Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Was vom Urlaub bleibt
Reisen innerhalb Europas sollen wieder möglich werden – Aber wie soll der Ferienalltag aussehen?
WEINGARTEN - Die meisten Grenzen sind nur für wenige geöffnet, europaweit stehen Hotels leer: Sind in diesem Jahr noch Ferien im europäischen Ausland möglich? Worauf können sich Urlauber und die Tourismusbranche einstellen? Wichtige Antworten im Überblick.
Wie realistisch ist für deutsche Touristen aus heutiger Sicht ein Urlaub im EU-Ausland?
Er ist in den vergangenen Tagen zumindest etwas realistischer geworden. Am Mittwoch will die Europäische Kommission unter der Überschrift „Europa braucht eine Ruhepause“Pläne für Reisen in Zeiten der Covid-19-Pandemie vorstellen. Laut dem Politikportal Politico.eu soll es sich dabei unter anderem um EUweite Leitlinien handeln, die nationale Grenzen für Reisende nach und nach wieder durchlässiger machen sollen. Demnach sollen Reisen zunächst zwischen denjenigen europäischen Regionen ermöglicht werden, in denen die Ausbreitung des Virus vergleichsweise gut eingedämmt ist. Es soll also eine europäische Abstimmung geben – aber regionale Unterschiede. Um eine solche Lösung bemüht sich offenbar auch die Bundesregierung. Thomas Bareiß (CDU), parlamentarischer Tourismus-Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, sagte der „Schwäbischen Zeitung“am Dienstag, man müsse sich in der EU „eng abstimmen“. Damit meine er aber nicht, „dass wir zu einer EU-weit einheitlichen und harmonisierten Lösung kommen, die in allen Mitgliedstaaten und allen Urlaubsregionen gilt.“Die Bundesregierung setze sich aber dafür ein, dass „das Reisen in Europa schon bald wieder möglich sein wird.“
Gibt es Länder, die besonders auf einen Neustart des grenzüberschreitenden Tourismus drängen?
Ja. Mehrere EU-Staaten haben in den vergangenen Wochen nationale Alleingänge gestartet. Das liegt an der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus: In Deutschland trug der Sektor laut dem internationalen Tourismusverband WTTC 8,6 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, in Italien über 13 Prozent, in Spanien 14,6, in Österreich 15,4 und in Griechenland sogar 20,8 Prozent. Millionen Arbeitsplätze hängen in Europa direkt oder indirekt am Fremdenverkehr. Die griechische Regierung hat am Montag europaweite Regelungen gefordert – und angekündigt, andernfalls Abkommen mit einzelnen Staaten abzuschließen. Man verhandle unter anderem mit Israel, Zypern, Österreich, Australien und Bulgarien. Kroatien plant erste Öffnungen für Touristen ab dem 18. Mai – und will mit Slowenien und Österreich verhandeln, um Durchfahrtsrechte für Deutsche und Tschechen zu erreichen. In Italien ist die autonome Provinz Südtirol vorgeprescht – und hat direkte Verhandlungen mit den Regierungen in Österreich und Deutschland begonnen, damit baldmöglichst wieder Touristen über den Brenner kommen können.
Was würden zwischenstaatliche Reiseabkommen bedeuten?
Im schlimmsten Fall liefe das auf ein chaotisches Bild in Sachen Reisefreiheit hinaus: Wenn etwa zum Beispiel Touristen aus Deutschland nach Italien einreisen könnten, Italiener aber nicht nach Deutschland. Solche Zustände befürchtet Manfred Weber (CSU), Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament. Er kritisiert nationale Alleingänge
scharf. „Wer unseren Kontinent in Europäer erster und zweiter Klasse trennen will, setzt letzlich Europas Einheit aufs Spiel“, sagte Weber der „Schwäbischen Zeitung“. Er forderte deshalb eine EU-weite „Gesamtlösung“statt „Kleinstaaterei“.
Wie könnte der Urlaub in Zeiten der Corona-Pandemie aussehen?
Mindestdistanzen im Swimmingpool, Plexiglaskabinen am Strand, Desinfektionspflicht für Obst und Gemüse in Hotelküchen: Fachpolitiker, Tourismusverbände und Hoteliers haben in den vergangenen Wochen unterschiedliche Vorschläge für Regeln gemacht, die Urlaubsvergnügen ermöglichen sollen – ohne die Coronavirus-Infektionen in die Höhe schnellen zu lassen. Der SPDEuropaabgeordnete Ismail Ertug, Mitglied im Fremdenverkehrsausschuss, hat ein Konzeptpapier vorbereitet, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt: Darin schlägt Ertug ein EU-weites „hygienisches und psychologisches Zertifikat“für Hotels und Freizeiteinrichtungen vor. Dessen Einhaltung könnte laut dem Papier von staatlichen Behörden oder Prüforganisationen wie dem TÜV überwacht werden. Ertug schlägt Schutzvorschriften in acht unterschiedlichen Bereichen vor, darunter die Hygiene der Gebäude und der Einrichtung, die persönliche Hygiene des Personals, Abstandsregeln und zusätzliche Automatisierung – etwa automatische Mülltrennungssysteme und einen Übergang von Barzahlung zu bargeldloser Zahlung. Auch CSU-Politiker Weber spricht sich für ein europäisches Reisezertifikat mit EU-weiten Hygienestandards aus. Schließlich seien die Herausforderungen für Freizeitbetriebe auch europaweit die gleichen, sagte Weber der „Schwäbischen Zeitung“.