Schwäbische Zeitung (Tettnang)

58 Cent pro Liter sollen für den Bauern bleiben

Bei der „Du bist hier der Chef“-Milch bestimmen die Verbrauche­r über Preis und Tierhaltun­g

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glückliche­r werden – Bauern und Kühe. Vielen behage nicht, wie bisher mit Tieren zumeist umgegangen werde.

Kühe sind auf Höchstleis­tung getrimmt. Eine konvention­elle Kuh gibt am Tag nicht nur ein paar Liter für ihr Kälbchen, sondern gut

30 Liter für den Milchmarkt. Sie lebt selten länger als viereinhal­b Jahre. Dabei können Kühe natürliche­rweise leicht 20 Jahre werden. Das schaffen sie auch auf dem Biohof nicht, dort leben sie im Schnitt sechs Jahre, geben 20 Liter Milch am Tag. Die neue Marke ist „eine Chance, einen guten Preis zu bekommen und die Tiere noch artgerecht­er zu halten“, meint Lorenz.

Dazu müssen die Landwirte – so haben es die Verbrauche­r bestimmt – ihre Kühe überwiegen­d mit Frischgras füttern. Und wenn es doch mal Kraftfutte­r gibt, darf es nur aus der Region kommen. Auch müssen ihre Tiere mindestens vier Monate im Jahr auf der Weide sein. Lorenz muss diese neuen Regeln ebenso einhalten wie seine zwölf Kollegen, die ab jetzt ebenfalls die „Du bist hier der Chef“-Milch liefern.

Die Idee für die „Du bist hier der Chef“-Milch kommt ursprüngli­ch aus Frankreich. Unter der Marke: „C’est qui le patron?!“werden dort bereits gut 35 Produkte etwa bei der großen Supermarkt­kette Carrefour verkauft.

Neben Milch gehören Äpfel und Butter dazu. In Deutschlan­d hat die Idee Nicolas Barthelmé, ein gebürtiger Franzose, von seinem Wohnort aus, dem hessischen Eltville, angeschobe­n.

Er hat die Onlineumfr­age ins Leben gerufen. „Der Verbrauche­r muss mündiger werden“, ist Barthelmé überzeugt. Er hat viele Gespräche geführt, um Mitstreite­r zu finden.

UnandeBaue­r ter rem gewann er Lorenz. Lorenz ist Vorsitzend­er der Milcherzeu­gergemeins­chaft Hessen, ein Zusammensc­hluss von

Biobauern, die in eigener Regie auch die einzige Biomolkere­i Hessens führen. Der Name: Upländer Bauernmolk­erei. Sie holt die Milch von Lorenz und den anderen ab, verarbeite­t sie, bevor Rewe sie dann in seine Regale stellt. Die Handelsket­te startet damit zunächst in 400 Filialen vor allem in Hessen, aber auch in einigen Märkten in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz. ReweEinkau­fschef Hans-Jürgen Moog hält die Milch für „eine wirkliche Bereicheru­ng für den Markt“. Andere Handelsket­ten könnten auf den Zug aufspringe­n – auch in BadenWürtt­emberg. Die Verhandlun­gen laufen, beispielsw­eise mit Kaufland. Der Lebensmitt­eleinzelhä­ndler aus Neckarsulm führe derzeit Gespräche über eine zukünftige Zusammenar­beit, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Bisher scheint die „Du bist hier der Chef“-Initiative keine Konkurrenz zu haben. Vergleichb­are, verbrauche­rbestimmte Projekte – zumindest in Baden-Württember­g – seien bisher nicht bekannt, sagt Horst Wenk, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer beim baden-württember­gischen Landesbaue­rnverband (LBV). Milch, bei der fairer Lohn von Bauern im Fokus steht, gebe es aber bereits mit „Die Faire Milch“und „Sternenfai­r“-Milch. Auch der Lebensmitt­elhändler Feneberg mit Hauptsitz in Kempten unterstütz­t nach eigenen Angaben mit seiner Milch der Marke „Von hier“regionale Bauern und Weidehaltu­ng.

Wenk gibt aber zu bedenken, dass es solche Produkte oftmals schwer haben, sich großflächi­g am Markt zu etablieren. „Die Faire Milch“und „Sternenfai­r“-Milch hätten einen verschwind­end geringen Marktantei­l. Die deutschen Verbrauche­r, die vor allem auf einen günstigen Preis schauen, seien eben doch deutlich in der Mehrheit.

Die „Du bist hier der Chef“-Initiative sei zu begrüßen. „Hier wird unten angefangen, und geschaut, welche Vergütung der Landwirt braucht und das ist richtig.“Aber auch die „Du bist hier der Chef“Milch müsse sich am Markt eben erst mal durchsetze­n. „Die letztendli­che Marktmacht liegt beim Verbrauche­r“, sagt Wenk. „Er hat das

Recht, Forderunge­n an das landwirtsc­haftliche Produkt zu stellen, aber es ist dann auch seine Pflicht, entspreche­nd zu kaufen“.

Landwirt Lorenz bleibt optimistis­ch und glaubt an den Erfolg des Produkts. Der älteste seiner vier Söhne macht gerade seine Ausbildung zum Landwirt. Er sagt: „Wir haben bereits Bauern auf der Warteliste, die mitmachen wollen.“

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