Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wo auf Ellbogencheck am liebsten die Umarmung folgt
Für Beschäftigte im Förderzentrum am Teuringer ist Abstand nicht leicht – Aufatmen nach hartem Lockdown
OBERTEURINGEN - Bildungs-, Begegnungsund Förderzentrum: Im Namen der Einrichtung im Haus am Teuringer, die kurz einfach BBF genannt wird, steckt schon drin, worum es geht. Menschen mit Behinderung bekommen hier nicht nur eine Tagesstruktur, sondern können sich weiterbilden, einbringen und sind stark in die Gemeinschaft eingebunden. Es ist unschwer vorstellbar, dass die Corona-Krise aber auch in dieser sonst so offenen Einrichtung schwere Einschnitte mit sich brachte.
„Mitte März fiel die sonst bekannte Tagesstruktur von einem auf den anderen Tag komplett weg“, sagt BBF-Leiter Markus Schababerle. Während acht der in dem Zentrum Beschäftigten direkt im Haus am Teuringer wohnen, sei für zwei von außerhalb kommende Frauen der Arbeitsausfall im BBF besonders lang und hart gewesen. „Eine von den beiden wohnt bei den Eltern, da war das natürlich auch für Mutter und Vater sehr schwierig, die Zeit, die sie sonst hier verbringt, aufzufangen. Die andere lebt im integrierten Wohnheim in Markdorf, da dürfte es schon etwas leichter gefallen sein“, schildert Schababerle. Doch auch vor Ort habe ein komplettes Umdenken stattfinden müssen. „Es war ein Weg der Kompromisse. Wir mussten die Tage umstrukturieren, Materialien in den Wohnbereich holen und so weiter – das war alles recht kompliziert“, sagt der Leiter rückblickend auf die Wochen des sogenannten Lockdowns, der Einrichtungen wie das BBF, in das plötzlich keiner mehr rein und aus dem auch keiner mehr raus durfte, besonders stark betraf.
Die ersten Wochen seien noch ganz gut gegangen. „Für viele Beschäftigte war das ein Gefühl von plötzlichem Urlaub, aber als dieser gar nicht mehr aufhörte, nahm die Unruhe schon zu. Für eine von ihnen, die sonst täglich in der Werkstatt ist, war es besonders schwer begreiflich. Da kam dann nicht selten die Aussage: Ich bin doch gesund, warum darf ich nicht arbeiten?“, erläutert Markus Schababerle. Während sich Betreuer und Beschäftigte in den vergangenen Wochen also vor allem in den Wohnungen am Teuringer aufhielten, weil sich die Gruppen und Bewohner dort am besten trennen ließen, kehrt nun mit den Lockerungen auch am BBF wieder ein Stückchen Alltag ein.
„Seit dieser Woche ist die Werkstatt wieder offen, zwar nur halbtags, aber immerhin“, erläutert der Leiter. Auch können nun Mitarbeiter und Beschäftigte wieder den ganzen Tag in den Räumen des BBF verbringen – wenn auch immer noch aufgeteilt in zwei Gruppen. „Vorher hatten wir schon übergangsweise darauf umgestellt, dass jede Gruppe einen halben Tag dort sein kann“, erklärt Markus Schababerle. Wer das BBF am Teuringer kennt, weiß, wie gern die Beschäftigten an sonnigen Tagen auch mal am Fenster mit Spaziergängern plaudern und wie unvermittelt sie einem in die Arme fallen, weil sie sich so freuen. Dass derart nahe Kontakte nicht mehr möglich sind, ist umso schwerer begreiflich für sie, bestätigt der BBF-Leiter. Auch der Kontakt zu den Eltern habe vielen ganz stark gefehlt.
„Das war heftig. Wir haben es mit Videoanrufen versucht, aber oft war da dann auch schnell Verzweiflung, warum man sich nicht live begegnen darf“, sagt Schababerle. „Aber viele haben auch dazugelernt“, meint er. „Den Ellbogen-Check, also sich mit den Ellbogen zu begrüßen, fanden sie auch lustig. Nur mancher hat den dann gemacht und wollte einem danach um den Hals fallen.“
Umso willkommener ist daher auch in dem Zentrum die Aufhebung mancher Beschränkungen. „Wenn wir jetzt von den Wohnungen hinüber ins BBF laufen, sind alle total begeistert“, berichtet der Einrichtungschef.