Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der Glaube ans Zu-Null
Werder Bremen, zuvor die Schießbude der Liga, ist seit 270 Minuten ohne Gegentor und kann gegen Frankfurt die Abstiegsplätze verlassen
BREMEN (dpa) - So nah war Werder Bremen seinem Ziel schon seit Monaten nicht mehr. Seit Anfang Februar steht der viermalige deutsche Meister ununterbrochen auf einem Abstiegsplatz der Fußball-Bundesliga. Erst vor zwei Wochen dachten viele Fans nach dem 1:4 gegen Bayer Leverkusen im ersten Spiel nach der Corona-Pause: Das war es jetzt. Doch schon an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/Sky) könnten sich die Bremer mit einem Sieg im Nachholspiel gegen Eintracht Frankfurt auf den Relegationsplatz verbessern. Sollte der Sieg mit fünf Toren Abstand ausfallen, wäre Werder sogar wieder Tabellen-15.
„Das Spiel hat einen Finalcharakter, aber es gibt danach noch fünf weitere Endspiele“, sagte Trainer Florian Kohfeldt bei einer virtuellen Pressekonferenz am Dienstag. „Morgen wird nichts passieren, was uns endgültig retten kann. Wir sind nach wie vor hinten dran. Deshalb sind wir unter Zugzwang.“Was diese Dringlichkeit angeht, hörte sich sein Frankfurter Kollege Adi Hütter ganz ähnlich an. „Es ist für beide Mannschaften ein wichtiges und bedeutsames Spiel, in dem das Motto gilt: Verlieren verboten“, sagte der Österreicher. Denn auch für die Eintracht hat sich durch den jüngsten 2:1-Sieg in Wolfsburg und das Ende einer wochenlangen Niederlagen-Serie eine Tür geöffnet. Sollte sie in Bremen gewinnen, hätte sie dadurch fünf Spieltage vor Schluss einen beinahe schon uneinholbaren Vorsprung von acht Punkten auf den Relegationsplatz. Sollte sie allerdings verlieren, ginge auch in Frankfurt das Zittern wieder von Neuem los.
Angesichts der sportlichen Brisanz haben beide Vereine die turbulente Vorgeschichte des Spiels schon fast wieder vergessen. Eigentlich sollte es bereits am 1. März und damit vor der Unterbrechung dieser Saison stattfinden. Doch ein Frankfurter EuropaLeague-Spiel in Salzburg musste um einen Tag verschoben werden, weshalb die Deutsche Fußball Liga auch gleich die Bundesliga-Partie in Bremen strich. Werder war sauer deshalb, und Werder verlor nur drei Tage später sowohl ein DFB-Pokal-Spiel gegen die Eintracht als auch seinen wichtigen Abwehrspieler Ömer Toprak für mehrere Monate. Der Frankfurter Filip Kostic hatte ihn schwer gefoult.
Zur deutlich verbesserten Stimmung in Bremen passt, dass der gebürtige Ravensburger Toprak diese Woche im Training zurückerwartet wird. „Die Verletzung war tragisch und total blöd für uns. Aber Filip Kostic hat sich gleich nach dem Spiel aufrichtig entschuldigt. Von unserer Seite gibt es überhaupt kein böses Blut“, sagte Kohfeldt. „Ich habe auch ein sehr gutes Verhältnis zu Adi Hütter.“Beide
Trainer haben vielleicht noch gerade rechtzeitig die Konsequenzen aus den sportlichen Abstürzen gezogen. Beide wollen, dass ihre Teams nach vorne spielen. Aber die nötige „Borstigkeit“(„Frankfurter Rundschau“) ging in dieser Saison erst Werder und später dann auch der Eintracht verloren.
Genau das hat sich nun geändert – vor allem in Bremen. „Werder verteidigt nun besser und geschlossener. Sie stehen wieder stabil. Es ist sicherlich nicht mehr dasselbe Team wie vor drei bis vier Wochen“, sagte Adi Hütter. Sein Kollege Kohfeldt sieht das nach den 1:0-Siegen gegen Schalke und Freiburg sowie dem 0:0 gegen Gladbach ähnlich: „Der Effekt bei der Mannschaft ist: Du glaubst daran, dass du zu Null spielen kannst. Du glaubst daran, dass du Nackenschläge verdauen und ein Bundesliga-Spiel gewinnen kannst.“