Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Corona-Krise trifft Farny besonders hart
Der Bierabsatz bricht um die Hälfte ein – Darum macht man sich langfristig dennoch wenig Sorgen
KISSLEGG/WANGEN - Die Dürrener Edelweißbrauerei Farny hat besonders stark unter den Auswirkungen der Corona-Krise zu leiden. Deshalb hat sie die Hälfte des für dieses Jahr eingeplanten Investitionsvolumens auf Eis gelegt. Dennoch macht sich das stiftungsgetragene Unternehmen langfristig wenig Sorgen um die Zukunft.
Warum traf die Corona-Krise Farny so hart?
Im April musste Farny einen Absatzverlust von 47 Prozent verkraften, wie Geschäftsführer Elmar Bentele bei der Vorlage der Jahresbilanz am Mittwoch erklärte. Damit büße die Brauerei in der Krise noch stärker ein als Mitbewerber in der Region. Das wisse er etwa aus Gesprächen mit den Verantwortlichen von Meckatzer und Leibinger.
Grund ist Farnys vergleichsweise starke Stellung in der seit Mitte März geschlossenen und erst Anfang dieser Woche wiedereröffneten Gastronomie. Denn seit das Bürgerliche Brauhaus Ravensburg-Lindau 2001 das Biergeschäft nach Dürren übertrug, beliefern die hiesigen Brauer rund 400 Gaststätten und Wirtschaften in der Region. Über Verleger und andere Brauereien hat Farny zusätzliche Vertriebswege zu weiteren Wirtshäusern. Zur Einordnung: Gastronomie und Veranstaltungen machen laut Bentele normalerweise ungefähr die Hälfte des Bierausstoßes von regelmäßig mehr als 100 000 Hektoliter jährlich aus.
Der Geschäftsführer hatte zunächst mit Einbrüchen von einem Drittel gerechnet, habe die Prognosen aber schnell auf 50 Prozent nach oben korrigieren müssen und stellte in den vergangenen Wochen auch die Kehrseite der Corona-Folgen für die „mit voller Härte“getroffene Braubranche fest. Weil die Menschen zu Hause bleiben mussten, sei der Absatz im Handel zeitgleich um 13 Prozent gestiegen.
Welche Folgen hat das für die Brauerei?
Farny hat – wie so viele Unternehmen fast aller Branchen – Kurzarbeit anmelden müssen. Außerdem halbierte das Unternehmen seinen Investitions-Etat für 2020 auf 700 000 Euro. Auf Folgejahre vertagt wurde der Bau eines Blockheizkraftwerks auf dem Betriebsgelände. Dieses sollte die Brauerei nicht nur mit eigenem Strom versorgen, sondern auch den Kältebedarf im Herstellungsprozess decken.
Trotz der jüngsten Öffnungen rechnet Bentele insgesamt mit einem schwierigen laufenden Geschäftsjahr. „Möglicherweise wird das Thema Corona sogar längere Zeit unser Geschäft beeinflussen“, sagte er auch mit Blick auf die weiter unsichere Lage der Gastronomie. Dort schließt er Insolvenzen und Betriebsschließungen grundsätzlich nicht aus. Durch den Ausfall sämtlicher, vielfach von Farny belieferter regionaler Heimatfeste „fehlt jede Menge Ausstoß“auch in naher Zukunft.
Warum blickt Farny dennoch zuversichtlich in die Zukunft?
