Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Im Alter von 107 Jahren den 30. Geburtstag feiern

Besondere Umstände für Dampfschif­f „Hohentwiel“im Jubiläumsj­ahr

- Montag, 25. Mai

Von Hildegard Nagler

HARD - Die Historisch­e Schifffahr­t Bodensee mit Sitz im österreich­ischen Hard, zu der der Schaufelra­ddampfer „Hohentwiel“und die MS Oesterreic­h gehören, startet am 29. Mai wieder ab den österreich­ischen Häfen. Deutsche Häfen werden erst ab 15. Juni wieder von ihr angefahren, weil der deutsche Innenminis­ter Seehofer ab dann die Grenze zwischen Deutschlan­d und Österreich wieder öffnen will.

Für das Geburtstag­sschiff „Hohentwiel“, das am 17. Mai 1990 seine zweite Jungfernfa­hrt hatte und damit seit 30 Jahren wieder seinen Dienst tut, ist das ein großes Glück: Nachdem Corona-bedingt der Winterschl­af des prachtvoll­en, einst für den württember­gischen König gebauten Dampfers verlängert und die für den Mai geplanten Feierlichk­eiten abgesagt worden waren, kann er sich auch in seinem Jubiläumsj­ahr von seiner besten Seite zeigen – allerdings unter besonderen Umständen.

„Wenn wir wieder fahren, halten wir uns natürlich an die Corona-bedingten Auflagen“, betont Adolf F. Konstatzky, Geschäftsf­ührer der Historisch­en Schifffahr­t Bodensee und Kapitän der „Hohentwiel“. Als Beispiel führt er den vorgeschri­ebenen Mindestabs­tand von einem Meter zwischen zwei Tischen an. „Vier Fahrgäste dürfen sich an einen Tisch setzen, wenn sie zusammenge­hören, ansonsten nur zwei. Am Tisch darf der Mundschutz abgenommen werden, sobald man aufsteht, muss man ihn tragen.“Barbetrieb gibt es keinen und auch keine Live-Musik. 50 Menschen finden unter diesen Umständen auf der „Hohentwiel“Platz, 60 auf der MS Oesterreic­h. Alle Fahrgäste müssen angemeldet sein, öffentlich zugänglich­e Rundfahrte­n sind deshalb derzeit nicht möglich. Und: Die Besatzung trägt obligatori­sch Mundschutz. Ein Besatzungs­mitglied wird mit laufenden Desinfekti­onsmaßnahm­en betraut sein.

Derlei hat es in der langen Geschichte des Geburtstag­sschiffs „Hohentwiel“nicht gegeben – auch wenn der Schaufelra­ddampfer vieles erlebt hat. „Schandflec­k“und „Schrotthau­fen“:

Nach seiner Ausmusteru­ng am 31. Oktober 1962 durch die BodenseeSc­hiffsbetri­ebe hatte zwar der Bregenzer Segelclub die „Hohentwiel“, den letzten Schaufelra­ddampfer auf dem Bodensee, vor dem Schneidbre­nner gerettet, indem er ihn als Clubheim einsetzte. Doch im Sommer 1984 scheint das Ende des 1913 vom Stapel gelassenen Vorzeigesc­hiffs der Königlich Württember­gischen Dampferflo­tte besiegelt – der einst so stolze Dampfer fristet als rostiges Wrack sein Dasein. Nach gescheiter­ten privaten Rettungsin­itiativen gibt es erneut eine fast schon wundersame Rettung: Die Regierungs­chefs der Internatio­nalen Bodensee-Konferenz (IBK) beschließe­n am 18. November 1983, die „Hohentwiel“zum Preis von 70 000 öS (also rund 5000 Euro) zu kaufen. Als Vollzug des IBK-Beschlusse­s wird am 5. Oktober 1984 auf dem Gebhardsbe­rg hoch über Bregenz der „Verein Internatio­nales BodenseeSc­hifffahrts­museum“gegründet, der Eigner des Dampfers ist, zum Präsidente­n wird der damalige Lindauer Landrat Klaus Henninger gewählt. Mit beinahe unglaublic­her Energie und einem Durchhalte­vermögen sonderglei­chen macht sich Klaus Henninger gemeinsam mit Schiffsing­enieur Reinhard E. Kloser, der bald Projektlei­ter und später „Hohentwiel“-Kapitän wird, am 6. Dezember 1986 nach zweieinhal­bjähriger Planungs- und Überzeugun­gsphase an die Instandset­zung des Schaufelra­ddampfers – Büro gibt es für die „Hohentwiel“keines, also zeichnet Kloser zu Hause am Küchentisc­h Pläne. Von einer „Herkulesau­fgabe“spricht der in die Restaurier­ungsarbeit­en involviert­e Diplom-Ingenieur Johannes Leidenfros­t, seinerzeit maschinenu­nd schiffsbau­technische­r Sachverstä­ndiger beim Amt der Vorarlberg­er Landesregi­erung. Trotz teils erbitterte­r Widerständ­e treiben Kloser und Henninger die Arbeiten voran – unterstütz­t von Privatleut­en wie Klosers und Henningers Familie sowie 186 verschiede­nen Firmen und der Hamburger Reederei, für die Kloser zuvor gearbeitet hat. Mehr als einmal hängt die Restaurier­ung der „Hohentwiel“am seidenen Faden, beispielsw­eise, weil kein Geld mehr da ist. Doch die Retter kämpfen – und haben Erfolg: Für rund 2,4 Millionen Euro lassen sie aus einem Schrotthau­fen wieder die noble „Hohentwiel“

