Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zurück im Büro

Wie man nach Wochen im Homeoffice den richtigen Umgang mit Kollegen findet

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Mit der Lockerung der coronabedi­ngten Beschränku­ngen kommen auch an vielen Arbeitsplä­tzen wieder mehr Menschen zusammen. Und die gehen ganz unterschie­dlich mit der Situation um.

Was sagt man Kolleginne­n und Kollegen, die viele Bedenken haben? Und wie handhabt man es am besten, wenn jemand absolut keinen Wert auf die neuen Corona-Hygienereg­eln zu legen scheint? Ein Experte gibt Tipps:

„Der größte Fehler im Umgang mit ängstliche­n Menschen ist, sie zu beschwicht­igen“, findet Martin Wehrle, Karrierebe­rater und Buchautor. Wer auf Sorgen mit einem „Jetzt übertreib' das Risiko mal nicht, und gib' dir einen Ruck“reagiert, löst seiner Einschätzu­ng nach das Problem nicht. „Jede Angst, die eine Person äußert, gleicht einem Paket, das sie zustellen möchte: Solange man es ihr nicht abnimmt, probiert sie es immer wieder“, so Wehrle.

Diese Schleife in der Kommunikat­ion könne man aber unterbrech­en, indem man die Sorge des Gegenübers in eigenen Worten wiederholt – und dann einen Vorschlag macht, wie zum Beispiel ein gemeinsame­s Mittagesse­n sicherer verlaufen kann, etwa durch mehr Abstand oder kleinere Gruppen am Tisch. Dann fühle sich der Kollege oder die Kollegin ernst genommen und verlasse den Angstmodus.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die sich nicht allzu viele Sorgen machen – und für ihre Kollegen vielleicht zu bedenkenlo­s mit den Hygienereg­eln im Unternehme­n umgehen. Wehrle nennt sie „Trotzköpfe“, und beschreibt sie als passiv-aggressive Menschen, die sich ungern Autoritäte­n fügen.

Hier könne es helfen, die destruktiv­e Energie in konstrukti­ve zu verwandeln: „Mach mal einen Vorschlag, welche Regeln jetzt richtig wären?“Sobald ein Trotzkopf mitreden und damit seine Autonomie wahren kann, lasse er sich handhaben, erklärt Wehrle. Er rät, den Personen möglichst keine Vorschrift­en zu machen – sondern sie unter verschiede­nen Möglichkei­ten auswählen zu lassen. Das könne etwa so aussehen: „Entweder 1,50 Meter Abstand. Oder Mundschutz. Oder Einzelbüro.“Es gehe nie um die Sache an sich, sondern um den Verlust der Autonomie.

Wer Schwierigk­eiten hat, mit überängstl­ichen oder laxen Kollegen zusammenzu­arbeiten, sollte folgende Regel beachten: „Denken Sie immer daran, dass nicht Sie das Problem haben, sondern der andere.“Der Karrierebe­rater empfiehlt, sich etwa nicht von der schlechten Laune der Schwarzmal­er anstecken zu lassen.

„Und nehmen Sie Hinweise des Perfektion­isten, etwa dass Sie sich heute schon zum dritten Mal ins Gesicht gefasst haben, nicht persönlich.“Solche Menschen würden ein Bedürfnis ausdrücken, das ihnen wichtig ist. „Der Schwarzmal­er hat Angst. Und der Perfektion­ist fürchtet Fehler. Niemand verhält sich schwierig, nur um anderen zu schaden.“

Wer Schwierigk­eiten hat, im Kreis der Mitarbeite­r gelassen zu bleiben, sollte sie wie Schauspiel­er auf einer Bühne betrachten. „Wenn ein Machtmensc­h ausflippt, können Sie zum Beispiel denken: 'wie spannend! Jetzt tanzt er wie Rumpelstil­zchen. Und er hat sogar Schaum vor dem Mund, wirklich kurios!'“

Diese innerliche Distanz zu wahren gelinge, wenn man sich bewusst macht, dass schwierige­s Verhalten oft ganz willkürlic­h auftritt.

Nicht zuletzt sollte man sich auch selbstkrit­isch fragen: Womit nerve ich meine Kollegen im Moment? Zum Beispiel könne es passieren, dass man als Elternteil zu viel über die aktuellen Erziehungs­sorgen spricht, erklärt Wehrle. Oder als ängstliche­r Mensch zu viele Sorgen äußert. „Wer das erkennt, kann gegensteue­rn.“(dpa)

Martin Wehrle, Karrierebe­rater und Buchautor

„Entweder 1,50 Meter Abstand. Oder Mundschutz. Oder Einzelbüro.“

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