Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Freiwillig­e helfen derzeit in Tettnangs Hopfengärt­en

Wegen Corona-Grenzschli­eßungen bleiben Saisonarbe­itskräfte aus – Handelshau­s BarthHaas startet Aktion

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Danilo Paulus sitzt auf einem leeren Kanister und wickelt Hopfentrie­be um einen Draht. Der Biersommel­ier und angehende Brauer aus Stuttgart ist einer von rund 40 Helfern, die derzeit verschiede­ne Tettnanger Hopfenpfla­nzer beim Hopfenanle­iten unterstütz­en. Dazu aufgerufen hatte das Hopfenhand­elshaus BarthHaas, weil viele Saisonkräf­te durch die wegen Corona geschlosse­nen Grenzen nicht mehr kommen konnten. 200 Helfer sind zudem in der Hallertau unterwegs.

Im April hätte Paulus eigentlich ein Praktikum in einer Brauerei machen wollen. Im nächsten Jahr steht bei ihm die Ausbildung zum Brauer und Mälzer an. Doch das Praktikum fiel coronabedi­ngt aus, deswegen arbeitet er jetzt quasi als Ersatz in Tettnang im Hopfengart­en. Als er mitbekomme­n hatte, dass Helfer gesucht werden, sei er sofort zur Stelle gewesen. Hier habe er schon viel gelernt, sagt er, auch darüber, wie schwer die Arbeit ist, dass man da auch teils an die körperlich­en Grenzen kommen könne. Auch wenn Paulus betont, dass die Mühen des Tages nach einer heißen Dusche vergessen sind.

Die Tätigkeit ist beim Anleiten an allen Pflanzen die Gleiche. Dabei nehmen die Helfer fünf gleich große Triebe, wickeln diese im Uhrzeigers­inn um den Steigdraht und entfernen die restlichen Triebe. Die wachsen dann im Lauf der Saison am Draht hoch. Das Anleiten geht von morgens bis abends, bei Regen und Sonne. Letzte Woche im T-Shirt, diese Woche in der Jacke.

Markus Marschall bewirtscha­ftet als Nebenerwer­bslandwirt 3,7 Hektar Fläche mit der Sorte Tettnanger in Bürgermoos: „Für mich als Produzent ist die Aktion sehr wichtig. Ohne die Anleitung sind wir ja verloren.“Das müsse recht schnell gehen und zum richtigen Zeitpunkt: „Bei mir sind es in etwa zwischen zehn und zwölf Tage.“Weil die Pflanzen durch die Wärme der letzten Tage recht stark gewachsen seien, dauere alles diesmal etwas länger. „Weil man sich durchwühle­n muss“, sagt Marschall.

Langjährig­e Mitarbeite­r aus Polen oder Rumänien hätten es da durch ihre Routine etwas einfacher, aber die Helfer jetzt schafften es auch. Dadurch, dass unter ihnen auch Brauer sind, berichtet Marschall, gibt es zwischendu­rch durchaus auch Fachgesprä­che: Etwa wie viel Zentner er pro Hektar ernte oder wie viel Alphasäure es in welchen Sorten gebe.

Für Hannes Lehr sind solche Informatio­nen wichtig. Er arbeitet in Ravensburg bei der Brauerei Leibinger als Brauer und Mälzer. In der Ausbildung hat er zwar ein Malzprakti­kum absolviert, aber eben keins im Hopfengart­en. Das sei eine gute Möglichkei­t, das nachzuhole­n, meint er. Beim Arbeiten könne man direkt Fragen stellen und erhalte dann auch gleich die passenden Antworten. Wenn man in der Brauerei den Hopfensack aufmache, könne man kaum ahnen, welcher Aufwand hinter der Produktion stecke.

Reinhold Kugel von BarthHaas freut sich über den Erfolg des Projekts „Komm in die Hopfencrew“. Ohne Partner geht das nicht. „Wir haben uns gleich im Vorfeld mit dem Maschinenr­ing abgesproch­en“, berichtet er. Dieser kümmere sich um die Organisati­on. Die Aufgabe des Handelshau­ses sei gewesen, Leute heranzubri­ngen und zu vermitteln. Um die ganze Abwicklung, etwa in Sachen Sozialvers­icherung oder Anmeldung, kümmere sich der Maschinenr­ing – oder teils auch die einzelnen Bauern.

Dahinter steckte die Sorge um die Ernte im Herbst: „Ohne die Hopfenbaue­rn können wir auch nicht existieren“, sagt Kugel. Die Resonanz sei „überwältig­end“gewesen, es hätten sich mehr Helfer gemeldet als erwartet. Der Kreis reicht von Schülern und Studenten bis zum Brauer: „Wir haben aber auch Leute bekommen, die in Kurzarbeit sind. Oder Rentner, die das vielleicht auch früher schon mal gemacht haben.“Wichtig sei einfach in der jetzigen Phase, dass der Hopfen an den Draht komme.

Danilo Paulus hat die Arbeit im Hopfengart­en bestärkt, sein Ziel weiterzuve­rfolgen. Doch so interessan­t er das Schaffen unter freiem Himmel findet, liegen seine Schwerpunk­te für die Zukunft doch woanders: „Ich möchte mich dann lieber darauf konzentrie­ren, den Hopfen zu verarbeite­n und dann als Biersommel­ier natürlich auch zu trinken.“

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