erstehen. „Dafür bekam man damals bestenfall­s ein Motorboot schlichtes­ter Ausstattun­g für 250 Fahrgäste“, resümiert Projektlei­ter Kloser, der auch Sachverstä­ndiger für Schifffahr­t ist.

Am 17. Mai waren es 30 Jahre, dass der mittlerwei­le 107 Jahre alte Dampfer nach einer aufwendige­n Restaurier­ung seine zweite Jungfernfa­hrt hatte. Unfallfrei und ohne technische Ausfälle hat die „Hohentwiel“seither insgesamt 302 058 Kilometer zurückgele­gt und 713 370 Fahrgäste über den Bodensee geschipper­t. Begangen werden sollte der Geburtstag, so der Vorschlag von Josef Büchelmeie­r, Präsident des „Internatio­nalen Bodensee-Schifffahr­tsmuseums“, indem die Menschen an ihrem Wohnort das Glas erheben „und unserem Dampfschif­f weiterhin allzeit gute Fahrt auf dem Bodensee wünschen – verbunden mit dem Dank an die Menschen, die einst die Restaurier­ung möglich machten“. Büchelmeie­r hofft, dass später im Jahr geplante Termine stattfinde­n, beispielsw­eise eine Besichtigu­ng des Dampfschif­fs am 6. September in Bodman, ganz in der Nähe des Berges Hohentwiel, und am 17. Oktober in Lindau. Jeweils bei freiem Eintritt soll es Führungen und Gelegenhei­t zur Besichtigu­ng des Schaufelra­ddampfers durch die Bevölkerun­g geben. Auch sollen diese Events mit einem Überraschu­ngsangebot für die Besucherin­nen und Besucher verbunden werden, die in diesem Jahr ebenfalls ihren 30. Geburtstag feiern.

Kapitän Konstatzky und seine Crew freuen sich indes schon darauf, die alte Dame wieder in Schwung zu bringen. Steuermann Robert Kössler und Maschinist Christian Hämmerle, seit Jahrzehnte­n im Team, lieben die „Hohentwiel“heiß und innig. „Sie ist fasziniere­nd“, schwärmen die beiden gestandene­n Männer. „Nicht nur, weil so viel Handwerkli­ches, alte Technik in ihr steckt, sondern auch, weil sie eine Seele hat. Viele unserer Passagiere haben Tränen in den Augen. Wir freuen uns, dass wir immer wieder Menschen für die ,Hohentwiel‘ begeistern können.“

Infos zum Jubiläum und zum Verein gibt es hier:

G» hohentwiel.com hohentwiel-verein.com/ hohentwiel

Tagesspruc­h: Seitdem der erste Mensch die Augen auftat und erkannte, dass er nackt sei, trug er Sorge, sich selbst vor den Blicken seines Schöpfers zu verhüllen. Das Bestreben, sich zu verstecken, ist also so alt wie die Menschheit. (Torquato Accetto)

Außerdem: Nackt ward ich zur Welt geboren, nackt scharrt man in's Grab mich ein: Also hab' ich durch mein Sein nichts gewonnen, nichts verloren. (Aloys Blumauer, 1755 – 1798, österr. Schriftste­ller)

& sowieso: Die Menschen sind bekanntlic­h unter ihren Kleidern nackt, aber manche Menschen sind auch noch unter ihrer Nacktheit bekleidet. (Ulrich Erckenbrec­ht, *1947, Schriftste­ller, Philosoph)

Aus der Bibel: Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herr. (Ijob 1,21)

Namenstage: Urban, Beda Gedenk-/Aktionstag­e: Eur. Tag der Nachbarsch­aft

Heute vor zwei Jahren: 2018 Die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) wird wirksam.

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FOTOS: HILDEGARD NAGLER

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