Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wenn Träume aus Freiheit und Bildung bestehen
Hierzulande selbstverständlich, für 15 Kameruner in Oberteuringen das Ziel: ohne politische Unterdrückung leben
OBERTEURINGEN - 15 junge Männer sind am 12. Mai in Oberteuringen in der Gemeinschaftsunterkunft angekommen. Sie sind weit gereist – genauer, 4650 Kilometer direkt aus Kamerun. Im Ort ist die Gruppe in der kurzen Zeit wohl auch deshalb schon aufgefallen. Schließlich empfängt man nicht alle Tage so eine große Gruppe aus Subsahara-Afrika.
„Die Männer waren im Dorf spazieren und sind nun wohl Gesprächsthema in der Gemeinde“, bestätigt auch Landratsamtssprecher Robert Schwarz. Um dabei zu helfen, eventuelle Berührungsängste zwischen den Oberteuringern und den Neuankömmlingen abzubauen, meldete sich Renate Hold vom Helferkreis Flucht und Asyl aus Oberteuringen bei der „Schwäbischen Zeitung“. „Es ist immer besser, wenn man einen Namen und die Geschichte hinter einem Gesicht kennt“, sagt die Ehrenamtliche.
Und die Geschichten der 15 haben es in der Tat in sich. Schnell wird klar: Die Abreise aus der Heimat geschah – wie bei so vielen Asylsuchenden in dieser Zeit – nicht ohne Grund. Die drei Kameruner Solon Ntogho, Priestly Ekane und Cedric Fowo Noudjalie nennen allesamt politische Gründe, die eine Flucht unausweichlich machten. Tatsächlich belegte das Land im Demokratieindex 2019, der durch die britische Zeitschrift „The Economist“veröffentlicht wurde, Platz 142 von 167 Ländern und gehört damit zu den autoritär regierten Staaten. „Es wurde sehr gefährlich für mich“, bestätigt Solon Ntogho. Sein Bruder und sein Vater seien bereits gestorben, fügt er, angesprochen auf ein Beispiel für die heikle Situation in seiner Heimat, an – und es schwingt mit, dass es sich dabei vermutlich eher nicht um eine natürliche Todesursache handelte.
Seit fünf Monaten ist Solon Ntogho nun in Deutschland. Genau wie die anderen, kam er mit dem Flugzeug. „Meine erste Station war Essen“, berichtet er. Auch in Kamerun habe er im städtischen Raum gelebt. Oberteuringen und der Bodenseekreis mit seinen vielen, kleineren Orten ist ihm also auch aus der Ortsgrößen-Perspektive völlig neu. Die Landschaft gefalle ihm sehr, bestätigt er. Sein Ziel in Deutschland? „Ich will mit dem weitermachen, was ich in Kamerun angefangen habe. Ich habe dort nämlich Biologie studiert. Das würde ich gerne abschließen“, sagt er.
Auch Cedric Fowo Noudjalie hat in seiner Heimat bereits einen Job gehabt, lebte dort mit seiner Frau und drei Kindern. „Ich habe eine Fahrschule geleitet. Natürlich würde ich auch hier in Deutschland gerne wieder als Fahrlehrer arbeiten“, sagt er. Und vor allem wünsche er sich, bald seine Familie holen zu können.
Ähnlich ergeht es Priestly Ekane. Der 33-Jährige ist auch verheiratet und hat ebenfalls drei Kinder. „Ich wünsche mir sehr, dass sie alle nachkommen können“, meint er. In Kamerun arbeitete Priestly Ekane als Lehrer, wie er weiter berichtet. „Ich habe Englisch und Französisch unterrichtet und vorher Internationale Beziehungen studiert“, schildert er. Sein Traum wäre, das Studium in Deutschland noch mit einem Doktortitel zu küren.
Alle drei Männer sind sich einig, warum sie gerade nach Deutschland und nicht nach Schweden, in die Niederlande oder Italien wollten. „Der in Deutschland besonders hohe Bildungsstandard, den will ich auch meinen Kindern ermöglichen“, bringt es Priestly Ekane auf den Punkt.
Unterstützung beim Ankommen erhalten Solon Ntogho, Priestly Ekane und Cedric Fowo Noudjalie nun von Renate Hold mit ihrem Helferkreis-Team. Dass so eine große Gruppe gemeinsam angekommen ist und nun in Oberteuringen aufgenommen wurde, hängt auch mit der Verfügbarkeit von Plätzen zusammen, erläutert Heimleiterin Franziska Bruttel. „Wir haben jüngst relativ viele freie Zimmer gehabt, weil einige in Wohnungen untergebracht werden konnten“, sagt sie.
Für die Kameruner sucht Renate Hold jetzt noch Paten. „Es würde wahnsinnig helfen, wenn sich Menschen aus der Gemeinde bereit erklären, ehrenamtlich jeweils einen der jungen Männer in der Anfangszeit hier zu unterstützen. Da geht es dann beispielsweise darum, mal mit zum Amt zu kommen, wenn etwas Bürokratisches erledigt werden muss oder auch sonst mal Fragen zu beantworten, die im Alltag in der neuen Umgebung auftauchen“, erklärt sie. Die Leiterin des Helferkreises ist optimistisch, dass sich die jungen Männer gut integrieren werden. „Sie sind alle sehr gut ausgebildet und bringen Fähigkeiten mit, die wir hier doch auch wirklich brauchen“, sagt sie.
Wer bereit ist, eine Patenschaft für einen der Neuankömmlinge aus Kamerun zu übernehmen und beim Ankommen in Oberteuringen Hilfe zu leisten, kann sich bei Renate Hold melden. Zudem werden auch Fahrräder für die jungen Männer gesucht. Wer eins abzugeben hat, kann sich ebenfalls an den Helferkreis Flucht und Asyl wenden. Renate Hold ist dort entweder telefonisch unter 07546 / 14 55 erreichbar oder auch per E-Mail an G»