Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Raus aufs Gelände
Freilichtmuseen starten in Zeiten von Corona mit neuen Konzepten in die Saison
RAVENSBURG - Freilichtmuseen setzen traditionell auf Interaktionen. Hier können große und kleine Besucher den einstigen Alltag auf dem Land hautnah erleben und sich aktiv einbringen. Da werden Seile gedreht, mit dem Schlegel das Getreide gedroschen oder Wäsche im Zuber gewaschen. Besonders beliebt beim Publikum sind auch die verschiedenen Aktionstage – sei es ein Eseltreffen oder ein Bierbrauerfest. In Zeiten von Corona, in denen Hygieneregeln und Sicherheitsabstände eingehalten werden müssen, fallen solche Veranstaltungen weg – vorerst bis Ende August. Die Museumsdörfer in Wolfegg, Kürnbach und Neuhausen ob Eck haben deshalb neue Vermittlungskonzepte erarbeitet. Eines heißt: raus aufs Gelände.
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Von Antje Merke
Um es gleich vorwegzusagen: In keinem der drei Freilichtmuseen in unserer Region gibt es eine Maskenpflicht, auch nicht in den Häusern. Einzige Ausnahmen sind der Shop und der Kassenbereich. „Die Besucher
können sich auf dem weitläufigen Gelände problemlos ausweichen“, erklärt Jürgen Kniep, Leiter des Museumsdorfes Kürnbach bei Biberach, die Entscheidung der zuständigen Landratsämter. Darüber hinaus gibt es an zahlreichen Stationen die Möglichkeit, sich die Hände zu desinfizieren. Die ersten Erfahrungen seit der Öffnung Mitte Mai seien jedenfalls sehr gut. „Die Besucher halten sich vorbildlich an die Abstände, es gibt keinen Unmut beim Schlangestehen.“Bis auf wenige Kammern sind in Kürnbach alle 37 Gebäude geöffnet – vom Schweinestall über das Plumpsklo bis zum Einödhof. Auch im Bauernhausmuseum in Wolfegg bei Ravensburg können sämtliche Häuser besichtigt werden. Und dazwischen gibt es große und kleine Tiere auf den Wiesen zu entdecken. Nur im Freilichtmuseum in Neuhausen ob Eck bei Tuttlingen bleiben zwei Höfe vorerst geschlossen, weil die Räumlichkeiten dort zu verwinkelt sind.
Kniep und seine Kollegen sind sich der Verantwortung in der Corona-Krise bewusst und haben deshalb mehrere Maßnahmen beschlossen, damit die Besucher zusätzlich zum Rundgang etwas erleben können. In Kürnbach etwa werden außergewöhnliche Geräte auf dem Gelände verteilt, statt sie wie bislang in Schuppen und Remisen zu präsentieren. „Da wäre zum Beispiel unser automatischer Kartoffeldämpfer von 1967“, sagt Kniep. Das kuriose Gerät in Anhängerform ist ein riesiger Dampfkessel, in dem die Bauern die Futterkartoffeln für die Schweinemast kochten. Bis zu einer Tonne konnte pro Stunde gegart werden. Jetzt ist der Apparat am Rande des frisch angepflanzten Kartoffelackers zu begutachten. Auch eine Dampfmaschine
oder eine selbstfahrende Bandsäge stehen im Freien. Nähere Informationen dazu finden sich bislang nur auf Tafeln, aber sobald es nach Pfingsten weitere Lockerungen geben sollte, sind in Kürnbach Vorführungen an den Maschinen geplant. Sogar Handwerksaktionen an der frischen Luft will Jürgen Kniep so bald wie möglich einführen: „Wir haben zwar noch nie eine Landfrau mit Headset zum Krauthobeln auf die grüne Wiese gestellt, doch ich bin zuversichtlich, dass wir gute Lösungen für alle Beteiligten finden.“Das größte Problem ist die Einhaltung des Mindestabstandes.
Andreas Weiß, Museumsleiter in Neuhausen ob Eck, plant ebenfalls solche praxisbezogenen Formate zum Leben und Arbeiten auf dem