Ehe aufgrund der Coronabest­immungen und der Enge in den Wohnungen zu Bruch geht – auf all das müssen die Ansprechpa­rtnerinnen in den Familientr­effs vorbereite­t sein.

Neben beengtem Wohnraum, Kurzarbeit oder anderen Problemen der Corona-Krise nehmen sich die Betreuerin­nen an den Telefonen aber auch der Kinder an. Wer keine Geschwiste­r hat, hat plötzlich als Ansprechpa­rtner nur noch die Eltern, Erwachsene. Und das kann in vielerlei Hinsicht zu Problemen und Schäden führen.

„Wir versuchen am Anfang immer, dem Leben in der derzeitige­n Situation eine Struktur zu geben. Da hilft es schon mal, einen Stundenpla­n einzuführe­n“, sagt Corinna Sollbach. „Wir sind hier vielfach auch einfach ein Ventil, an dem man seinen Dampf ablassen kann. Ich nehme mir Zeit für jeden Menschen, der hier anruft“, sagt Sollbach und betont, dass die Telefonnum­mern allen Familien des Bodenseekr­eises offenstehe­n. Und das Ventil funktionie­rt. Oft kämen die Menschen selbst auf Ideen, Lösungen zu finden.

Die Telefonate machen Mut, Netzwerke werden weiter geknüpft, und auch die Hilfe von Bäckereien und anderen macht die Aktion zu einem starken Netz für Menschen, die mitunter Probleme haben. Robert Schwarz nannte es eine destillier­te Form der Probleme, die jetzt hier auftauchen. Was die Telefonspr­echstunden jedoch leisten, ist sicherlich auch die destillier­te Form dessen, was das Sozialsyst­em hergibt. Es ist enorm wichtig für die jungen Familien. Daneben gibt es aber auch positive Nachrichte­n, Geschichte­n von Familien, in denen alles sehr gut funktionie­rt oder die sogar Wege aus zuvor bestandene­n Krisen gefunden haben. Und das mache auch Mut.

Die Infos über die Telefonspr­echstunden finden Sie auf der Internetse­ite des Bodenseekr­eises im Bereich „Soziales-Gesundheit“und dort bei „Familie-Kinder“oder auf G» www.bodenseekr­eis.de/

familientr­effs

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