Laut Bentele sei in den vergangenen 30 bis 35 Jahren stets investiert, saniert und modernisiert worden. Das und eine „grundsolide Finanzierung“zahle sich jetzt aus – wenngleich er auch bemerkte: „Es ist bemerkenswert, wie schnell die Liquidität auch bei einer kerngesunden Firma wie Farny schmilzt.“
Mit der Ende Januar und zu Beginn der Fasnet auf den Markt gekommenen neuen Biersorte „Kristall-Pfiff“ist Farny zudem ein neuer Verkaufsschlager gelungen. Abgefüllt in der 0,33-Liter-„Longneckflasche“setzt die Brauerei mit dieser mit etwas weniger Kohlensäure angereicherten Variante der Kernmarke Kristall-Weizen auf junge Menschen und Frauen als Zielgruppe. Laut Elmar Bentele und Braumeister Alexander Neugebauer hat sich das „Kristall-Pfiff“auf Anhieb eine Position in der Spitzengruppe der insgesamt elf hauseigenen Biersorten erobert und im Segment der 0,33-LiterFlaschen bereits das Hofgutsbier und das Pils überholt. Als Absatzziel nennt der Geschäftsführer 3000 Hektoliter pro Jahr. Geografisch neue Absatzmärkte will Farny angesichts der Ausstoß-Verluste nicht erschließen. Die Strategie, vor allem auf die Region Allgäu/Bodensee/ Oberschwaben, aber auch die Regionen Ulm und Stuttgart zu setzen, werde nicht angetastet.
Wie beurteilt das Unternehmen derzeit die Politik?
Grundsätzlich äußert Elmar Bentele Verständnis für die politischen Entscheidungen rund um die Corona-Krise. Mit den greifenden Lockerungen hätten es die Menschen jetzt selbst in der Hand, heimischen Gastronomen und Brauereien „eine faire Chance“zu geben, „sich schnellstmöglich vom Shutdown zu erholen“. Der Geschäftsführer begrüßt auch die erste finanzielle Hilfstranche des Landes. „Jetzt brauchen die Betriebe in der Aufbauphase aber nochmals Unterstützung“, forderte Bentele am Mittwoch. Am selben Tag wurde der Beschluss der Landesregierung zu einem zweiten Hilfspaket in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bekannt. Davon sollen Gastronomie und Hotellerie 330 Millionen Euro erhalten.
Wo stand Farny vor Beginn der Corona-Krise?
Nach dem heißen Sommer 2018 und dem damals guten Bierabsatz war 2019 nach Angaben von Farny „für die deutsche Bierbranche ein schwieriges Jahr“. Deutschlandweit habe sie ein Absatzminus von 2,1 Prozent hinnehmen müssen, in Baden-Württemberg und Bayern sogar 3,2 beziehungsweise 3,3 Prozent. Von diesem Trend war Farny ebenfalls betroffen – mit zwei Prozent allerdings abgeschwächt.
Farny erreichte das Absatzziel von 100 000 Hektolitern dennoch erneut und legte beim Umsatz von zuletzt 13,4 Millionen Euro zu, obwohl weniger Bier verkauft wurde. Wachstumstreiber waren nach Unternehmensangaben das Hofgut Farny mit Hotellerie und Gastronomie sowie die Destillerie mit inzwischen vier Produkten.
Was gibt es sonst Neues bei der Brauerei Farny?
Die nach eigenen Angaben größte und älteste Brauerei im Landkreis Ravensburg bezieht ihren Hopfen mittlerweile komplett aus den Tettnanger Anbaugebieten. Dort gebe es jetzt alle von Farny benötigten Sorten, so Bentele, selbst Sohn eines dortigen Hopfenbauers.
Farny hat in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Auszeichnungen erhalten. Bei der „BrauBeviale“2019 in Nürnberg erhielten AlpenGin und Bierbrand Goldmedaillen, zwei weitere Destillate bronzene. Das Hefe-Weizen landete bei der Online-Abstimmung eines „Beer Tasting Clubs“unter den zehn besten Bieren des vergangenen Jahres. Und bei einer Studie des Instituts für Managementund Wirtschaftsforschung in Hamburg zu Verbraucherurteilen habe nur die Eschweger Brauerei besser abgeschnitten.
Vor dem Hintergrund der Corona-Krise läuft im Mai eine Solidaritätsaktion mit Vereinen, um den privaten Bierkonsum von Farny-Bieren anzukurbeln. Klubs sind dabei aufgefordert, sich mit Bildern oder Videoclips zu beteiligen. Dafür erhalten sie 30 Liter Freibier zum Verzehr, „wenn dies wieder möglich ist“. Besonders Kreativen winken höhere Preise.
GGG