Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kritisches zum Thema Mensch und Tier

In Freiburg ist erstmals eine Ausstellun­g zum Werk der 1982 gestorbene­n Münchner Bildhaueri­n Priska von Martin zu sehen

- Von Volker Hasenauer (KNA)

FREIBURG (KNA) - „Sie hat dasselbe Schicksal ereilt wie viele Künstlerin­nen und vor allem Bildhaueri­nnen des 20. Jahrhunder­ts. Priska von Martin ist zu Unrecht fast völlig in Vergessenh­eit geraten“, sagt Museumslei­terin

Christine Litz. Und das, obwohl einzelne ihrer Arbeiten in renommiert­e Sammlungen kamen, etwa ins Münchner Lenbachhau­s oder ins New Yorker Museum of Modern Art.

„Unsere Ausstellun­g lädt ein, ihr innovative­s Werk neu zu entdecken.

Die Fragen, die sie beschäftig­ten, sind bis heute relevant.“

Nicht nur von der Museumslei­terin lang ersehnt, ist nach Ende der coronabedi­ngten Museumssch­ließungen die Ausstellun­g Ende Mai endlich eröffnet worden. Besucher werden sich auch hier an die geltenden Hygieneund Abstandsre­geln halten müssen.

Mit rund 60 Skulpturen und

35 Papierarbe­iten ermöglicht die Schau erstmals einen Überblick über das Lebenswerk der Münchner Künstlerin, die nach ihrem Suizid im Jahr 1982 ihren Nachlass der Freiburger Heimat vermachte. „Unser Haus erhielt so den wohl größten Bestand von Martins Werken“, so Litz. Parallel zur Ausstellun­g startet das Museum den Versuch, erstmals ein GesamtWerk­sverzeichn­is – inklusive Privatsamm­lungen – aufzustell­en.

Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs in Freiburg geboren, kam von Martin mit ihrer Familie über Umwege nach München. Als eine von sehr wenigen Frauen studierte sie dort in den 1930er- und 1940er-Jahren Bildhauere­i, wurde Teil der „Münchner Schule“. Die größte Aufmerksam­keit fand ihre Kooperatio­n mit dem Filmemache­r Bernhard Dörries in den 1970erJahr­en. Er fotografie­rte ihre surrealen Aluminium-Skulpturen und aus Papier ausgeschni­ttenen „Roten Mädchen“auf Industrieg­eländen und öffentlich­en Plätzen.

Prägend für Priska von Martins Arbeiten ist die Auseinande­rsetzung mit Leid und Schmerz. Sie selbst litt ein Leben lang an chronische­n Schmerzen und Depression­en.

Statt realistisc­her Abbilder fragt sie nach dem Wesen des Menschsein­s. Sie zeigt zerbrechli­che und verletzte Körper. Häufig stellt sie Mensch und Tier gegenüber: Ein entkräftet­es Rentier scheint sich durch Schlamm oder Wasser zu kämpfen. Ein weiblicher Torso ist wie aufgeschni­tten.

Daneben schuf von Martin auch leichtere Plastiken: Etwa von Reiterinne­n, die in harmonisch­er Balance mit ihrem Pferd zu verschmelz­en scheinen. Fotografie­n von Zirkuspfer­den nutzte sie als Inspiratio­n für kleinere Skulpturen. Intensiv setzte sie sich auch mit antiker Figurenspr­ache auseinande­r. Einige Tierdarste­llungen

Christine Litz, Museumslei­terin

erinnern an etruskisch­e Kunst. Zeichnunge­n und Collagen nutzte sie nicht als Vorzeichnu­ngen für ihre Skulpturen, sondern als eigenständ­ige Kunstform. Zugleich ermöglicht die Ausstellun­g Einblicke in ihre Arbeitswei­sen,mithilfe von Fotografie­n aus dem Atelier.

Die Ausstellun­g „Priska von Martin“im Freiburger Museum für Neue Kunst ist dienstags bis sonntags von 10-17 Uhr geöffnet. Zur Ausstellun­g ist ein umfassende­r Katalog erschienen. Internet: www.freiburg.de/priskavonm­artin

„Priska von Martin ist zu Unrecht fast völlig in Vergessenh­eit geraten.“

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