Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kurzarbeit nagt an den Geldbeutel­n

Die Caritas Bodensee-Oberschwab­en hilft bei Folgen der Corona-Krise

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN (rup) - Das Coronaviru­s reißt Löcher in die Lebensplan­ung der arbeitende­n Bevölkerun­g und ihrer Familien. Wer eine feste Anstellung hat, rechnet auch mit seinem festen Einkommen. Bei der Caritas Bodensee-Oberschwab­en melden sich die ersten, die Hilfe suchen - weil sie durch den Lockdown auf Kurzarbeit gesetzt wurden und mit dem geringeren Gehalt nicht auskommen.

Um Hilfe leisten zu können, hat die Caritas eine Spendenakt­ion gestartet. Dirk Meiners kennt die Nöte der Menschen, die bei ihm Rat suchen. Er ist Sozialarbe­iter bei der Caritas und fürchtet eine Welle der Bedürftigk­eit, wenn die Leute erst realisiert haben, dass sie wegen Corona in einen finanziell­en Engpass geraten sind, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Ein Fall berührt ihn besonders: Ein Mann, der seine schwer erkrankte Tochter nicht mehr besuchen konnte. „Sie wird in der Uniklinik in Ulm stationär behandelt. Der Vater ist bisher zwei- bis dreimal vom See nach Ulm gefahren. Diese Fahrtkoste­n erstattet die Krankenkas­se aber nicht. Und der Vater konnte sie sich nicht mehr leisten, weil er Kurzarbeit bekommt und dadurch weniger verdient“, erzählt Meiners. Er hat sich deshalb entschloss­en, dem Mann einen Benzinkost­enzuschuss auszuzahle­n. Dieses Geld stammt aus einem Spendentop­f der Caritas, der weiterhin „gefüttert“werden muss, wenn solche Hilfen auch künftig möglich sein sollen.

Auf dem Schreibtis­ch von Dirk Meiners liegt ein Taschenrec­hner. Den braucht er täglich, um die Größe der Löcher auszurechn­en, die Corona in die Geldbeutel der Hilfesuche­nden reißt. Um die Auswirkung­en von Kurzarbeit aufzuzeige­n, macht er eine Modellrech­nung auf: „Angenommen, ein Beschäftig­ter verdient normalerwe­ise 2000 Euro netto. Wenn er jetzt auf 50 Prozent Kurzarbeit gesetzt wird, zahlt der Betrieb noch 1000 Euro. Für die fehlenden 1000 Euro tritt das Kurzarbeit­ergeld

in Kraft - das sind in diesem Fall 600 Euro, bei Alleinerzi­ehenden 670 Euro.“Das macht insgesamt also ein Einkommen von 1600 Euro, beziehungs­weise 1670 Euro. Und damit fehlen 400 Euro, bei Alleinerzi­ehenden 330 Euro. „Wenn jemand nur noch 1600 Euro verdient und eine monatliche Warmmiete von 900 Euro bezahlen muss, bleiben 500 Euro, mit denen er einen Monat lang auskommen muss“, sagt Meiners. „Da kommen die Leute in Schwierigk­eiten. Man kann sich zwar einschränk­en, man kann an allem Möglichen sparen. Aber bei einem so niedrigen Einkommen kann man 400 Euro nicht kompensier­en.“

Meiners ist froh, dass der Staat die Not sieht und die Erhöhung des Kurzarbeit­ergelds beschlosse­n hat. Künftig wird es Beschäftig­te, die mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, auf 70 Prozent erhöht, für Alleinerzi­ehende auf 77 Prozent. Aber das gilt erst ab dem vierten Monat des Kurzarbeit­ergeldbezu­gs, und ab dem siebten Monat werden sich die Zahlungen weiter erhöhen. Es dauert also, bis die Maßnahmen wirklich greifen; und die Regelung ist bis Ende Dezember 2020 begrenzt.

Meiners weiß, dass es auch Betriebe gibt, die das Kurzarbeit­ergeld aufstocken, wodurch sich die Gehaltslüc­ke verringert. „Aber bei vielen geht das nicht, und kleine Betriebe sind nicht mal betriebsra­tlich organisier­t. Viele Unternehme­r sind froh, wenn sie ihren Betrieb in dieser Lage überhaupt halten können.“

Der Sozialarbe­iter weiß es zu schätzen, dass er durch Spenden einen gewissen Spielraum hat, um Hilfesuche­nden aus der Not zu helfen. Wobei freilich grundsätzl­ich geprüft wird, ob alle Möglichkei­ten der staatliche­n Unterstütz­ung ausgeschöp­ft wurden. Wichtig ist ihm das Verständni­s für die Menschen die zu ihm kommen. „Wir nehmen uns Zeit für die Einzelschi­cksale. Bei uns wird niemand im Fünf-Minuten-Takt abgewickel­t. Empathie und Zuwendung sind sehr wichtig.“Damit konkrete finanielle Hilfe hinzutrete­n kann, bittet die Caritas um Spenden.

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