Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Steinmeier lobt die Corona-Diskussionen
Bundespräsident warnt aber vor Missbrauch der Debatten – Kritiker für mehr Lockerungen
BERLIN/RAVENSBURG (AFP/epd/ abra) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Debatten über die Corona-Politik in Deutschland ausdrücklich begrüßt und sieht darin einen Nachweis für die Stärke der Demokratie. „Kritik ist nicht reserviert für Corona-freie Zeiten“, schrieb Steinmeier in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“zum 71. Geburtstag des Grundgesetzes, das am 23. Mai 1949 verkündet worden war. Angesichts der auch am Wochenende wieder angekündigten Demonstrationen gegen die AntiCorona-Maßnahmen warnte er aber zugleich davor, dass die Debatten um den besten Weg aus der Krise missbraucht werden könnten.
„Wie lebendig unsere Demokratie, wie tief verankert und wie hoch geschätzt ihre Grundwerte sind, das zeigt sich doch gerade jetzt in dieser
Krise“, schrieb Steinmeier. Er halte die Entscheidungen der Bundes- und Landesregierungen „für sinnvoll und maßvoll“. Aber er freue sich, „dass sie lebhaft diskutiert werden, dass über sie gestritten wird“.
Daran beteiligt ist auch Otfried Höffe, einer der prominentesten Kritiker der Anti-Corona-Maßnahmen. Der emeritierte Tübinger Philosophie-Professor, der in einem Expertenrat auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) berät, ist überzeugt, dass die Debatte über die Einschränkungen und den Umgang mit der Corona-Bedrohung viel früher hätte geführt werden müssen. Höffe sagte nun der „Schwäbischen Zeitung“, dass die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen „nicht notwendig, sondern bestenfalls richtig gewesen“seien. Er erwarte, „dass man genauer hinblickt und gezielt Lockerungen zulässt“. Damit wolle er indes nicht jenen das Wort reden, die zu Corona-Protesten aufrufen oder demonstrativ ohne Schutzmaske einkaufen gehen. Dies halte er für eine „offensive Torheit“.
Steinmeier sagte, das politische Ringen um die beste Lösung habe „nichts gemein mit denen, die Verunsicherung und Unzufriedenheit nutzen, um Stimmung gegen ,die da oben‘ zu machen“. Manche versuchten, „ihre vergifteten Ideen“in die Debatten einzuträufeln, „um Zweifel am Sinn und der Rechtmäßigkeit demokratischer Verfahren zu säen“, mahnte er. „So spinnert manche Verschwörungstheorie auch daherkommen mag – vergessen wir nicht, dass hinter ihr harte politische Ziele stehen, die wir nicht ignorieren dürfen.“Die Diskreditierung von gewählten Volksvertretern und der seriösen Berichterstattung, von demokratischen Verfahren, Wissenschaft und Vernunft sei „nichts weniger als ein Angriff auf unsere Demokratie, und just auf die Freiheit, die sie angeblich verteidigt“. Vor ihm hatten viele Politiker die Kritiker der Corona-Maßnahmen gewarnt, sich von Extremisten und Verschwörungstheoretikern instrumentalisieren zu lassen.
Auch im Süden wird es am Wochenende wieder zahlreiche Protestkundgebungen unterschiedlichster Couleur geben. Bis Freitagnachmittag seien allein in Stuttgart neun Veranstaltungen genehmigt worden. In Bayern wollen in mehreren Städten Kritiker der Corona-Politik ihren Unmut kundtun. Eine der größten Veranstaltungen wird am Samstag erneut auf der Münchner Theresienwiese zum Thema „Grundrechte“erwartet. LEITARTIKEL, SEITEN 3 & 5
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