Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schüler drucken Schutzvisiere gegen Corona
Rund 900 sogenannter Faceshields haben die Helfer bereits an Krankenhäuser und Pflegedienste verteilt
KULMBACH (dpa) - Noch schlaftrunken schaltet Josias Neumüller jeden Morgen den Drucker in seinem Kinderzimmer an. Wenn er zu rattern anfängt, riecht es leicht süßlich. Der Druckkopf fährt dann eine Hufeisenform ab, aus einer Düse kommt ein dünner Faden. Etwas mehr als eine Stunde dauert es, dann ist der 3-DDrucker fertig: Ein Kunststoff-Rahmen für den Kopf, in den eine durchsichtige Folie eingeklemmt wird. Die Schutzvisiere fürs Gesicht sollen vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen. Krankenhäuser, Altenheime oder Pflegedienste brauchen sie.
Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen: Der 17-Jährige will so viele Visiere drucken wie irgendwie möglich. „Zwölf Stunden plus pro Tag, das trifft’s eigentlich ziemlich gut“, meint der Schüler. Er habe längst den Überblick verloren, wie viele er schon gedruckt habe. „Ich denke aber mal, irgendwo zwischen 80 und 120.“Das Drucken hat er in der Schule gelernt.
Am Markgraf-Georg-FriedrichGymnasium in Kulmbach wird seit sechs Jahren 3-D-Druck unterrichtet – als Wahlfach oder im Rahmen der Begabtenförderung. Eigentlich drucken die Schüler gerade eine Fräse, erzählt Physiklehrer Wolfgang Lormes.
Doch dann kam die Corona-Krise, und Ärzte, Pfleger und Kliniken begannen verzweifelt nach Schutzmaßnahmen vor einer Ansteckung zu suchen.
Seitdem sind der Lehrer und sechs Jugendliche im Dauereinsatz. Oder besser gesagt ihre 13 3-D-Drucker, die sie bei sich zu Hause aufgebaut haben. Manche Schüler hätten sich sogar selbst einen Drucker gekauft, sagt Lormes. Auch bei ihm daheim rattern fünf Stück. „Nach dem Aufstehen mache ich morgens erst die Kaffeemaschine und dann die Drucker an. Dann geht das halt wie beim Brezelnbacken.“
Bis es so weit war, experimentierten die Schüler stundenlang. Anfangs hätten sie sich einfach eine Anleitung aus dem Internet geholt, sagt der Physiklehrer. Aber mit den ersten Prototypen hätte das Klinikum Kulmbach erst einmal wenig anfangen können: Das Visier müsse für den medizinischen Einsatz oben geschlossen sein, es brauche mehr Stabilität und genug Abstand für Brillenträger, so die Rückmeldung.
„Wir haben uns viel darüber ausgetauscht, rumgetüftelt und neu konstruiert und überdacht“, erzählt Schüler Bastian Steinlein. In Videokonferenzen jeden Abend. Wie schnell soll der Drucker fahren? Bei welcher Temperatur? Bis auf einen halben Zehntelmillimeter müssen die Einstellungen passen. „Einfach machen und drucken – so leicht ist es halt doch nicht“, betont der 16-Jährige, der drei Drucker in Betrieb hat.
Doch die Mühe lohnt sich: Mehr als tausend Visiere haben die Schüler schon kostenlos an Zahnärzte,
Logopäden und das Klinikum Kulmbach geliefert. „Bis nach Halle geht das Zeug, von Wolznach bis nach Halle“, sagt Wolfgang Lormes nicht ohne Stolz.
Nicht nur in Kulmbach laufen 3D-Drucker auf Hochtouren: Das Gymnasium Neubiberg beispielsweise produziert Gesichtsschilder für Mediziner, Pfleger und andere systemrelevante Berufe. Auch die Hochschulen in Deggendorf, Nürnberg, Ingolstadt, Regensburg, Coburg, Hof und Landshut stellen ähnliche Gesichtsschilder mit dem Drucker her.
Einen Überblick über die Produktion haben nach eigenen Angaben weder das Kultus- noch das Wissenschaftsministerium. Warum werden die Bildungseinrichtungen nicht dazu aufgerufen, Gesichtsschilder zu drucken? Das Wissenschaftsministerium beruft sich auf die Freiheit der Wissenschaft. Es gebe nicht genug Schulen, die technisch dafür ausgerüstet seien, heißt es aus dem Kultusministerium.
Das Landratsamt Bamberg hat trotzdem alle Schulen angeschrieben – drei hätten sich gemeldet, teilte ein Sprecher mit. Die Koordination übernehme das Amt. Etwa 900 Masken habe man schon für Krankenhäuser, Altenheime, Pflegedienste und Arztpraxen gedruckt.
„Vielleicht schützt es nur eine einzige Person, infiziert zu werden“, sagt Bastian Steinlein. „Aber die eine Person ist es halt trotzdem.“Man könne ohnehin nur so wenig tun, meint auch Josias Neumüller.
Er wolle nicht nur herumsitzen, Abstand halten und Hände waschen. „Es fühlt sich immer alles so passiv an“, findet der 17-Jährige. Da sei es „eine coole Sache, helfen zu können – mit einer Sache, die einem selber Spaß macht“.
TÜBINGEN (dpa) - Manch Koloss im Tierreich setzt ausschließlich auf pflanzliche Kost. Studien von Tübinger Forschern haben nun Hinweise darauf erbracht, dass sich auch die ausgestorbenen Höhlenbären in Europa rein vegetarisch ernährten. Bisherige Untersuchungen deuteten nach Angaben der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung vom Dienstag dagegen an, dass die Giganten im heutigen Rumänien auch Fleisch und Fisch fraßen.
Höhlenbären waren bis zu 3,5 Meter lang und hatten eine Schulterhöhe von bis zu 1,7 Metern. Damit waren sie deutlich größer als ihre noch lebenden Verwandten, die Braunbären. Höhlenbären lebten in der letzten Kaltzeit in Europa und starben vor etwa 25 000 Jahren aus.
Die Wissenschaftler vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) an der Universität Tübingen untersuchten in einem internationalen Team Höhlenbären-Fossilien von rumänischen Fundorten. Während Vegetarismus laut Hervé Bocherens vom HEP für die meisten Höhlenbären belegt ist, gab es bei rumänischen Exemplaren Zweifel. Die Aminosäuren im Knochenkollagen verglichen die Forscher nun mit jenen von anderen Höhlenbären sowie typischen Fleisch- und Pflanzenfressern wie Löwe und Pferd. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im Fachjournal „Scientific Reports“. Bocherens glaubt, dass sich mit den Erkenntnissen auch besser vorhersagen lässt, wie sich Klimaveränderungen auf heutige Vegetarier wie beispielsweise den Pandabären auswirken.