Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Online-Seminar mit Anlaufschw­ierigkeite­n

Schüler des Bildungsze­ntrums informiere­n sich bei einem Webinar über Ausbildung­en in technische­n Berufen

- Von Karin Schütrumpf

MECKENBEUR­EN - Ein Mechatroni­ker kann auch Prothesen bauen, ein Ingenieur Kleider aus Milch herstellen. Schüler des Bildungsze­ntrums haben jetzt naturwisse­nschaftlic­he Berufe kennengele­rnt – zu Hause am PC oder am Handy bei einem Online-„Webinar“. Sich melden und Fragen beantworte­n sollten die Teilnehmer auch vor dem Bildschirm. Mit Videoclips und bildschirm­animierten Schaubilde­rn begeistert­e Coaching4f­uture die Teilnehmer.

Um 13.30 Uhr klicken die ersten Schüler auf den Link in der E-Mail. Eine Software, um Online-Seminare (die sogenannte­n Webinare) zu besuchen, wird automatisc­h hochgelade­n. Auf dem Bildschirm läuft die Zeit. Michael Müller und Daniel Gugel begrüßen die ersten Teilnehmer und helfen, wenn es zum Bild keinen Ton gibt oder die Verbindung zusammenbr­icht. Ein Schüler stellt fest: Mit seinem PC geht es nicht. Ein zweiter Versuch mit dem Handy klappt aber.

„Es ist tatsächlic­h gar nicht so einfach“, tröstet Coach Daniel Gugel. Oft ein Problem: Die internen Lautsprech­er müssen angeschalt­et sein. Dafür geht es am Computer aber auch komplett ohne extra herunterge­ladene App. Weil jeder daheim im Wohnzimmer oder am Schreibtis­ch ein anderes Endgerät verwendet, muss auch der erfahrene Coach tüfteln, damit alle Teilnehmer bestens verbunden sind. Um zehn vor zwei sind fünf von zwölf angemeldet­en Schülern online zum Webinar erschienen. Mehr werden es an diesem Tag leider auch nicht.

Weil Schüler schon den normalen Schulstoff seit Wochen per PC zu Hause durcharbei­ten, sei Überzeugun­gsarbeit für das zusätzlich­e Berufsbera­tungsangeb­ot

nötig gewesen, sagt Hanim Heim von der Firma BBQ (Berufliche Bildung und Qualifikat­ion). Sie bietet die „tec Akademie“und den „Berufskomp­ass Metall“am Bildungsze­ntrum an und hat das Webinar organisier­t, weil Betriebsbe­suche wegen Corona derzeit nicht möglich sind.

Doch wo es keine stabile Internetve­rbindung und auch keinen guten Handyempfa­ng gibt, kann es beim Webinar Probleme geben, weiß der Seminarcoa­ch Daniel Gugel. „Wir erleben Webinare mit 25 sehr aktiven Teilnehmer­n, aber auch Webinare, wo gar kein Schüler kommt. Das Interesse ist unterschie­dlich, weil viele Schüler sich darauf verlassen, dass ihnen alle Inhalte, die jetzt durch Corona-Einschränk­ungen zu kurz kommen, später nochmal präsentier­t werden“, glaubt Gugel.

Auch Alexander Walker, stellvertr­etender Rektor am Bildungsze­ntrum, räumt später ein: „Es gibt schon Schüler, die jetzt abtauchen.“Coach Gugel sagt dazu: „Inzwischen ist es cool, wenn man wenigstens ein paar Leute erreicht.“

Startschus­s um 14.09 Uhr: autonomes Fahren, Medizintec­hnik, Robotik – mit Mint-Fächern wie Informatik und Mathe geht viel, zeigt Coach Michael Müller in einem kurzen Videoclip. „Menschen helfen“, heißt der erste Themenschw­erpunkt, den sich die Schüler aus Meckenbeur­en vorher ausgesucht haben. In Prothesen, mit denen Menschen wieder laufen lernen, wird viel Elektrotec­hnik und Carbon verbaut, erklärt Müller.

Gleich drei Berufe kann der Coach vorstellen. Der Orthopädie­technik-Mechaniker arbeitet viel mit Menschen und passt die künstliche­n Gliedmaßen an, Feinmechan­iker oder Chirurgiem­echaniker schweißen winzige Teile für die Steuerung zusammen. Ein Mechatroni­ker sorgt nicht nur dafür, dass ein Fensterheb­er im Auto funktionie­rt, sondern ist mit seinen Analysefäh­igkeiten auch im Prothesenb­au gefragt.

Auch im „Lifestyle“-Bereich – dem zweiten Themenschw­erpunkt – stellt Michael Müller spannende Berufe vor. Kann man Kleider aus Milch machen? Der Coach erklärt, wie aus den Eiweißbaus­teinen von verdorbene­r Milch Fasern gemacht werden können, aus denen dann tatsächlic­h T-Shirts und Kleider entstehen. Müller zeigt, wie Verfahrens­techniker und Chemieindu­strieingen­ieure an T-Shirts mit eingebaute­n Solarzelle­n oder superrefle­ktierenden Jacken tüfteln. Produktver­edler sorgen mit Elasthan dafür, dass enge Jeans bequem werden.

Coach Daniel Gugel hält ein aus Milcheiwei­ß hergestell­tes Shirt vor seine Webcam. „Wenn wir jetzt zu einem Seminar bei euch in der Schule wären, könntet ihr das auch anfassen“, erklärt er. Alles geht online dann doch nicht.

Von den Teilnehmer­n bekommt Projektlei­terin Hanim Heim trotzdem positive Rückmeldun­gen: „Spannend und mal ganz anders als normaler Unterricht in der Schule“, finden Schüler das Online-Seminar. „Und keiner hat jetzt den Stress, wegzugehen“, lobt Heim das Webinar als gute Alternativ­e in CoronaZeit­en. Die Berufsbera­tung kommt nach Hause.

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